Hochsauerlandkreis. Im Jahr 2020 kamen im Hochsauerlandkreis mehr Kinder unter einem Jahr ums Leben als in den Jahren zuvor. Eine Suche nach den Ursachen.
Die Zahl der gestorbenen Säuglinge im Hochsauerlandkreis ist im Jahr 2020 fast auf das dreifache angestiegen, allerdings immer noch auf einem niedrigen Niveau. Laut IT NRW geht das entgegen des Trends in NRW, wo die Zahlen gesunken sind. Die Säuglingssterblichkeit war im Jahr 2020 insgesamt im Land mit 3,4 je 1 000 Lebendgeborenen niedriger als im Jahr zuvor (3,7). Sowohl bei Mädchen (3,3) als auch bei Jungen (3,5) war ein Rückgang der Sterblichkeit im ersten Lebensjahr zu beobachten; bei männlichen Säuglingen fiel dieser allerdings stärker aus als im Jahr 2019 (Mädchen: 3,5; Jungen: 3,9). Warum steigen die Zahlen im HSK aber an?
2268 Lebendgeborene gab es im vergangenen Jahr. 12 von ihnen verstarben innerhalb des ersten Lebensjahres. Fünf der Kinder waren weiblich, sieben männlich. Das sind 5,3 Prozent. Im Jahr 2019 sah das noch anders aus, als von 2208 Neugeborenen vier das zweite Lebensjahr nicht erreicht haben. Das entspricht einer Quote von 1,8 Prozent. Auch 2018 war die Quote mit 1,4 Prozent vergleichsweise niedrig.
Maria-Hilf-Krankenhaus in Brilon hat keine Kinderklinik
Das Maria-Hilf-Krankenhaus in Brilon kann zu diesem Anstieg nichts sagen. Es verfügt zwar über eine Geburtsstation, eine Pädiatrie fehlt allerdings. „Ich kann das aus meinem Alltag auch nicht bestätigen“, sagt Petra Gruss, Hebamme in Brilon. Sie arbeitet vor der Geburt des Kindes eng mit den Eltern zusammen, aber auch im Anschluss während des ersten Lebensjahres der Babys. Durch die stellenweise enge Bindung zum Elternpaar erhält sie auch Informationen, wenn es dem Nachwuchs nicht gut geht oder ging. Aber in diesem Bereich gibt es ebenfalls keine Auffälligkeiten aus dem vergangenen Jahr zu berichten. Einen negativen Effekt durch Corona hat sie genauso wenig bemerkt. „Die Babys und die Eltern haben im vergangenen Jahr besser geschlafen als sonst. Es gab auch weniger Bauchschmerzen. Es wurde ruhiger in der Pandemie.“
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Dem Krankenhaus in Paderborn, der nächstgelegenen Kinderklinik, ist Oberarzt Dr. Frank Dohle die Statistik auch nicht bekannt. „Dass vermehrt Kinder aus dem HSK mit lebensbedrohlichen Krankheiten zu uns kommen, kann ich nicht bestätigen.“ Die Säuglingssterblichkeit geht seit vielen Jahren leicht, aber kontinuierlich zurück. Seit den 1990er Jahren haben sich die Fälle je 1.000 Lebendgeburten pro Jahr mehr als halbiert. Betrachtet man die Statistiken der Gesundheitsberichterstattung des Bundes liegt die Todesrate im ersten Lebensjahr bei etwa 3 pro 1.000 Lebendgeburten. „Genaue Gründe für den stärkeren Anstieg in HSK können wir nicht nennen“, so Dr. Dohle.
Kinderarzt aus Medebach über Probleme der Diagnostik
Dr. Helmut Wolschner ist derzeit als Mediziner in Medebach tätig und kennt die Problematik. „Die häufigste Todesursache ist der plötzliche Kindstod. Es gibt etwa 600 Fälle jährlich in ganz Deutschland. Der zweite Punkt sind Trauma bei der Geburt.“ Aber auch Gewalt und Unfälle wie Ertrinken spielen laut des Kinderarztes immer wieder eine Rolle. Ebenso die Unachtsamkeit von überforderten Eltern, die mehr Hilfen im Alltag bräuchten. Seiner Einschätzung nach sind auch Stoffwechselerkrankungen problematisch, weil Früherkennungen nicht das ganze Spektrum an Möglichkeiten abdecken. Obwohl sie es durchaus könnten.
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Wolschner erklärt, dass er schon vor 36 Jahren Ultraschalluntersuchungen durchgeführt hat, um zu schauen, ob das ungeborene Kind beispielsweise an Tumoren leidet. Auch bei wiederholten Ultraschalluntersuchungen besteht weder für die Mutter noch für das Baby eine Gefährdung, da die ausgesendeten Ultraschallwellen nicht schädlich sind. Auch PCR-Tests, die derzeit vor allem durch Corona bekannt sind, könnten zum Einsatz kommen, um andere Viren zu entdecken. Der Nachteil: die Auswertungen im Labor brauchen Zeit. „In kurzer Zeit kann sich ein Gesundheitszustand verschlechter.“
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Wolschner wünscht sich, dass mehr Möglichkeiten für Untersuchungen bereitstehen könnten und nicht Geld ein entscheidender Faktor ist. Mehr Leistungen über die Krankenkasse wären sinnvoll, weil sie aus eigener Tasche kaum bezahlbar seien. Seiner Auskunft nach lohnen sich Labortests erst ab einer bestimmten Menge, andernfalls würde ein Test schon horrende Summen kosten. „Jedes Kind, das wegen verpassten Möglichkeiten verstorben ist, ist eins zu viel.“