Brilon. Tanja Brandt reiste durch die ganze Welt, nach einem Schlaganfall findet sie ihre neue Heimat im Sauerland. Ihre inspirierende Geschichte.

Tanja Brandt liebt Eulen, weil sie so anders sind als sie selbst. Das erklärt sie, während ihre Weißgesichtseule Gandalf auf ihrem Arm sitzt und sie ihm ein Küsschen ins Gefieder drückt. Seit ihrer Kindheit lebt Tanja Brandt für Tiere, insbesondere Greifvögel und Eulen. In Hoppecke hat sie nun für sich, ihren Partner und ihre Tiere eine Heimat gefunden. Bei einem Besuch in dem liebevoll gestalteten Zuhause ist auch schnell klar, wieso.

Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, zeigt hier einige Bilder aus ihrem Foto-Fundus den WP-Lesern. © WP | Ralf Bergau-+491716821010

Eulengesichter blicken in ihrem Haus in Hoppecke von jeder Wand herab

Rund um den Frühstückstisch sieht man Eulengesichter. Keine echten. Geschnitzte, gewebte, gestrickte, gemalte. Aus Keramik, aus Holz oder aus Papier. Eulen liebt Tanja Brandt. Und sie wird von ihnen geliebt. Nicht nur züchtet sie sie, um sie später auszuwildern, sie kümmert sich auch um verletzte Eulen. Und hat nicht nur ein Buch über die Tiere geschrieben. Im letzten Jahr hat sie an einem „Was ist was“-Buch über Eulen gearbeitet. „Das war toll, denn für meinen Partner waren diese Bücher seine Kindheitshelden, da konnte ich auf Anfrage des Verlags einfach nicht Nein sagen“, erzählt Tanja Brandt.

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Wenn sie erzählt, erzählt sie lebendig und klug

Sie kann gut erzählen, spannend und klug. „Ich war schon immer die einzige in der Familie, die mit Tieren etwas am Hut hatte. Ich saß als Kind immer in Hasenställen und habe Mäuse in der Unterwäscheschublade meiner Mutter gezüchtet.“

Damals lebt sie in Stuttgart, altes Villenviertel. Ein Bach verläuft zwischen den alten Gebäuden, dort beobachtet Tanja Brandt gerne die Tiere. „Eines Tages habe ich dort einen Bussard gesehen, ich war noch ein Kind. Der Bussard war ganz schwach. Ich hab ihn hochgenommen und in meine Jacke gewickelt und bin mit ihm den ganzen Weg zum Tierarzt gelaufen. Natürlich habe ich mir eingeredet, dass der Bussard jetzt mein Freund ist. Ich hab dem Tierarzt gesagt, dass ich kein Geld hätte. Und der Tierarzt hat ‚Gut‘ gesagt, er kümmert sich. Daraufhin hat er ihm eine Spritze gegeben, der Bussard war tot.“

Ein Schock für sie. „Er meinte, er würde sich das Tier ausstopfen, was auch damals schon eine Straftat war. Seitdem habe ich mir geschworen, dass ich mich immer selbst um die verletzten Tiere kümmern würde.“ Tausende hat Tanja Brandt seitdem versorgt.

Tanja Brandt
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, hat schon ein bewegtes Leben hinter sich. Ruhe findet sie in ihrer neuen Heimat in Hoppecke. © WP | Tanja Brandt

Viel ist sie hin und her gezogen, bis zu ihrem Schlaganfall

Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, zeigt hier einige Bilder aus ihrem Foto-Fundus den WP-Lesern. © WP | brandt

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Sie ist schon viel hin und her gezogen. Nach einem Schlaganfall lebt sie in der Falknerei einer Freundin. Macht den Falknerschein, damit sie selbst Eulen halten darf. Damals beginnt sie, sich das Fotografieren beizubringen. „Ich zog mit meinem Hund und den Vögeln durch die Gegend und fotografierte.“ Noch heute tut sie das. „Ich war mit meinem Bussard und meinen Hund Ingo unterwegs und lag auf einem Waldweg. Ich bin immer im Tunnel, wenn ich fotografiere. Und plötzlich wird Ingo unruhig und der Vogel auch, als ich aufsehe, ist die Feuerwehr da. Jemand hat gedacht, ein Bussard hätte mich angegriffen und niedergestreckt.“ Sie lacht. Fotografiert hat sie überall auf der Welt. „Ich lag auch schon in Polen und Belarus mit meiner Kamera im Wald.“

