Olsberg. Eine Frau, die es in einer Männerdomäne allen zeigt? Damit kann sich Ingenieurin Nora Samson nicht identifizieren. Was die Olsbergerin erlebt hat

Wenn sie erzählt, dass sie Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Konstruktionstechnik studiert hat, seien die Menschen meistens erstaunt und nicht selten beeindruckt. „‚Ach, krass!‘ kommt dann oft“, erklärt Nora Samson lachend und schüttelt ein wenig den Kopf: Eigentlich sei das doch nichts Besonderes, eben ein sehr interessantes Fachgebiet. In dem Narrativ einer jungen Frau, die sich in einer männerdominierten Branche behaupten und gegen Vorurteile und systematische Unterschätzung kämpfen muss, kann sich die Olsbergerin nicht wiederfinden: „Ich habe in meinem Studium nie Diskriminierung erlebt.“

Dabei waren Nora Samson und eine andere Studentin beide mit sehr guten Abschlüssen, die einzigen Frauen in ihrem Jahrgang im Studiengang Maschinenbau an der Fachhochschule Südwestfalen in Meschede. So eine niedrige Quote ist in Fächern der Ingenieurswissenschaften immer noch keine Seltenheit, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einer Datenerhebung zu Jahresbeginn mitteilte: So habe der Anteil von Frauen bei den Studierenden, die im Jahr 2022 einen Abschluss in der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften erlangten, mit 24,6 Prozent in Nordrhein-Westfalen unter dem Bundesdurchschnitt von rund 26 Prozent gelegen.

Kleine Kurse und gutes Klima an der FH Südwestfalen

Dass sie in ihrer Studienzeit als Frau in einem fast ausschließlich männlichen Studiengang mit überwiegend männlichen Lehrkörpern so gute Erfahrungen gemacht hat, führt die 27-Jährige vor allem auf die Rahmenbedingungen der Fachhochschule Südwestfalen zurück. Die überschaubare Größe der Fachhochschule mit den entsprechend kleinen Kursgruppen und Seminaren sorge für ein freundliches, persönliches Ambiente, erklärt sie: „Da kennen sich die Studierenden und die Dozenten, es ist nicht so anonym wie an großen technischen Hochschulen.“ Auch wenn die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Abstandsregelungen das Kennenlernen in ihrem ersten Studienjahr 2020 erschwerten, sei die Studierendengemeinschaft schnell zusammengewachsen. Deshalb habe sie auch keine schlechten Erfahrungen gemacht, sich aufgrund ihres Geschlechts nie angegriffen, unterschätzt, benachteiligt oder bevorzugt gefühlt. Auch seien die Dozenten immer zugewandt und bemüht gewesen, alle Studierenden gleichermaßen zu fördern: „Da ist nur wichtig, was du leistest.“

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Die Begeisterung für Technik wurde der frischgebackenen Ingenieurin schon mit in die Wiege gelegt. Ihr Vater arbeite als Produktdesigner, erzählt sie: „Das hat mich schon immer sehr fasziniert.“ Dass ihr Berufsweg sich in ähnlichen Bahnen bewegen sollte, hat Nora Samson anfangs jedoch nicht geahnt. Nach dem Wirtschaftsfachabitur an der Höheren Handelsschule habe sie ursprünglich eine Ausbildung zur Industriekauffrau machen wollen, erinnert sie sich: „Aber irgendwie war das Interesse für das Technische größer.“ So landete auch sie im Bereich Produktdesign und machte ihre Ausbildung bei der Firma Alu-Car in Winterberg. Im Herbst 2020 begann sie dann mit dem Maschinenbaustudium in Meschede, welches sie nun mit ihrer ausgezeichneten Bachelorarbeit erfolgreich abgeschlossen hat.

Nächster Halt: Ein Praktikum bei Mercedes

Und für Nora Samson winkt auch schon das nächste Abenteuer - bald wird sie ein Praktikum bei Mercedes in Graz absolvieren. Mit dem Schwerpunkt Karosserieentwicklung und Rahmenstrukturen wird sie hier über die kommenden sechs Monate verschiedene Konstruktionsbereiche kennenlernen. Auf die Zusage für das Praktikum ist sie stolz, ebenso wie ihre Eltern: „Ich habe die Ausschreibung gesehen und gedacht: ‚Das passt!‘. Als ich die Zusage dann bekam, war ich sehr erleichtert.“ Das Unternehmen biete ihr viele Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten, auch mit Blick auf ihre unmittelbare berufliche Zukunft. Auch ein berufsbegleitendes Masterstudium kann sich Nora Samson gut vorstellen.

Schon in wenigen Tagen soll es losgehen: Dann startet der Umzug nach Graz in eine Zweier-WG. Die 27-Jährige, die ihr ganzes Leben im Sauerland verbracht hat, ist voller Vorfreude, aber auch ein bisschen aufgeregt. Denn dann geht es raus aus der Komfortzone, in ein völlig neues Umfeld. Der Abschied vom Sauerland, von ihrer Familie und ihren Freunden und vor allem von Hund Bo falle ihr nicht leicht. „Auch wenn es nur für ein halbes Jahr ist. Das ist das erste Mal, so weit weg von Familie und Freunden“, erklärt Nora Samson. Aber sie freue sich sehr auf das nächste Kapitel: „Das wird ein großes Abenteuer“.