Winterberg. Tierbestattung neu definiert: 'Moonlight' in Winterberg ermöglicht individuelle Abschiede und schafft unvergessliche Erinnerungen.

Und plötzlich ist Lucky tot. Viele Jahre war der Hund mehr als nur Hund. Er war Familienmitglied, Kuschelpartner, Seelenwärmer, Herzerfrischer. Er gehörte immer und überall dazu. Über Nacht bekam er plötzlich keine Luft mehr. Tierarzt, Tierklinik, ein geplatzter Tumor, nichts mehr zu machen. Einschläfern. Vorbei. Aber Lucky einfach anonym der Tierverwertung überlassen, ihn womöglich heimlich verscharren? Wer wollte das übers Herz bringen? Der fiktive Fall von Lucky ist einer von vielen. Vor gut 15 Jahren häufen sich im Bestattungsunternehmen von Bernd Braun in Winterberg die Anrufe von Veterinären und Privatpersonen. Sie alle äußern immer wieder den Wunsch nach einer würdigen Form der Beisetzung für gefiederte oder befellte Freunde. Und so ruft Braun als etabliertes Unternehmen für die Beisetzung von Menschen parallel dazu die Tierbestattung „Moonlight“ ins Leben. Inzwischen hat gibt es Standorte in Winterberg und Medebach.

Lesen Sie auch

„Ich weiß von meinem Chef, dass anfangs einige behördliche Hürden zu nehmen waren, dass er sich viele Gedanken gemacht hat. Die Bereiche Human- und Tierbestattung werden bei uns ganz rigoros getrennt. Es gibt ein eigenes Fahrzeug, in dem wir die Tiere abholen bzw. zum speziellen Tier-Krematorium ins hessische Homberg-Ohm bringen. Und wir haben eigens einen Raum, in dem sich die Besitzer von ihren Lieblingen verabschieden können“, erklärt Bestatter Dirk Wolf.

Foto
Ein Pfotenabdruck in Formschaum ist eine Form der individuellen Erinnerung an sein Tier. © WP | Thomas Winterberg

Mit hängenden Köpfen kommt gerade eine Familie aus diesem frisch renovierten Zimmer, ein leeres Katzenkörbchen unterm Arm. Tränchen fließen. Ein kleines Mädchen hält ein weißes, kleines Herz aus Holz in den Händen. Jedes Familienmitglied hat eins bekommen und ein weiteres Herz liegt auf dem Fell der zusammengekringelten Katze, von der sich die Familie gerade trennen musste. Es ist ein schlichter kleiner, temperaturmäßig sehr kühler Raum mit einer großen Fläche aus Glasbausteinen und dezenter Beleuchtung. Wenn es nicht gerade so ein trüber Novembertag wie heute wäre, würden Sonnenstrahlen einfallen. Hier beginnt er also, der Weg über die Regenbogenbrücke, den schon viele Tiere vor dieser Katze gegangen sind. Ein Regal mit Urnen soll noch aufgestellt werden. Eine Art Tisch oder Podest als Liegefläche für die toten Tiere unter dem Fenster dominiert den Raum. In der Ecke hält eine Engelsfigur eine Kerze in der Hand. Zwei Sessel an einem Tischchen laden zum Verweilen ein. Manche Angehörige - oder darf man nur Besitzer sagen - bleiben für einen kurzen Moment, manche eine Stunde, um hier Abschied zu nehmen.

Verlustschmerz ist groß

Wer nie ein Tier besessen und geliebt, wer nie den Verlustschmerz verspürt hat, wenn der Vierbeiner gestorben ist, der mag über das Thema „Tierbestattung“ müde lächeln. „Ja, es gibt Menschen, die eine pragmatische Beziehung zu ihrem Hund oder zu ihrer Katze haben. Auf manchen Bauernhöfen laufen sie halt so nebenbei mit. Aber die meisten, die zu uns kommen, haben manchmal einen noch intensiveren Draht zu ihrem Tier als zu einem Menschen. Viele können eigene Geschichten über sich und ihren Hund erzählen. Ein Kunde war dabei, der kam aus einer Großstadt und sein Hund war dort stadtbekannt, weil er immer S-Bahn fuhr“, sagt Dirk Wolf.