Mit ihrer Eule Gandalf ist sie oft unterwegs

Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, zeigt hier einige Bilder aus ihrem Foto-Fundus den WP-Lesern. © WP | Simone Mackeben
Tanja Brandt
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, zeigt hier einige Bilder aus ihrem Foto-Fundus den WP-Lesern. © WP | Tanja Brandt

Ihre Fotos werden irgendwann so gut, dass Nikon sie für Projekte anfragt. Zweimal lehnt sie ab. Beim dritten Mal sagt sie zu, mittlerweile ist sie Nikon-Creatorin, reist für den Kamera-Hersteller nach Zürich oder Amsterdam und gibt Workshops. Besonders am Herzen liegt ihr das Projekt „Female Facette“. „In der Fotografie wurden Frauen lange belächelt, das war eine Männerdomäne. Dieses Projekt ist für Frauen, hier tauschen wir uns aus und organisieren Wettbewerbe nur für Frauen, denn viele trauen sich nicht so in diese Welt.“ Bilder müssen für Tanja Brandt Emotionen haben, egal ob positive oder negative. Männer würden das Fotografieren oft technisch betrachten, Frauen mehr emotional. Das sie im Auftrag von Nikon ihr Wissen und ihren Blick weitergeben darf, macht sie stolz.

Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, zeigt hier einige Bilder aus ihrem Foto-Fundus den WP-Lesern. © WP | Tanja Brandt

Im Sauerland wird sie mit offenen Armen empfangen

Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, zeigt hier einige Bilder aus ihrem Foto-Fundus den WP-Lesern. © WP | Tanja Brandt

Obwohl sie viel in der Welt unterwegs ist, hat sie im Sauerland einen Ort gefunden, an dem sie sich Zuhause fühlt. Hoppecke. „Ich habe meinen Partner während Corona im Netz kennengelernt. Wir wollten zusammen etwas finden und haben uns überall umgesehen.“ Eigentlich wollte sie eine Auffangstation übernehmen, doch das ist eine finanzielle Herausforderung, die sie nicht stemmen will. Dann stoßen die beiden auf Hoppecke. Schnell hört sie die Vorurteile. Sauerländer sind engstirnig, hier werde es schwierig. „Das stimmt gar nicht. Ich war schon überall, aber nirgends sind die Menschen so nett wie hier. Ich fühle mich extrem wohl.“

Mit zwei Uhus, Habichtskäuzen, zwei Steinkäuzen, zwei Schleiereulen, zwei Weißgesichteulen und einem Wüstenbussard sowie ihren beiden Hunden und ihrem Partner lebt sie nun in dem Briloner Dorf. In der Nachbarschaft ist sie angekommen, alle sorgen sich hier umeinander. Sie liebt den kleinen Laden unten im Dorf, liebt die Gegend, den Wald, die Menschen. Und eben ihre Tiere.

Ihr ADHS wird durch die Tiere gelindert

Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, zeigt hier einige Bilder aus ihrem Foto-Fundus den WP-Lesern. © WP | brandt

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Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke
Tanja Brandt, Tierfotografin in Hoppecke, zeigt hier einige Bilder aus ihrem Foto-Fundus den WP-Lesern. © WP | brandt

Letztes Jahr erst hat sie viel über sich gelernt. Sie ist Autistin, hat ADHS. „Ich bin ein bisschen wie ein Greifvogel. Extrem reaktionsschnell, hektisch. Wenn ich morgens aufwache, dann denke ich daran, dass ich A B C D E F G machen muss. Ich fange mit A an, finde das blöd, dann mache ich C und spiele lieber später mit den Eulen und vergesse alles wieder. Ich muss mir alles aufschreiben.“ Eulen seien ihr Gegenteil. „Wenn ich einen Bussard rufe, dann kommt er sofort und schnell. Wenn ich meine Eulen rufe, dann drehen sie sich langsam um und machen erstmal eine Nutzen-Aufwandsrechnung. Das Zusammenleben mit ihnen tat mir schon immer richtig gut und hat mir Ruhe gegeben.“ Ein Leben ohne die Tiere kann sie sich nicht vorstellen.

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