Neheim. Markus Kampschulte, Inhaber des „Loftsound“ in Neheim, meint, wir konsumieren das „Audio-Gammelfleisch“ der Musikindustrie. Das möchte er ändern.
Wenn Markus Kampschulte über Musik redet, dann wirkt er selbstbewusst. Der 57-Jährige sitzt gelassen in der großräumigen Ladenfläche seines Geschäfts „Loftsound“, die Beine übereinander geschlagen, die Haare an den Seiten frisch auf wenige Stoppeln rasiert, der graue Vollbart ist gestutzt.
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Unaufgeregt spricht er darüber, wie die Corona-Pandemie die Neueröffnung des Geschäfts in der Neheimer Apothekerstraße beinahe torpedierte. Er fragt sich, warum wir Menschen das „Audio-Gammelfleisch“ der Musikindustrie konsumieren.
Im gesamten Raum stehen hochwertige Hifi-Sound-Anlagen verteilt, dazwischen gesellen sich einige Schallplattenspieler, an der Wand sind Schallplatten im Regal aufgereiht – vom britischen Songwriter Harry Styles bis Pop-Ikone Michael Jackson. Markus Kampschulte warnt stoisch vor Musik als eine „der größten Stressfaktoren, die wir auf dem Planeten haben“.
„Loftsound“ in Neheim: Familienunternehmen mit langer Tradition
Doch bei einer Frage wirkt er unruhig – fast schon peinlich berührt: Was war die erste Schallplatte des Neheimer Musik-Experten? „Soll ich das wirklich verraten?“, fragt sich Markus Kampschulte selbst und lacht laut auf. „Das war ‚Ich wünsch mir ne kleine Miezekatze‘ von Wum und Wendelin. Da war ich, glaube ich, vier oder fünf Jahre alt.“
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Mehr als fünf Jahrzehnte später hat sich der Musikgeschmack des gelernten Radio- und Fernsehtechnikers geändert. Mit der Eröffnung des „Loftsounds“ haben er und sein Bruder Stefan – die das Geschäft in Neheim mit zwei Mitarbeitern leiten – das langjährige Familienerbe des Unternehmens übernommen und sind in die Fußstapfen ihres Großvaters und Vaters – ehemals Radio Schulte – getreten.
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Laut eigenen Angaben hat alles 1924 angefangen: Der Großvater der Brüder Kampschulte eröffnet in Neheim-Hüsten eines der ersten Rundfunkgeschäfte in Deutschland. Damals wurden die sogenannten Volksempfänger noch mit Röhren gebaut. Etwa ein halbes Jahrhundert später übernimmt Vater Kampschulte in den 1970er Jahren das Geschäft, ehe Markus Kampschulte Ende der 1980er Jahre die Leitung erhält. Der Weg scheint geebnet.
Doch Ende der 1990er Jahre bedroht der Aufstieg von Fachmärkten die Existenz des „kleinen Ladens“, wie es Markus Kampschulte beschreibt. Sein Bruder arbeitet von nun an für mehrere Jahre in der Musikindustrie, Markus leitet zunächst einen lokalen Elektrofachmarkt und gründet 2005 das Tonstudio „Loftsound“. 15 Jahre später eröffnen sie gemeinsam unter diesem Namen das Hifi-Anlagen-Geschäft in der Neheimer Einkaufsstraße – mitten in der Zeit des ersten Lockdowns der Corona-Pandemie 2020.
„In den ersten Monaten sah ich unsere Existenz sofort bedroht“, sagt Markus Kampschulte ein Jahr später. Mit finanzieller Hilfe des Staates, Stundungen von Mieten und Krediten kämpft er um das Überleben des Geschäfts – und dann passiert etwas, dass der 57-Jährige so nicht erwartet hätte. Auch die Kundinnen und Kunden aus Arnsberg interessieren sich für die Produkte. „Ich hätte zunächst nie gedacht, dass wir auch die Menschen hier vor Ort ansprechen“, sagt Markus Kampschulte. Im Sortiment bietet der Laden gebrauchte Schallplatten für einen Euro bis zu einem limitierten Lautsprecher im Wert eines Familienhauses für 500.000 Euro an.
Ein Grund für ein derzeitiges Revival der Schallplatte ist laut Markus Kampschulte der Umstand, dass Menschen wieder „etwas spüren wollen“. „In den vergangenen 20 Jahren wurden die Menschen immer oberflächlicher“, so der Neheimer Musik-Experte, „doch immer mehr entdecken ein anderes Bewusstsein dafür, was wirklich wichtig ist im Leben – und das ist nicht ständiger Konsum“.
„Loftsound“: Warum Musik die Menschen auch stressen kann
Markus Kampschulte fragt sich, warum viele Menschen mit MP3-Titeln und auf Streaming-Plattformen das „Audio-Gammelfleisch“ der Musik hören. „Das MP3-Verfahren wurde erfunden, um möglichst viele Songs komprimiert auf einem Player speichern zu können“, erklärt er, „doch dabei fallen viele Daten weg. Wenn ein leiserer Ton von einem lauten verdeckt wird, wird er weggelassen“. Jahrelang habe man geglaubt, dass das menschliche Gehör das nicht merke, „doch die Forschung hat herausgefunden, dass unser Gehirn das fehlende Material rekonstruiert – und dieser Rechenprozess erzeugt viel Stress in unserem Körper“, sagt Markus Kampschulte.
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Der 57-Jährige behauptet: „Unsere Kunden sitzen dort mit einem Glas Rotwein und hören Musik. Es fühlt sich an wie Urlaub.“ Deswegen sehen sie sich im „Loftsound“ auch mehr als ein „Wellness-Center“ statt eines Hifi-Studios, ergänzt Markus Kampschulte mit einem Augenzwinkern.
Dabei sei der Klang für den Kunden zunächst kein triftiger Grund, viel Geld für eine Anlage auszugeben. „Doch wenn du dich darauf einlässt merkst du, wie irre es sein kann, so ein authentisches Erlebnis zu haben“, betont Markus Kampschulte, „dann hast du das Gefühl: Billie Eilish sitzt bei dir im Wohnzimmer. Das ist schon funky“.