Hochsauerlandkreis/Elkeringhausen. Investition in Bildung und Spiritualität: St. Bonifatius plant einen Neubau für 4 Millionen Euro, um Bildungsangebote und Komfort zu verbessern.
„Walburga“ hat gut und gerne 90 Jahre auf dem Buckel. Sie kämpft schon länger mit nassen Füßen, steilen Treppen und passt in mehrfacher Hinsicht nicht mehr in die Zeit. „Walburgas“ letztes Stündchen hat bald geschlagen. Gut, dass die Dame nicht menschlicher Natur ist. „Walburga“ heißt ein zentrales Wohngebäude auf dem Gelände des Bildungs- und Exerzitienhauses St. Bonifatius. Anfang Mai kommt die Abrissbirne. Dann entsteht dort ein neues Gebäude, in dem u.a. (wie jetzt auch) wieder Gästezimmer, aber auch die kompletten Büros der Einrichtung Platz finden werden. Das ganze Projekt ist mit vier Millionen Euro veranschlagt und soll nach zweijähriger Bauzeit im April 2027 abgeschlossen sein. Damit gibt das Erzbistum ein klares Bekenntnis zum Standort Elkeringhausen und zur Bedeutung von Bildung im Allgemeinen ab. Und es wertschätzt die Arbeit des insgesamt 35-köpfigen Teams.
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Zehn neue Zimmer zwischen 14 und 17 Quadratmeter groß, eine helle und freundliche Rezeption, alle Büros endlich unter einem Dach, nie mehr niedrige Räume, endlich ein Aufzug, alles barrierefrei und ein 80 Quadratmeter großer, quadratischer Seminarraum ganz ohne Stützsäulen – für Pastor Dr. Andreas Rohde, den Leiter der Einrichtung, wird ein Traum wahr, den schon seine Vorgänger geträumt haben. „Das Gebäude gehört zum ältesten Bestand hier auf dem Gelände. Die Deckenhöhen sind nicht normgerecht, für den Brandschutz mussten wir einen provisorischen zweiten Ausgang anlegen und aufgrund der Feuchtigkeit war der Gruppenraum unten im Keller nicht mehr nutzbar.“ Das neue Gebäude (26 mal 12 Meter groß) wird auf dem jetzigen Platz anders positioniert: wo jetzt der Giebel ist, steht künftig „Walburgas“ Flanke. „Parallel zum Neubau werden wir die Zimmer in den anderen Bestandsgebäuden erneuern und zum Teil umwidmen: Aus alten Büros werden dort neue Familienzimmer. Wenn wir 2029 das 100-jährige Bestehen von St. Bonifatius begehen, ist hier alles auf dem neuesten Stand“, sagt Rohde. Das Architekturbüro Müller aus Winterberg ist ausführender Architekt für das Projekt; möglichst viele Gewerke sollen von heimischen Betrieben übernommen werden.
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Das Bildungs- und Exerzitienhaus hat bistumsweit, aber auch darüber hinaus ein gutes Standing und einen hervorragenden Ruf. „Wir haben hier 47 Zimmer, jährlich rund 15.800 Übernachtungen und eine Auslastung von 65 bis 70 Prozent“, sagt Tagungshaus-Leiterin Sabrina Koch. Es kommen auch Einzelgäste, die einfach nur ein Zimmer buchen, um auszuspannen. Mit gemischten Gefühlen sehen sie und ihr Team der Bauzeit entgegen. Freude über das Neue (endlich längere Betten und eine farbige Wand pro Zimmer), aber auch Respekt vor den logistischen Herausforderungen. „Denn der Betrieb muss ja weiterlaufen und durch den Abriss fallen vorübergehend Bettenkapazitäten weg. Wir haben schon versucht, manche Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen woanders unterzubringen – zum Beispiel in Hotels. Aber das will niemand. Alle schätzen das Gesamtpaket St. Bonifatius und lieben die einzigartige Atmosphäre der gesamten Anlage“, sagt sie. Daher werden es in den beiden Jahren der Umstrukturierung wohl weniger Gäste als sonst werden. Eine einzige Seminargruppe habe bislang wegen des möglichen Baulärms storniert. Alle anderen wollen kommen. Und letztlich schweigen die Baumaschinen an Wochenenden ja auch.
