Marsberg. Eine Familie aus Marsberg bekommt von E.ON eine Rechnung und kann kaum glauben, was dort steht. Das Schreiben des Stromversorgers klingt zynisch.
Als die Familie aus Marsberg Post von ihrem langjährigen Stromversorger E.ON bekommt, fällt sie fast aus allen Wolken. Statt bislang 22,18 Cent brutto pro Kilowattstunde soll sie künftig 60 Cent bezahlen und auch der Grundpreis soll sich erhöhen: von 127,39 auf 298,69 Euro. Statt Kosten in Höhe von rund 1058 Euro bisher wären das bei einem Verbrauch von rund 4200 Kilowattstunden künftig rund 2800 Euro im Jahr. „Ich finde es ungeheuerlich, wie mit treuen Kunden umgegangen wird“, sagt der Marsberger, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Das Schreiben von E.ON
Für eine moderate Preisanpassung hätte er durchaus Verständnis gezeigt. Dass er aber als Bestandskunde einen Tarif offeriert bekommt, den es in der Höhe bei dem Anbieter eigentlich gar nicht gibt, stößt bei ihm auf Unverständnis. Das erste Schreiben, das er erhält, klingt vor dem Hintergrund nahezu zynisch: „Vielen Dank, dass Sie für Ihren Strom auf uns setzen. Unser Ziel ist es, die Strompreise stets so lange wie möglich stabil zu halten. Angesichts verschiedener Kostenänderungen kommt es zu Veränderungen bei Ihren aktuellen Preisen. Ab dem 1. Januar gelten für Ihren Tarif ,Strom Smart‘ ein höherer Arbeitspreis sowie ein höherer Grundpreis“, heißt es dort.
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Der Kunde: „Ich habe daraufhin an die Geschäftsführung geschrieben, dass ich diese Preiserhöhung als Abzocke sehe. Die normalen Tarife liegen so um die 30 bis 32 Cent/kWh, auch bei denen. Drei Wochen lang hat sich niemand gemeldet. Daraufhin habe ich telefonisch nachgefragt, ob das Schreiben vorliege. Schließlich wurde ich dann mit der Beschwerdestelle verbunden. Die sagte aber, sie könne mir keine Auskunft geben, weil ich mich ja bei der Geschäftsführung beschwert hätte…“ Nach ein paar Tagen meldete sich dann doch noch einmal der Kundenservice und erklärte, dass die Erhöhung wegen steigenden Preisen erforderlich sei. „Auf meinen Einwand, dass ich im Internet keinen derart hohen Tarif finden könne, ging man gar nicht erst ein.“ Frustriert und verzweifelt hat sich der Marsberger schließlich im Internet schlau gemacht und zu einem anderen Anbieter gewechselt, wo er jetzt aufs Jahr gesehen rund 1300 Euro zahlen muss.
„Ich finde es ungeheuerlich, wie mit treuen Kunden umgegangen wird.“
Der Verbraucherzentrale in Arnsberg sind solche Fällen bisher nicht bekannt. Es liege hier einfach die Vermutung nahe, dass man den Kunden durch ein Angebot mit extrem hohem Preisniveau unbedingt aus seinem alten Vertrag mit allen geltenden AGBs und Klauseln herauskegeln wolle. Rechtswidrig sei so etwas nicht, zumal Verträge beiderseitig bei Preisänderungen gekündigt werden könnten. Eine Kundenbindung sei in solchen Fällen eher zweitrangig. Auf ihrer Internetseite hat die Verbraucherzentrale viele Tipps rund um Stromtarife und Wechsel gesammelt. „Wir raten generell dazu, sich den Stromtarif immer wieder anzuschauen und gegebenenfalls zu wechseln. Wichtig ist darauf zu achten: Was zahle ich pro Kilowattstunde und wie hoch ist der Grundpreis. Die monatlichen Abschläge sind nicht wirklich aussagekräftig“, sagt Fachmann Volker Mahlich von der Verbraucherzentrale.
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Stellungnahme von E.ON
Der Stromversorger E.ON hat über eine Sprecherin eine Stellungnahme zu dem konkreten Fall abgegeben. Bei diesem genannten Beispiel handele es sich um einen individuellen Sondervertrag. Ein Kunde mit solch einem Vertrag habe in der Regel mehrere Jahre - auch während der Hochphase der Energiekrise mit entsprechenden Preisspitzen - von günstigen Konditionen profitiert. „Wir haben diese Spitzen also über viele Jahre abgefedert und das Preisniveau möglichst lange stabil gehalten, können dieses Niveau aber im konkreten Fall nun leider nicht mehr halten. Denn viele Kostenbestandteile haben sich verändert.“
Eine pauschale Ableitung lasse sich aus diesem Beispiel nicht treffen, es gebe nicht „den einen“ E.ON-Strompreis. Denn es gebe immer Entwicklungen nach oben und unten – aktuell würden Kunden beispielsweise auch Preissenkungen erhalten. „Entscheidend ist immer die individuelle Konstellation. Der konkrete Preis einzelner Sonderverträge hängt unter anderem vom Zeitpunkt des Abschlusses, Komponenten wie Laufzeiten oder Preisgarantien und regionalen Kostenbestandteilen ab. Selbstverständlich berücksichtigen wir bei der Entwicklung unserer Preisgestaltung sowohl sinkende als auch steigende Kostenbestandteile.“ Ganz konkret würden beispielsweise die Energiemengen für Bestandskunden häufig in Teilmengen über einen längeren Zeitraum im Voraus beschafft, während sich Neukundenprodukte naturgemäß an der aktuellen Marktsituation orientieren. „
Weiter heißt es: Kundinnen und Kunden könnten selbstverständlich prüfen, ob für sie ein alternatives Angebot in Frage komme. „Das machen wir auch gerne mit ihnen gemeinsam. Unsere Kundinnen und Kunden sind uns sehr wichtig und haben daher auch jederzeit die Möglichkeit, mit uns in Kontakt zu treten.“ Leider hat der Marsberger im konkreten Fall andere Erfahrungen gemacht.