Foto
Ein kleiner runder Schamottstein mit einer Nummer sorgt dafür, dass der Besitzer/die Besitzerin auch wirklich die Asche seines/ihres Tieres zurückbekommt. © WP | Thomas Winterberg

Für manche ist das Tier auch eine Art Kind- oder Partnerersatz; für viele aber in jedem Fall Familie. „Und manche Kinder machen hier das erste Mal Erfahrung mit dem Thema Tod. Wir sind uns bewusst, dass das ein sehr sensibler Bereich ist, bei dem viel Empathie und Einfühlungsvermögen gefragt sind“, sagt Bestatterin Dajana Friedrich, die selbst Tiere hat und nicht nur deshalb mitfühlen kann. Manchmal sind Bestatter auch Psychologen und Therapeuten, die zuhören, einfach nur da sind und eine Hand halten. Und ihnen selbst, die Tag für Tag mit dem Tod zu tun haben, ist im Alltag ein dankbarer Kunden-Blick oft mehr wert als eine positive Google-Bewertung oder ein Trinkgeld. Beide Bestatter sind sich einig: „Beim Verlust eines Tieres sind die Beratungsgespräche häufig wesentlich emotionaler, als wenn ein Mensch verstorben ist.“

„Auch ein Schaf, eine Ziege oder ein Pferd waren dabei. Für Nutztiere gilt allerdings eine andere Regelung. Sie dürfen per Gesetz in Deutschland nicht kremiert werden. Bei solchen Anfragen kooperieren wir mit einem Unternehmen aus Holland, wo das möglich ist.“

Dirk Wolf
Bestatter

Rund um die Uhr ist das Bestattungsunternehmen über eine Mobilfunknummer erreichbar – für die Angehörigen verstorbener Menschen, aber eben auch für Tierhalter. Beim Bestattungsteam der Firma gibt es keine Mitarbeitenden für Tiere und welche für Menschen. Alle Beschäftigten beherrschen beiden Spektren gleichermaßen gut.  Mal werden die Tiere nach Winterberg gebracht, mal fahren die Bestatter/innen aber auch raus und holen sie in Spezialboxen ab. Bis nach Warstein, Olpe oder ins Hessische sind die Moonlight-Mitarbeitenden unterwegs. Und mal ist es ein kleiner Dackel, mal ein 80 Kilo schwerer Berner Sennenhund, mal aber auch eine Ratte, ein Kanarienvogel oder ein Hamster. Auch ein Schaf, eine Ziege oder ein Pferd waren dabei. „Für Nutztiere gilt allerdings eine andere Regelung. Sie dürfen per Gesetz in Deutschland nicht kremiert werden. Bei solchen Anfragen kooperieren wir mit einem Unternehmen aus Holland, wo das möglich ist“, erklärt Dirk Wolf.

Foto
Eingangstür zum Verabschiedungsraum. © WP | Thomas Winterberg

Die Kosten für die Einäscherung eines Haustieres hängen vom Gewicht des Tieres ab und auch davon, ob es eine Einzel- oder Sammeleinäscherung geben soll. „Die meisten entscheiden sich für die Einzeleinäscherung. „Den Kunden ist es sehr wichtig, dass sie später auch die Asche ihres Tieres bekommen. Und das können wir auch garantieren. Wenn wir verstorbene Tiere für den Transport nach Homberg vorbereiten, wird in das brennbare Behältnis auch eine Schamott-Plakette mit individuellem Nummerncode beigelegt, so dass eine Verwechslung zu einhundert Prozent ausgeschlossen werden kann“, erklärt Dajana Friedrich. Ein Blick auf die Preisliste: Die Einzel-Einäscherung eines Tieres bis zwei Kilo kostet 114,50 Euro; die Sammeleinäscherung 87,50 Euro. Bei einem Tier zwischen 60 und 100 Kilo entstehen Kosten in Höhe von 314,50 Euro (Einzeleinäscherung) bzw. 197,50 Euro (Sammel). Hinzu kommen moderate Gebühren für die Anfahrt und die Kosten für eine Urne, wobei es da eine grenzenlose Vielfalt gibt – im Preis und im Design.

