Hochsauerlandkreis. Der Sauerländer Wilfried Limpinsel hat sich einen Kindertraum erfüllt: Er hat mitten im Sauerland einen sehenswerten botanischen Garten angelegt.

Süßmäuler würden vermutlich einen Kuchenbaum anpflanzen, Gesundheitsbewusste eher den Zahnwehstrauch. Bei den Musikfans wäre die Beatle-Eiche ein absolutes Muss. Und Kleriker hätten bestimmt an der Weihrauchzeder ihre helle Freude. All diese exotisch anmutenden Baumarten gedeihen nicht irgendwo in den Tropen, sondern im Sauerland am Ortsrand von Essentho. Denn vor rund 30 Jahren hat Wilfried Limpinsel sich einen Traum erfüllt. Der heute 84-Jährige, der im Laufe seines Lebens tausende von Greifvögeln und Eulen in seiner Auffangstation aufpäppelte und wieder in die Natur entließ, hat nach und nach ein sogenanntes Arboretum angelegt – einen botanischen Garten mit 100 seltenen Baumarten.

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Idylle pur bei 29 Grad. Ein lauer Wind streift durch die Blätter, schüttelt dem Gras für einen Moment die Hitze aus den Halmen und erfrischt selbst den Karpfen, der seinen Glupschaugen kurz aus dem Teich hebt und wieder abtaucht. Zu warm. Enten stecken den Kopf ins Wasser. Ente müsste man heute sein. In den Volieren finden die Patienten der Vogelstation ein schattiges Plätzchen, flattern müde auf und gehen wieder auf die Stange. Es ist, als hätte jemand den Film des Tages auf Zeitlupe gestellt. Alles geht heute etwas langsamer. „Das dort ist mein Lieblingsbaum“, sagt Mathilde Limpinsel und zeigt auf einen Tulpenbaum, während sie Gießwasser für die Blumen schöpft. „Ich mag einfach das Leuchten seiner Blätter im Herbst.“

Knorrige Rinden, prächtige Kronen - Wilfried Limpinsel hat am Ortsrand von Essentho ein eigenes Arboretum mit 100 teils exotischen Baumarten angelegt. 
Knorrige Rinden, prächtige Kronen - Wilfried Limpinsel hat am Ortsrand von Essentho ein eigenes Arboretum mit 100 teils exotischen Baumarten angelegt.  © WP | Thomas Winterberg

Ehemann Wilfried Limpinsel marschiert unterdessen zielstrebig am Teich entlang. Es gibt viel zu zeigen und voller Begeisterung erklärt er dem Besucher, wie dieser botanische Garten entstanden ist: „Schon immer, wenn ich eigenen Wald aufgeforstet habe, ging es mir um Vielfalt. Nur Fichte, Buche und Eiche – das war mir zu wenig. Ich wollte standortgerecht auch fremde Holzarten einbinden. Aber als ganzer Wald klappt das nicht immer. Ich habe gelernt, dass manche Arten solitär stehen müssen.“ Und so hat er einen beachtlichen Teil seines rund drei Hektar großen Anwesens mit seltenen Baumarten bestückt. Viele stehen im Wald, manche am Waldrand oder mitten auf einer Wiese, die von vierbeinigen Rasenmähern kurzgehalten wird: Schafe.

Von Beatle-Eiche bis Zahnweh-Strauch

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Wenn man es ganz genau betrachtet, ist so ein Wald eine herrliche Idealvorstellung einer funktionierenden Multi-Kulti-Gesellschaft. Die Sichel-Tanne aus Japan steht einträchtig neben einer heimischen Fichte. Der Küsten-Mammut aus Kalifornien verträgt sich mit der kaukasischen Flügelnuss. Und selbst Sibirische Tanne und Himalaya-Zeder sind sich im wahrsten Sinne des Wortes grün. Sie wetteifern nicht eng nebeneinander um Luft und Licht. Jeder/jede hat Möglichkeiten, sich frei zu entfalten. Wer Schatten braucht, bekommt ihn, wer ein Sonnenanbeter ist, darf die Krone weit nach oben recken. Und wer viel Feuchtigkeit benötigt, streckt seine Wurzeln weit aus in die „Rummecke“, die durch das Grundstück plätschert. All das hat der Baumfreund schon bei der Anpflanzung und der Wahl des Standortes bedacht.

