Hochsauerlandkreis. Der Krieg eskaliert, die Verunsicherung wächst. Sauerländer Militärexperte Sensburg sagt, was jetzt für ein sicheres Deutschland nötig ist.

Fast täglich gibt es neue Entwicklungen im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Die USA liefern Waffen, mit denen die Ukraine nun russisches Gebiet angreifen können. Nordkorea schickt Soldaten zur Unterstützung Russlands an der Front. Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA sorgt für eine ungewisse Zukunft und das Aus der Ampel bringt Unsicherheit in Deutschland. Die Sorgen wachsen: Wie sicher leben wir noch in Deutschland? Militärexperte aus dem Sauerland, Patrick Sensburg, gibt seine Einschätzung.

Können Sie die aktuelle Lage an der Front kurz in Ihren Worten beschreiben?

Die russische Angriffsmaschinerie läuft auch Hochtouren. Das russische Militär versuchen insbesondere im Osten des Landes Fakten zu schaffen. Russische Einheiten rücken Tag für Tag in kleinen Schritten vor, aber das unter dem massiven und rücksichtslosen Einsatz von Soldatenleben. Für Putin steht nur im Vordergrund, so viel Boden wie möglich zu erobern. Im Gegensatz dazu sind für die Ukraine Menschenleben wichtiger als Territorium, wie der ukrainische Präsident Selenskyi in der letzten Woche nochmals betont hat. Wir werden in den kommenden Wochen sehen, ob die aufgehobene Reichweitenbeschränkung von ATACMS Raketen und Scalp, Storm-Shadow und gegebenenfalls Taurus Marschflugkörpern eine Auswirkung auf dem Schlachtfeld haben wird. Liegen sie in ausreichende Zahl vor, kann es Russlands Vormarsch entscheidend bremsen.

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Präsident des Reservistenverbandes der Deutschen Bundeswehr, Prof. Dr. Patrick Sensburg © WP | Privat

„In Deutschland wird es in den nächsten Jahren vor allem darauf ankommen, dass wir die Bundeswehr wieder wirklich kriegstüchtig machen. Dazu braucht es die Reaktivierung der Wehrpflicht in vollem Umfang.“

Patrick Sensburg

Was bedeutet ein Wahlsieg Trumps für die Ukraine? Kann er, wie er es immer versprochen/behauptet hat, den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden und was veranlasst ihn zu dieser Annahme?

Nein, denn auch Trump erkennt bereits, dass dieser Konflikt nicht in 24 Stunden beendet werden kann – außer von Russland! Russland beharrt aber immer weiter auf seinen Maximalforderungen, die sich seit Beginn des Angriffs 2022 nicht verändert haben: Das sind unter anderem die vollständige Eroberung der Oblaste Saporischja, Donezk, Luhansk und Cherson und die massive Reduzierung der ukrainischen Streitkräfte. Doch der russische Präsident hat nichts angeboten, was einen Kompromiss oder einen gerechten und lang angelegten Frieden ermöglichen würde. Denn mit Recht würde die Ukraine nach Sicherheitsgarantien verlangen und die feste Zusage, dass Russland nicht in ein paar Jahren erneut versucht, sich den Rest der Ukraine einzuverleiben. Trump wird versuchen einen guten Deal zu bekommen. Was das konkret bedeutet, insbesondere für die Ukraine und auch den Rest Europas werden wir sich zeigen. Wichtig wäre, dass Europa mit einem eigenen entschlossenen Friedensplan auftritt, dem auch mit militärischen Mitteln Nachdruck verliehen wird. Wir können nicht immer auf die Amerikaner warten.

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Das Sauerland ist ein ruhiger, friedlicher Ort. Wie sehr bedroht die Weltlage nun die eigene Sicherheit? © Rita Maurer | Rita Maurer

Der aktuelle Präsident der USA, Joe Biden, hat der Ukraine Waffen versprochen, die einen Angriff der Ukraine auf russisches Gebiet ermöglichen. Was steckt Ihrer Einschätzung nach hinter dieser Entscheidung Bidens und wie wird sie den Krieg beeinflussen?

Der noch amtierende Präsident Biden hat vermutlich auf den am Wochenende stattgefundenen massiven Angriff Russlands auf die Ukraine reagiert, der als einer der schlimmsten Angriffe seit Beginn des Krieges bewertet wird. Aus dieser Argumentation heraus ist es nur folgerichtig, die Reichweitenbeschränkung aufzuheben, um auch militärische Ziele tief im russischen Hinterland zu ermöglichen. Von dort starten die Raketen und Drohnen, die in der Ukraine einschlagen. Die westlichen Staaten hätten schon viel früher deutlich machen müssen: „wenn ihr weiterhin zivile Ziele und Infrastruktur bombardiert, liefern wir weitreichende Waffen, die dann auch genutzt werden“. Wie oben bereits erwähnt, werden wir erst in den nächsten Wochen sehen, ob diese Waffen einen Unterschied zugunsten der Ukraine schaffen werden.

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In Deutschland herrscht Regierungschaos, über Waffenlieferungen wird man sich nicht einig. Was braucht es nun seitens Deutschlands, um für die Sicherheit in Europa einzustehen?

In Deutschland wird es in den nächsten Jahren vor allem darauf ankommen, dass wir die Bundeswehr wieder wirklich kriegstüchtig machen. Dazu braucht es die Reaktivierung der Wehrpflicht in vollem Umfang. Denn nur durch eine Wehrpflicht bekommen wir wieder genügend Reservistinnen und Reservisten, die die Bundeswehr notfalls aufwachsen lassen können. Wir müssen daneben den Zivilschutz wieder aufbauen und unser Land im Sinne einer Gesamtverteidigung absichern und unseren Teil zur Bündnisverteidigung beitragen. Eine starke Bundeswehr mit einer großen Reserve und resiliente Gesamtstrukturen, senden ein klares Zeichen an potentielle Aggressoren, dass es sich nicht lohnt, unser Land anzugreifen.

Wie sicher leben wir in Europa jetzt und mit Blick auf die kommende Amtsperiode Donald Trumps?

Auch ein Präsident Donald Trump weiß, dass die NATO auch für die Sicherheitsinteressen der USA notwendig ist. Es wird auch nicht dazu kommen, dass die USA einen angegriffenen NATO-Staat im Stich lassen oder aus der NATO austreten, denn dann wäre das gesamte Bündnis obsolet und auch die USA wären alleine auf der Weltbühne. Trumps Kritik an der NATO kommt vor allem daher, dass er die USA als größten Zahler der NATO sieht und die Europäer für ihre Sicherheit nicht genug beisteuern. Mit anderen Worten, Amerika möchte nicht mehr diesen hohen Anteil an Ausgaben für die Sicherheit in Europa leisten. Dies hatte bereits Präsident Obama gefordert. Europa und Deutschland müssen in Zukunft den weitaus größten Teil der Kosten der Sicherheit Europas selber tragen. Alleine durch die nukleare Teilhabe ist Amerika für uns ein unersetzlicher Partner und wir müssen nun unsere Hausaufgaben machen, um uns auch weiter auf die USA verlassen zu können.

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