Marsberg. Marsberger Krankenhaus führt innovative Desinfektionsspender ein, die Nutzung und Füllstand überwachen. Was das für Patienten bedeutet.
Dreimal „Happy Birthday“ singen! Aber bitte jeweils ganz bis zum Ende. So viel Zeit sollte man sich nehmen, um seine Hände gründlich zu waschen bzw. zu desinfizieren. Mit dem Reinigen und Desinfizieren der Hände kennen sich Uwe Riedesel und Melanie Liekmeier aus. Die beiden sind Hygieneexperten und auf diesem Gebiet zuständig für die Einrichtungen der BBT-Gruppe in der Region Paderborn/ Marsberg, zu der unter anderem das St.-Marien-Hospital Marsberg, das Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn und zwei MVZ-Praxen in Marsberg und Westheim gehören. Für ihr Engagement in Sachen Handhygiene wurden beide Krankenhäuser als zwei unter 40 weiteren, mitunter weitaus größeren Einrichtungen in NRW, mit dem Gold-Zertifikat der Aktion „Saubere Hände“ ausgezeichnet. Warum das so wichtig ist?
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„Wir beschäftigen uns schon seit einigen Jahren mit dem Thema und haben schnell festgestellt, dass die Infektionsrate bei Patientinnen und Patienten zurückgeht, wenn für eine gute Händedesinfektion gesorgt ist“, erklärt Uwe Riedesel, Leiter der Klinikhygiene. Das Krankenhaus hat schon vor geraumer Zeit ein komplett neues Spendersystem installiert.
Dass die Flaschen an Türen und Gängen zu finden sind, kennt jeder. Aber die Marsberger Spender sind quasi an eine Cloud angeschlossen. Über ein Monitoring lässt sich feststellen, wie oft das System pro Tag betätigt wird, ob noch genügend Flüssigkeit im Behälter ist und ob die Akkus noch voll sind. Früher wurden einfach die verbrauchten Flaschen pro Station gezählt. Das ergab eine ungenaue Aussage über den tatsächlichen Einsatz von Desinfektionsmitteln. Durch die moderne Technik kann man nun genau sehen, wie oft die jeweils drei Milliliter Flüssigkeit pro Stoß auf welcher Station, in welchem Zimmer wie oft in den Handflächen verteilt wurde. Wichtig vor allem: Die Spender sind auf den Fluren und in den Zimmern so positioniert, dass sie auch den jeweiligen Arbeitswegen und -abläufen der Mitarbeitenden entgegenkommen.
Zahl der Spender erhöht
„Vor und nach Patientenkontakten, vor aseptischen Tätigkeiten wie Verbandswechsel oder dem Anlegen einer Infusion, nach Kontakten mit Sekreten oder Exkreten und nach dem Kontakt mit Patientenumgebung sollten die Hände desinfiziert werden“, erklärt Hygienefachkraft Melanie Liekmeier. Nach Vorgaben des RKI wurde die Zahl der Spender erhöht und an prägnanten Punkten angebracht. Man mag es gar nicht glauben, aber in einem Krankenhaus wie Marsberg sind es allein 505 Desinfektionsspender und außerdem 272 Spender mit Seife fürs Händewaschen.
„Tag des Händewaschens“
Es gibt übrigens einen „Tag der Händehygiene“ und einen „Tag des Händewaschens“. Der eine wird bewusst am 5. Mai begangen (5.5.), wobei das Datum symbolisch für die fünf Finger an jeder Hand steht. Der andere steht am 15. Oktober im Fokus. Beide Tage sollen deutlich machen, dass regelmäßiges und gründliches Händewaschen bzw. das Desinfizieren wirksam vor Infektionen schützt. Eine Vorreiterrolle auf diesem Sektor hat das St.-Marien-Hospital in Marsberg eingenommen.
Händedesinfizieren kann, wenn es gründlich durchgeführt wird, die Verbreitung krankmachender Keime verringern. Bereits mit einfachen Hygienemaßnahmen ist es somit möglich, Infektionen zu reduzieren und Infektionskrankheiten vorzubeugen.
Jede Hygienemaßnahme verringert die Gefahr, dass sich Patienten/innen im Zuge eines Aufenthaltes in einer Gesundheitseinrichtung infizieren. Jede Infektion, die durch Hygienemaßnahmen verhindert wird, verringert das Leid der Betroffenen und erspart eine lange, schmerzvolle Rehabilitation. Darüber hinaus werden Antibiotikaresistenzen vermieden. Angesichts der steigenden Zahl antibiotikaresistenter Keime in medizinischen Einrichtungen, ist die verbesserte Händehygiene daher auch beim und für das Gesundheitspersonal von großer Bedeutung.
