Hochsauerlandkreis. Theken-Tauchen und Biergericht: Schützenfeste im HSK sind Tradition, doch jeder Verein feiert mit anderen Bräuchen. Die skurrielsten Rituale
Bierprobe, Huttaufe, Beschnüffelungsausflug, Blechkönig - bei den heimischen Schützen gibt es unzählige Bräuche und Traditionen. „Zum Teil verrückte Sachen“, meint Paul Hufnagel (75). Der Sauerländer ist selbst Schütze aus Leidenschaft und hat nun ein Buch darüber verfasst. Mehr als 300 Schützenvereine hat der Hobbyautor angeschrieben und nach dem Brauchtum und den Sitten gefragt - von Albaum bis Züschen. „Zurückgemeldet haben sich immerhin 216 sauerländische Schützenvereine, -bruderschaften und -gesellschaften.“
Ein waschechter Sauerländer über das Schützenbrauchtum
Herausgekommen ist ein Werk, das fast tausend traditionelle Rituale umfasst. Dabei nicht fehlen dürfen natürlich die teilweise sehr witzigen Sitten und Gewohnheiten der Briloner, Olsberger, Marsberger oder Winterberger nicht fehlen. Ein Fremder mag sich wundern - einem waschechten Sauerländer sei das Schützenbrauchtum quasi mit in die Wiege gelegt worden, so Paul Hufnagel. Es war ihm wichtig, nicht nur die üblichen Bräuche aufzuschreiben, sondern vor allem die besonderen, nicht so bekannten. Dabei sind viele Dinge ans Tageslicht gekommen, die den Lesern wohl ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Zwei Jahre lang hat Paul Hufnagel recherchiert. Entstanden ist ein lesenswertes Werk, das diejenigen unterhalten soll, die sich in irgendeiner Form dem Sauerländer Schützenwesen verbunden fühlen. Alphabetisch nach Orten aufgeführt, sind spannende, skurrile und witzige Bräuche und Traditionen um das „Hochfest der Sauerländer“ zu lesen. Es geht um Biergerichte, Mondscheinwalzer, Mützentaufe, Geckfeiern, Heringsbegraben, Latschentanz, Gänsewerfen, Blechkönig, Muckenkönig und noch mehr. „Gefeiert wird überall, aber eben überall anders.“
Insgesamt 388 Seiten hat das Sauerländer Buch
Lesen Sie auch:
- Schützenfeste im HSK: Kreisoberst spricht zum Saisonstart Klartext
- Nach Kyrill und Borkenkäfer: Brilon sucht Baum der Zukunft
- Wie ein Marsberger den Tod seiner beiden Töchter verarbeitet
- Brilon: Künstler Tim Guse kämpft für seine Heimatstadt
Auf insgesamt 388 Seiten gibt Paul Hufnagel Einblicke in das Schützenwesen, die in der beschriebenen Weise bestimmt nicht überall bekannt sein dürften. Dabei hat er sich nicht nur mit dem Hochsauerlandkreis beschäftigt, sondern auch mit angrenzenden Orten und Städten, die zum Kreis Soest, dem Kreis Olpe, zum Upland oder zum Märkischen Sauerland gehören. Allesamt haben die Vereine und Verbände eines gemeinsam: Sie beweisen mit einem Augenzwinkern, dass das Schützenwesen humorvoll und fröhlich ausgelebt werden kann.
Das ABC der Schützenbräuche:
Hier gibt es eine kleine und unvollständige Übersicht der besten, lustigsten, strengsten und skurrilsten Traditionen aus dem Hochsauerland:
A wie Altenheim: In Neuastenberg beginnt das Fest mit einem Ständchen vor dem Altenheim Haus Waldesruh.
B wie Blumenschmuck: Hingucker in Düdinghausen ist seit 50 Jahren der Blumenschmuck in der Halle - allesamt aus Naturblumen und mittlerweile Tradition!
C wie 428 CM: Das ist die Spannbreite der Flügel des größten Schützenvogels der Welt. Zu finden ist der in Westheim, erbaut wurde er für das 925. Schützenfest. Jedes Jahr steht er nun an der B7 bei Westheim.
D wie Damenpokal: In Langewiese schießen die Frauen auf einen Damenpokal, und das seit 50 Jahren. Nach einem Jahr wird der Wanderpokal wieder abgegeben.
E wie Eichenkranz: In Referinghausen wird traditionell ein Eichenkranz durch das amtierende Königspaar gewickelt und später beim neuen Königspaar aufgehangen.
F wie Fahne: In Hesborn kann noch immer die allererste Fahne in einer Vitrine besichtigt werden.