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„Wir sind natürlich ein Ort, der auf Spiritualität ausgerichtet ist. Aber unser Angebot ist ausgesprochen vielfältig und durchaus auch weltlich. Am meisten gefragt sind alle Kurse, die im weitesten Sinne mit Bildungsurlaub zu tun haben. Fünf Tage pro Jahr stehen ja jedem Arbeitnehmer zu.“
Aber Aufwand und Investition lohnen sich. 180 eigene Kurse werden pro Jahr im Normalbetrieb angeboten; hinzu kommen noch viele Gastkurse, wo lediglich die Räumlichkeiten genutzt werden, die Teilnehmenden ihr Programm aber in Eigenregie organisieren. Damit finden im Haus insgesamt 360 Veranstaltungen statt. 150 Referenten arbeiten auf Honorarbasis und wöchentlich melden sich neue Kursleiter/innen, die gern in St. Bonifatius ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben bzw. mit anderen teilen möchten. In Elkeringhausen werden Menschen von Kirche direkt aus ihrer Lebensmitte abgeholt ohne dass nach der Konfession gefragt wird. Hier erleben sie Kirche lebens- und realitätsnah, finden Antworten auf Fragen, erhalten Lebenshilfen. „Wir sind natürlich ein Ort, der auf Spiritualität ausgerichtet ist. Aber unser Angebot ist ausgesprochen vielfältig und durchaus auch weltlich. Am meisten gefragt sind alle Kurse, die im weitesten Sinne mit Bildungsurlaub zu tun haben. Fünf Tage pro Jahr stehen ja jedem Arbeitnehmer zu“, sagt Pastor Rohde. Inhaltlich geht es dabei um Yoga, Autogenes Training, den Umgang mit Stress oder um das Stichwort „Resilienz“. Die Nachfrage nach Kursen, die der Gesundheit dienen, sei gestiegen - aber auch der Wunsch, sich mit Natur zu verbinden, werde immer stärker. Durch erlebnis- und naturpädagogische Angebote wie Klettern, Höhlen erkunden oder Kanu fahren setzt St. Bonifatius auch sehr auf Familienfreundlichkeit.

Seminare, in denen es ums Schweigen und Meditieren geht, hätten unmittelbar nach Corona an Attraktivität verloren, sagt Dr. Rohde: „Das kommt jetzt wieder. Aber wir bieten auch Paar-Kurse an, in denen es um partnerschaftliche Kommunikation geht. Ein Wochenende mit dem Thema ,Let‘s talk about sex‘ würde man in einer kirchlichen Einrichtung im ersten Moment nicht vermuten. Aber gerade solche Kurse sind ausgebucht.“ Mit „Mountainbike-Exerzitien“ oder den für 2027 geplanten „Exerzitien für fast Ausgetretene“, die sich an Menschen richten, die mit Kirche und Glauben hadern, bietet St. Bonifatius sicherlich auch Alleinstellungsmerkmale an.
Energetisch auf Dauer autark
Auch energetisch will „Walburga“ neue Maßstäbe setzen. „Langfristig ist es unser Wunsch, komplett energieautark zu sein. Den Neubau und das angrenzende Lioba-Haus werden wir mit Wärmepumpen beheizen, deren Energie aus eigener Photovoltaik kommt.“ Die gute alte „Walburga“ hat also gar nicht ausgedient; sie erfindet sich neu, passt sich geänderten Anforderungen an, stellt sich für die Zukunft auf – so wie das Bildungs- und Exerzitienhaus auch.