Die Sorge, dass die Haut der Beschäftigten unter dem häufigen Desinfizieren leiden könnte, räumen die beiden Experten aus. „Das Desinfizieren ist der beste pflegerische Aspekt für die Haut. Der Flüssigkeit ist ein rückfettendes Mittel beigefügt, das pflegt und schützt. Anders ist das natürlich beim Desinfizieren der Haut zum Beispiel vor einer Injektion oder dem Anlegen einer Kanüle. Da darf kein Fett enthalten sein“, so Riedesel.
„Manche Erreger braucht der Körper sogar, um Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen. Ich würde als gesunder Mensch nicht nach jedem Einkauf zur Desinfektionsflasche greifen. Unser Immunsystem muss gefordert und darf nicht gelangweilt werden.“
Corona hat den Umgang mit Händen und Desinfizieren zeitweilig auf den Kopf gestellt und nachhaltig verändert. Trotzdem: „Wir haben das Gefühl, dass man sich durchaus häufiger wieder zur Begrüßung die Hände gibt. Das ist auch nicht weiter schlimm, wenn man die eben beschriebenen Abläufe beachtet. Jeder Krankenhausbesucher sollte sich vor dem Besuch eines Angehörigen die Hände waschen und am Eingang desinfizieren. Wenn es sich nicht gerade um einen stark immungeschwächten Patienten handelt, ist auch der Händedruck überhaupt nicht schlimm. Aber vor allem in der jetzt beginnenden Wintersaison sollte man natürlich dann einen Krankenbesuch vermeiden, wenn man selbst schon angeschlagen ist und durch seinen Besuch den Patienten/die Patientin unnötig gefährden könnte“, so die beiden Experten, die in diesem Fall zur FFP-II-Maske raten.
Mit Handhygiene nicht übertreiben
Melanie Liekmeier und Uwe Riedesel warnen davor, es mit der Händehygiene zu übertreiben. Berichte, wonach Unmengen von Bakterien auf den Griffen von Einkaufswagen lauern, solle man nicht zu hoch bewerten. „Nur ein Bruchteil der Erreger hat krankmachende Eigenschaften. Manche braucht der Körper sogar, um Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen. Ich würde als gesunder Mensch nicht nach jedem Einkauf zur Desinfektionsflasche greifen. Unser Immunsystem muss gefordert und darf nicht gelangweilt werden.“ Draußen in der realen Welt, so die beiden, sollte man sich nach dem Toilettenbesuch auf einer Autobahnraststätte sicherlich gründlich die Hände waschen und möglicherweise desinfizieren, aber nicht nach einem Einkauf im Aldi. Liekmeier: „Je mehr ich desinfiziere, umso weniger Erreger nehme ich auf und umso anfälliger wird mein Immunsystem.“ Eine Zunahme von Allergien oder Autoimmunerkrankungen sei die Folge.
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Ein Krankenhaus hat es allerdings mit Erregern zu tun, die krankmachende Eigenschaften besitzen. Vor allem multiresistente Keime bereiten allen Häusern Sorge. Bei ihnen gilt: Nur ein Schlüssel passt ins Schloss, nur bestimmte Antibiotika passen, um den Keim abzutöten. „Schon bei der Patientenaufnahme teilen wir entsprechende Informationsblätter aus, um Patienten und Besucher für das Thema Händehygiene und multiresistente Erreger zu sensibilisieren. An Aktionstagen machen wir auch schon mal Selbstversuche im Foyer des Krankenhauses. Die Besucher/innen können sich zum Beispiel die Hände mit fluoreszierendem Desinfektionsmittel einreiben und unter Schwarzlicht genau sehen, wo nichts hingekommen ist“, sagt Uwe Riedesel. Und Melanie Liekmeier fügt hinzu: „Die Handinnenflächen sind meistens nicht das Problem; vielmehr erweisen sich die Zwischenräume und die Daumen und Zeigfinger als Schwachstellen.“ Solche mehr oder weniger spielerischen Tests und Schulungen finden auch regelmäßig im Krankenhaus in allen Bereichen statt. Nicht, weil die Mitarbeitenden uneinsichtig wären, sondern weil sich im Alltag schnell falsche Routinen einschleichen können und weil man alltagsblind wird.
Die drei Milliliter Flüssigkeit aus dem Desinfektionsspender sollte man auch 30 Sekunden lang verreiben. Wer also im Krankenhaus einen Besucher/eine Besucherin auf dem Flur beobachtet, die dreimal „Happy Birthday“ vor sich hin summt, der weiß, dass es da jemand mit der Händehygiene durchaus ernst nimmt.