G wie Geck: Der Geck ist in Elpe immer derjenige, der die Geckpuppe abschießt. Die Puppe ist so gekleidet, wie die Berufsgruppe oder das Hobby des amtierenden Vizekönigs.
H wie Heiliger Abend: In Medebach wird der Abend vor dem Fest als Heiliger Abend bezeichnet. Die Jugend stimmt sich auf das Fest ein, fährt durch das Dorf und hisst die Flaggen.
I wie „Immer wachsam“: In Hildfeld wurde der Vogel früher zwei Nächte lang bewacht, um Diebstahl zu vermeiden. Anscheinend zu Recht (siehe Buchstabe U)
J wie Jubilare: Die werden in Züschen jedes Jahr mit Musikkapelle vom Vorstand besucht.
K wie Kartoffelbraten: In Bruchhausen wird dienstags, nach dem Fest, in vielen Cliquen das traditionelle Kartoffelbraten gefeiert. Hier wird auch oft auf einen Kartoffel- oder Styroporvogel geschossen.
L wie Lumpenkönigin: In Brilon-Wald wählte lange Zeit die Lumpenkönigin mit verbundenen Augen aus einer Reihe der Männer ihren König, nachdem sie den Vogel abgeschossen hatte. Dieser Brauch ist mittlerweile eingeschlafen.
M wie Mondscheinwalzer: In Langewiese ist es Brauch, dass in der Nacht zu Sonntag alle zum Mondscheinwalzer aus der Halle in die Dorfmitte gehen.
N wie Nachfeiern: In Hildfeld ist eine Nachfeier üblich, wie auch in vielen anderen Städten. In Hildfeld gehört das Heringsbegraben beim neuen Schützenkönig dazu.
O wie Orden: Ja, die gibt es natürlich bei jedem Schützenfest. In Silbach bekommen beispielsweise langjährige Kungel-Mitglieder einen mit ihrem eigenen Namen eingraviert.
P wie Polonaise: In Brilon wird noch Polonaise getanzt, und zwar in Paaren. Die stehen hintereinander, an der Spitze geht der Major mit seiner Gattin, dahinter das Königspaar. Jeder darf sich anschließen.
Q wie Quasi Kopfüber: So hängen die Schützen in Siedlinghausen beim „Theken-Tauchen“ im Spülbecken, um eine Geldmünze mit dem Mund aus dem Wasser zu fischen.
R wie Rosen: In Hallenberg ist es Sitte, dass das Königspaar während es in die Halle einzieht mit roten Rosen in Empfang genommen wird, die in der Halle geworfen werden.
S wie Strafgeld: In Altenbüren wird vor jedem Festzug überprüft, ob jeder in Altenbüren wohnende Schützenbruder am Festzug ordnungsgemäß uniformiert teilnimmt. Ist das nicht der Fall, muss ein Strafgeld bezahlt werden.
T wie Tipp: In Brunskappel kann jeder einen Tipp abgeben, wie viel Schuss der Vogel wohl aushält. Ein Tipp kostet 5 Euro. Wer richtig getippt hat, bekommt das eingezahlte Geld, gewinnt niemand, wir das Geld zum Vertrinken an das Vogelkomittee gegeben.
U wie Uhus: So werden die Medeloner Schützen nach einem „infamen Diebstahl“ genannt. 1887 haben die Medeloner angeblich den Vogel aus Hesborn geklaut, lange Zeit wurde dies natürlich vehement bestritten. Dennoch trugen sie seitdem den Spitznamen „Uhu“, wegen des nächtlichen Beutezuges. 100 Jahre später brachten die Medeloner besagten Vogel übrigens reumütig zurück. Fun Fact: Die Hesborner hatten sich ebenfalls mit einem Diebstahl gerächt, seitdem herrscht traute Einigkeit zwischen den Vereinen.
V wie Vogelfliegen: Im Gegensatz zur Vogeltaufe gibt es in Esshoff das Vogelfliegen. Der Vogel wird an einem Drahtseil unter die Decke gehängt und ausgestellt.
W wie Weckruf: In Beringhausen gibt es den sogenannten Weckruf, ein Ständchen, das die Vorstandsmitglieder sonntags schon um 7 Uhr bekommen.
X wie X Liter Bier: Müssen wir dazu mehr sagen?
Y wie das Y in „Hasley“: Der schönste Flecken Erde, wie die Olsberger immer sagen. Hier wird traditionell der König ausgeschossen.
Z wie Ziervogel: In Gevelinghausen wird ein Ziervogel vom kleinen Festzug in die Schützenhalle gebracht und über dem Königstisch aufgehangen. „Ein ziemlich schweres Teil!“