Die WP Brilon auf Social Media

Die verschiedenen Modelle haben Namen wie Natura, Elegance, Siena oder Karate und bestehen aus Holz, Keramik oder Metall. Sie können individuell mit Namen, Daten, Sprüchen oder Motiven bedruckt oder auch mit Swarovski-Steinen besetzt werden. Auf Wunsch vermittelt „Moonlight“ auch Porträt-Zeichnungen des Tieres auf Schiefertafeln oder als Bemalung direkt auf der Urne. Auch Pfotenabdrücke in Formschaum sind möglich und manche Besitzer möchten gern einen Fellabschnitt oder eine Kralle ihres Lieblings zum Andenken behalten. Zudem ist es möglich, sich aus der Asche einen Diamanten pressen zu lassen und ihn als Schmuckstück zu tragen. Auch dafür oder für andere individuelle Schmuckerinnerungen hat „Moonlight“ Partnerunternehmen an der Hand.

„Kurioserweise haben wir eine merkwürdige Regelmäßigkeit festgestellt: Wenn wir viele Tier-Sterbefälle haben, haben wir in der Woche weniger humane Beisetzungen und umgekehrt. Wir rätseln woran das liegt.“

Dajana Friedrich
Bestatterin

Schöne Geste der Firma: Ehrenamtlich übernehmen die Mitarbeitenden die Kosten für die Sammeleinäscherung und die würdevolle Beisetzung aller herrenloser, verstorbener Tiere, die nach telefonischer Rücksprache nach Winterberg gebracht werden. Wolf: „Kein Tier dieser Erde hat es verdient, zum Beispiel im Straßengraben liegen zu bleiben.“

Ehrenplatz für die Urne

Im Regelfall kommt die Asche des kremierten Tieres nach gut einer Woche wieder zurück nach Winterberg. Dirk Wolf: „Da wir ohnehin einmal wöchentlich nach Homberg fahren, bringen wir dann die Asche wieder mit zurück. Mit dem Tierhalter wird dann ein Übergabetermin vereinbart und dann wird es häufig noch einmal sehr emotional.“ Die meisten Urnen werden nicht beigesetzt, sondern finden in den Wohnzimmern der Familien einen Ehrenplatz.

Foto
Ein würdiger Rahmen, um von seinem Vierbeiner Abschied zu nehmen. © WP | Thomas Winterberg

Wolf hat sich auch Gedanken gemacht, ob man nicht – ähnlich wie bei Menschen – eine Art Sterbeversicherung auflegen kann. „In Österreich gibt es so etwas; bei uns aber leider noch nicht. Ich habe mich mit dem Thema auseinandergesetzt, aber daran arbeiten wir noch.“

Mal sind es zehn bis fünfzehn Tierbestattungen in der Woche, mal auch nur zwei oder drei. „Kurioserweise haben wir eine merkwürdige Regelmäßigkeit festgestellt: Wenn wir viele Tier-Sterbefälle haben, haben wir in der Woche weniger humane Beisetzungen und umgekehrt. Wir rätseln woran das liegt“, sagt Dajana Friedrich. Viele Kunden nehmen die Urne erstmal unversiegelt mit nach Hause. Im Gegensatz zu menschlicher Asche könnte man sie sogar unter Familienmitgliedern aufteilen oder einen Teil verstreuen. Aber viele lassen die Urne zunächst offen, damit die Kinder noch einmal einen Blick auf „Lucky“ oder „Mimi“ werfen können und sehen, was nach dem Gang über die Regenbogenbrücke übriggeblieben ist. Nicht mehr so viel, denn das meiste von Lucky bleibt im Herzen…