Brilon/Mainz. Die Caritas Brilon kritisiert die Darstellung von Werkstätten für behinderte Menschen ZDF Magazin Royale. Der Sender nimmt wortkarg Stellung.
Die Kritik am „ZDF Magazin Royale“ und dessen Moderator Jan Böhmermann reißt nicht ab. Der Caritasverband Brilon und weitere Träger der Behindertenhilfe haben in einer gemeinsamen Stellungnahme die Darstellung von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) im öffentlich-rechtlichen Rundfunk scharf kritisiert.
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Im Fokus steht dabei die wiederholte Reduktion der Werkstätten auf wirtschaftliche Aspekte und die Diffamierung als „billige Produktionsstätten“. Heinz-Georg Eirund, Vorstand des Caritasverbands Brilon und Vorsitzender der Diözesan-Arbeitsgemeinschaft der Behindertenhilfe und Psychiatrie im Erzbistum Paderborn, betonte: „Werkstätten leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Rehabilitation und sozialen Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Es ist ernüchternd, wie oft dieser zentrale Zweck ignoriert wird.“
Das sieht Böhmermann jedoch anders: „Deutschland ist das Land der Ausgrenzung“, sagt Jan Böhmermann in seiner letzten Sendung des Jahres. Mit scharfen Worten kritisiert er das System aus Förderschulen und Werkstätten für behinderte Menschen. „Einmal Werkstatt, immer Werkstatt“, lautet sein Vorwurf. Er geißelt Löhne von 220 Euro monatlich, während die Werkstätten Millionenumsätze erzielen und für Konzerne wie Porsche arbeiteten.
Mehr als Produktionsstätten
Die Caritas hebt hervor, dass Werkstätten für behinderte Menschen weit mehr als Produktionsstätten seien. Neben der Bereitstellung von Arbeitsplätzen böten sie umfassende Bildungs- und Therapieangebote, die auf eine Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt abziele. „Werkstätten bieten auch einen unverzichtbaren Sozialraum“, erklärte Ines Lammert vom Diözesan-Caritasverband. Dennoch seien die Einrichtungen auf externe Aufträge angewiesen, um den Beschäftigten sinnvolle Aufgaben und zusätzliches Entgelt bieten zu können. Lammert kritisierte zudem die begrenzten Möglichkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderung: „Das Problem liegt nicht bei den Werkstätten, sondern an der fehlenden Bereitschaft vieler Unternehmen, inklusive Arbeitsplätze zu schaffen.“
Die mediale Darstellung, die oft nur wirtschaftliche Aspekte beleuchte, schade dem Ansehen der Werkstätten, so die Caritas. Dabei seien die Zielgruppen dieser Einrichtungen in der Regel Menschen mit kognitiven und psychischen Einschränkungen, die häufig auch körperliche Beeinträchtigungen hätten. Heinz-Georg Eirund forderte deshalb: „Die Berichterstattung muss differenzierter werden, um den vielfältigen Aufgaben und Zielgruppen der Werkstätten gerecht zu werden.“
Das ZDF reagierte auf eine ausführliche Anfrage der Westfalenpost mit einer kurzen Stellungnahme. Es verwies auf die Programmrichtlinien und journalistischen Grundsätze, die eine umfassende Befassung mit Themen und Betroffenen sicherstellen sollen. Zudem seien Teile der Recherchen gemeinsam mit der inklusiven Redaktion andererseits.org entstanden. Ob das ZDF den Dialog mit den Trägern der Behindertenhilfe intensivieren wird, blieb offen.
Weitere Vorfälle in der Vergangenheit
Diese Debatte reiht sich ein in eine Serie von Kontroversen um die Berichterstattung des „ZDF Magazin Royale“. Ein bekanntes Beispiel ist der Fall Arne Schönbohm, ehemaliger Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Im Oktober 2022 stellte Jan Böhmermann in seiner Sendung eine Verbindung zwischen Schönbohm und russischen Geheimdiensten her. Die Berichterstattung basierte auf dessen früherer Rolle im Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., einem Verein, dem angebliche Nähe zu russischen Nachrichtendiensten nachgesagt wurde. Der öffentliche Druck, der durch die Sendung entstand, führte zu Schönbohms Versetzung. Schönbohm wies die Vorwürfe zurück und klagte gegen das ZDF und Böhmermann.
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Das Landgericht München I entschied am 19. Dezember 2024 zugunsten von Schönbohm. Vier konkrete Äußerungen aus der Sendung wurden als unwahre Tatsachenbehauptungen eingestuft und ihre weitere Verbreitung untersagt. Eine geforderte Geldentschädigung wurde hingegen abgelehnt. Das ZDF verteidigte die Berichterstattung als satirisch und durch Recherchen gedeckt.