Brilon. Der Briloner Bundestagsabgeordnete und SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sitzt im TV-Interview und windet sich. Am Ende lacht der Moderator süffisant.

Es sind Szenen, die symptomatisch sind für den Zustand der Ampelkoalition: Während in Berlin zeitgleich zwei Wirtschaftsgipfel tagen - einer von der SPD, einer von der FDP - liefert SPD-Politiker Dirk Wiese aus Brilon im TV-Interview unfreiwillig eine Demonstration dessen, was derzeit schiefläuft in der Dreierkoalition.

Mantraartig verwendet Wiese Textbausteine

Der Sauerländer Wiese, seit 2013 im Bundestag und als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD eigentlich ein versierter Kommunikator, verstrickt sich im Welt-TV-Interview in Floskeln und Textbausteinen. „Es ist ein wichtiges Zeichen, dass der Kanzler die Wirtschaft zur Chefsache macht“, wiederholt er mantraartig. Was er nicht erklärt: Warum der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei keinem der beiden Gipfel dabei ist.

Die Situation ist bizarr: In der Hauptstadt finden zeitgleich zwei Wirtschaftsgipfel statt, organisiert von zwei Koalitionspartnern - aber ohne den dritten im Bunde.

„Was, wenn die FDP zu anderen Ergebnissen kommt? Wie soll man da zusammenkommen? Welche Funktion hat Habeck überhaupt noch?“

Moderator

Die Moderatoren bohren nach, werden lauter. „Der Kanzler ist nicht die Regierung“, werfen sie Wiese vor. Der pariert mit dem Hinweis, man solle „mal durchatmen im Studio“. Eine Reaktion, die zeigt, wie dünn die Nerven mittlerweile auch bei den Sozialdemokraten geworden sind.

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Die Stimmung im Studio kippt endgültig, als die Moderatorin nachhakt: „Was, wenn die FDP zu anderen Ergebnissen kommt? Wie soll man da zusammenkommen? Welche Funktion hat Habeck überhaupt noch?“ Bei der Frage kann sich der Moderator ein Lachen nicht verkneifen – zu absurd erscheint die Situation. Wiese, sichtlich angespannt, weicht aus und flüchtet sich in das Thema Energiepreise.

Zum Ende wird der Moderator süffisant

Was Wiese nicht sagt, aber allen Beteiligten klar ist: Die parallelen Wirtschaftsgipfel sind mehr als nur schlechte Koordination. Sie sind Ausdruck eines tieferliegenden Konflikts. Die FDP, getrieben von schlechten Umfragewerten und einer zunehmend ungeduldigen Wirtschaftsklientel, versucht sich zu profilieren. Die SPD, in Person des Kanzlers, will die Initiative nicht den Liberalen überlassen.

Das Ende des Interviews gerät zum symbolischen Schlagabtausch: „Sehr unbefriedigend“, urteilt der Moderator. Wieses Antwort - „Das macht nichts, das kann manchmal vorkommen“ - wird vom Moderator süffisant aufgegriffen: „Das kann manchmal vorkommen, ist aber schade.“

Im Nachgang nimmt Dirk Wiese das Interview sportlich: „Interviews am frühen Morgen haben manchmal ihre eigene Wendung, insbesondere wenn man beim Moderator sehr schnell merkt, dass ihm die Antworten nicht ins Konzept passen. Ganz nach dem Motto: Just Bad News are good News. Da muss man dann auch mal klar dagegenhalten“, so Wiese im Gespräch mit der Westfalenpost.