Knorrige Rinden, prächtige Kronen - Wilfried Limpinsel hat am Ortsrand von Essentho ein eigenes Arboretum mit 100 teils exotischen Baumarten angelegt. 
Knorrige Rinden, prächtige Kronen - Wilfried Limpinsel hat am Ortsrand von Essentho ein eigenes Arboretum mit 100 teils exotischen Baumarten angelegt.  © WP | Thomas Winterberg

Teufelskrückstock und Zimtahorn

Fast alle Bäume hat Wilfried Limpinsel mit einem Schild versehen, auf dem der gebräuchliche Name, die botanische Bezeichnung und die Besonderheiten der Pflanze vermerkt sind. Aber eigentlich braucht der eingefleischte Naturfreund die Schilder nicht. Sie sind für Besucher, die – nach Voranmeldung – durch das Arboretum gehen dürfen.  Limpinsel selbst erkennt jedes Exemplar am Stamm oder am Blatt. Und er weiß zu jedem eine eigene Geschichte zu erzählen. „Das hier ist ein Baum- oder Türkenhasel. Ihre Früchte essen wir, wenn wir im Geschäft Haselnüsse kaufen. Früher hat man daraus auch Schäfte für Gewehre gemacht“, erklärt der Fachmann, der sich mit viel Akribie in die Materie eingearbeitet hat. „Das hier ist die Elsbeere. Sie bildet eines der härtesten europäischen Hölzer. Und Schnaps wird aus ihr gemacht – aber der ist für unsereins unbezahlbar.“ Der weiße Maulbeerbaum – er kommt bei der Seidenraupenaufzucht zum Einsatz – der Asiatische Teufelskrückstock oder der aus China stammende Zimtahorn runden die Sammlung ab. Absolute Exoten, die hier einfach keine artgerechten, klimatischen Bedingungen vorfinden, lässt er außen vor.

Knorrige Rinden, prächtige Kronen - Wilfried Limpinsel hat am Ortsrand von Essentho ein eigenes Arboretum mit 100 teils exotischen Baumarten angelegt. 
Knorrige Rinden, prächtige Kronen - Wilfried Limpinsel hat am Ortsrand von Essentho ein eigenes Arboretum mit 100 teils exotischen Baumarten angelegt.  © WP | Thomas Winterberg

Oft sind es gute Beziehungen, mal enge Freunde und Bekannte oder ein Beitrag im Landwirtschaftlichen Wochenblatt. Überall findet Limpinsel Menschen, die seine Passion teilen: er kommt so zu Setzlingen oder Saatgut und sorgt dafür, dass das Arboretum Jahr für Jahr um fünf bis sechs neue Exemplare wächst. „Immer so, wie es auch die Finanzen zulassen. Allerdings muss man sagen: Ein Baum ist erst dann richtig teuer, wenn er eingeht“, sagt der Essenthoer und blickt wehmütig auf eine 25 Jahre alte, 20 Meter hohe ungarische Eiche. Eine heftige Windböe muss an dem aufgepfropften Stamm eine Sollbruchstelle entdeckt und den stattlichen Baum zu Boden gerungen haben. (M)ein Freund, der Baum. ist tot.

Botanischer Garten im Sauerland

Der Mühlenstandort ist seit 1442 urkundlich belegt. Irgendwann haben Vorfahren der Limpinsels das Areal von einem Grafen erworben und zu dem gemacht, was es heute ist. Wilfried Limpinsel wäre gern Förster geworden. „Aber das waren damals Traditionsberufe, die von Familie zu Familie übergingen. Ich habe Landwirtschaft gelernt, aber im Laufe meines Lebens bestimmt 40.000 Bäume gepflanzt. Wer ein Arboretum anlegen will, der sollte früh anfangen. Am besten schon mit 15 Jahren. Dann erlebt man auch noch, was aus den kleinen Pflanzen wird“, sagt der 84-Jährige. Stimmt. Ein Paradies.

Ob John, Paul, George und Ringo jemals vom
Ob John, Paul, George und Ringo jemals vom "Beatles"-Baum gehört haben?  © WP | Thomas Winterberg
Wilfried Limpinsel auf der großen Wiese, die zum Arboretum gehört.
Wilfried Limpinsel auf der großen Wiese, die zum Arboretum gehört. © WP | Thomas Winterberg