Hochsauerlandkreis. Schulleiter Klaus Mülder hält die Programme des Landes im ländlichen Raum für eine Farce. Er schlägt vor, die Bewerber auf Schulen zu verteilen.
Unterrichtende Pensionäre, Seiteneinsteiger und weitere Sonderprogramme haben nach Angaben des Schulministeriums in Nordrhein-Westfalen 5362 zusätzliche Einstellungen seit 2017 ermöglicht. Der Lehrermangel an Schulen soll so weiter verringert werden. Das klappt aber nicht an allen Schulformen, wie sich im Altkreis Brilon zeigt.
Die Roman-Herzog-Schule in Brilon, eine Förderschule, hat beispielsweise viereinhalb freie Lehrerstellen. Schulleiter Klaus Mülder ist von der Situation frustriert. „Die Programme der Landesregierung sind eine gute Sache für Großstädte. Hier sind sie eine Farce. Die Bewerbungen fehlen. Niemand will so weit nach Brilon fahren“, sagt er. Dass Gelder und Stellen zur Verfügung stehen, bringt der Schule also nichts. Förderschulen im Altkreis Brilon blicken auf rund 22 unbesetzte Stellen laut der Bezirksregierung Arnsberg.
Lehrerstelle bleibt in Brilon unbesetzt
Seit Mai bietet Mülder eine volle Lehrerstelle begrenzt auf ein Jahr an, aber auf die erste Bewerbung wartet er heute noch. Seit anderthalb Jahren gab es keine Neuanstellung mehr an der Schule. „Früher habe ich 18 bis 20 Bewerbungen auf eine Stelle gehabt. Heute kommt nichts.“ Er fände es gerechter, wenn die Bewerbungen beim Land eingehen würden und dieses verteilt die Bewerber dann auf die Schulen. Mit Blick auf Corona hat der Schulleiter die Vermutung, dass im Herbst und Winter noch mehr Schüler an die Roman-Herzog-Schule kommen werden, wenn der normale Schulalltag überall eingekehrt ist und klar ist, dass manche Schüler auf einer Förderschule besser aufgehoben wären. Aber auch die Altersstruktur der Kollegen könnte schon für Sorgenfalten sorgen. „In den nächsten fünf Jahren gehen sechs oder sieben Kollegen in Rente, aber es kommt nichts nach. Die Zulassungsbedingungen für ein Studium sind hoch. Aber ich brauche hier keine Theoretiker, sondern Praktiker. Da sind Bestnoten nicht das Wichtigste.“
Gehaltszuschlag für schwer zu besetzende Stellen
Seit Mai 2020 besteht die Möglichkeit, Lehrern auf schwer zu besetzenden Stellen einen Gehaltszuschlag zu gewähren. Bisher konnten nach Angaben des Schulministeriums 137 Lehrkräfte mit einem Bonus von 350 Euro brutto im Monat gewonnen werden. Der Sonderzuschlag wird für zweieinhalb Jahre gewährt. Das Programm soll vor allem eine Entscheidung zugunsten der unattraktiveren Schulstandorte, Brennpunktschulen und Mangelfächer beflügeln.
Vertretungsstellen sind für ihn ebenfalls nur schwer zu besetzen. Fällt jemand im Kollegium wegen Krankheit oder Schwangerschaft aus, muss dies im Idealfall durch eine externe Arbeitskraft kompensiert werden. Lehramtsanwärter kommen an dieser Stelle in Frage. Mülder versucht ihnen die Zeit an der Schule dann so angenehm wie möglich zu machen in der Hoffnung, den Lehrernachwuchs von einer Zukunft in Brilon zu überzeugen. Nicht nur Referendare können für Mülder eine Vertretungsstelle ausfüllen. Zunächst wird hier an Lehrer gedacht. Findet sich niemand, kann jemand mit erstem Staatsexamen aushelfen. Bleibt die Suche erfolglos, reicht ein abgeschlossenes Bachelorstudium, um die Stelle anzunehmen. Fehlen weiterhin Kandidaten, reicht es, einen pädagogischen Beruf in der Vergangenheit ausgeübt zu haben. Und wenn das nicht hilft, gilt eine abgeschlossene Ausbildung in irgendeinem Fachbereich als ausreichend, um sich auf die Vertretungsstelle bewerben zu können.
Kardinal-von-Galen-Grundschule in Olsberg ist gut besetzt
„Wir sind auf den Punkt genau ausgelastet. Wir haben keine Fehlstunden, aber auch keinen Überhang“, sagt Dirk Sprinke, Schulleiter an der Kardinal-von-Galen-Grundschule in Olsberg. Damit hat er Glück. Im Altkreis Brilon fehlen laut Bezirksregierung rund 16 Stellen. Auch Sprinke kennt die Problematik in Krankheitsfällen. Lehrer in Teilzeit könnten ihre Stunden dann aufstocken und auch die Schulleitung kann die Bürozeiten auf den Nachmittag verschieben. Kinder könnten auf andere Gruppen aufgeteilt werden. Aber gerade letzteres war wegen Corona lange schwierig, weil eine Mischung der Gruppen nicht erlaubt war.
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„Bei der Suche nach Vertretungslehrern ist es schwierig, fertig ausgebildete Lehrer zu finden. Wir hatten zuletzt einen Lehramtsstudenten eingesetzt und alle waren zufrieden damit. Es gab mal Zeiten, wo eine Lehrerschwemme herrschte. Aber das hat sich gegeben“, erklärt Sprinke.
Das Gymnasium Petrinum und der Kunstunterricht
Gymnasien haben laut der Statistik der Bezirksregierung kaum Probleme. Rund 98 Prozent der Stellen sind besetzt. Das merkt auch Johannes Droste, Schulleiter am Gymnasium Petrinum in Brilon. Der Bedarf sei seinen Angaben nach zwar gedeckt, aber je nach Situation kann es schnell schwierig werden. Am Petrinum gibt es beispielsweise vier Fachlehrer für Kunst. Zwei von ihnen arbeiten Vollzeit und fallen krankheitsbedingt aus. Die verbleibenden zwei haben nur 25 Stunden Arbeitszeit zur Verfügung und unterrichten noch andere Fächer, die knapp besetzt sind. Alleine in den Sekundarstufen 1 und 2 werden circa 44 Stunden Kunstunterricht benötigt. Die personellen Ausfälle sind also nur schwer auszugleichen. „Es ist sehr schwer Vertretungskräfte zu finden im Fach Kunst, die voll ausgebildet sind. Da ist fast niemand da. Bei Kräften ohne Ausbildung ist eine sorgfältige Prüfung notwendig. An der Stelle müssen eventuell dann auch fachfremde Kollegen eingesetzt werden“, erklärt Droste.
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Die langwierige Suche nach Vertretungslehrer ist dem Schulleiter bekannt. Die vergangenen vier Ausschreibungen blieben ohne Ergebnis bei den vollständig ausgebildeten Lehrern. Eine unbefristete Festanstellung konnte er allerdings noch im vergangenen November erfolgreich besetzen. Bei Fächern mit einem hohen Bedarf, wie Mathe, Physik, Chemie und Informatik sieht das wieder schnell anders aus. Informatik ist mittlerweile in der Sekundarstufe 1 verpflichtend von den Schülerinnen und Schülern zu belegen. Das Angebot an Lehrkräften wuchs allerdings nicht so schnell wie die Nachfrage. Schwierig ist auch die Rentensituation mit Blick auf die naturwissenschaftlichen Fächer. Geht ein Kollege mit den Fächern Mathe und Physik beispielsweise in Rente, ist es laut Droste schwierig Ersatz zu finden. „Mathe und Physik macht heute nahezu niemand mehr.“