Brilon-Scharfenberg. Im Briloner Ortsteil Scharfenberg richten zwei Hebammen ein Geburtshaus ein – im alten Pfarrhaus. Das Haus ist außergewöhnlich, das Konzept auch.

Das herrschaftliche Gemäuer im Ortskern von Brilon-Scharfenberg hat im Lauf seiner 300-jährigen Geschichte schon die unterschiedlichsten Bewohner erlebt: Adelige, Pastöre, Schulkinder, Ordensschwestern, Flüchtlinge, Menschen mit Suchtproblemen und solche mit Behinderung.

Demnächst kommen neue hinzu: Babys, junge Mütter und Schwangere. Susanna Müller und Angelika Weimann richten im alten Pastorat eine Hebammenpraxis ein. Das ist aber nur der Einstieg. Das markante Gebäude am Junker 1 soll einmal ein Geburtshaus werden - inklusive Erholungsmöglichkeiten für Mutter, Kind und wenn gewünscht auch den Partner nach der Entbindung. Vier Appartements werden Wöchnerinnen dafür zur Verfügung stehen.

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Pläne für eine gemeinsame berufliche Zukunft

Zurzeit arbeiten die beiden Hebammen ambulant an ihren Wohnorten und deren Umgebung: Susanna Müller im Raum Arnsberg und Angelika Weimann im Raum Schmallenberg. Beide sind ganz frisch selbstständig. Erst im Frühjahr haben sie ihre dreijährige Ausbildung an der Hebammenschule Bochum abgeschlossen. Dort haben sich die beiden auch kennengelernt und die Pläne für eine gemeinsame berufliche Zukunft geschmiedet.

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Dei 40-jährige Susanna Müller kommt aus Holland. Dort, sagt sie, seien Hausgeburten mit Unterstützung der Hebamme das Normale: „Ein Arzt wird nur bei Bedarf hinzugezogen." Für die siebenfache Mutter sind „Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit natürliche Vorgänge auf dem Weg des Lebens," und doch für jede Frau etwas Individuelles, Intimes und Einzigartiges, eine Zeit de Veränderung, der Erwartung des Neuen und oft auch des Ungewissen. Dabei, betont Angelika Weimann (22), sei eine achtsame, emphatische und offene Begleitung der Schwangeren und deren Familie wichtig.

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Derzeit wird das Haus umgebaut

Zurzeit nimmt die St. Laurentius-Kirchengemeinde die für die künftige Nutzung erforderlichen Umbaumaßnahmen vor. Neue Installationen, neue Böden, alles gemäß den entsprechenden hygienischen Standards. Und alles auf eigene Kosten. Denn das Haus befindet sich zwar in kirchlichem Besitz, wird aber nicht mehr kirchlich genutzt. Deshalb, sagt Dietmar Bange, Geschäftsführer des Kirchenvorstandes, gibt es auch keine Unterstützung mehr aus Paderborn.

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Sehr viel Platz vorhanden

Das historische Gebäude bietet Platz ohne Ende. Im Erdgeschoss richteten die beiden Hebammen ihre Praxisräume ein. Im Obergeschoss befinden sich die vier auch schon bisher als Appartements genutzten Bereiche. Jedes besteht aus einem geräumigen Wohnraum, einem Schlaf- oder Kinderzimmer sowie einem Bad - alles lässt die Kirchengemeinde komplett erneuern und einrichten. Im Untergeschoss befinden sich das alte Kaminzimmer für geselliges Beisammensein und Platz für das umfangreiche vor- und nachgeburtliche Kursangebot der beiden Hebammen.

Eröffnung im September geplant

Corona-bedingt kann die Praxis wohl erst im September eröffnet werden. Doch schon jetzt stehen die beiden Hebammen Schwangeren in der Region zur Seite. Bis zur ersten Geburt in dem alten Pastorat wird es allerdings noch eine Zeitlang dauern. Denn zur Leitung eines Geburtshauses ist eine dreijährige Berufserfahrung erforderlich. Die Appartements allerdings stehen Wöchnerinnen schon mit Aufnahme des Praxisbetriebes zur Verfügung.

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Auf das alte Pastorat aufmerksam geworden sind Angelika Weimann und Susanna Müller bei der Suche nach einem Standort in Südwestfalen im Immobilienportal der Briloner Wirtschaftsförderung: „Das war Liebe auf den ersten Blick." Aber nicht weniger wichtig für die Entscheidung war die Nähe zu einer verlässlichen medizinischen Infrastruktur. Und die sei mit den niedergelassenen Ärzten und dem Briloner Krankenhaus vorhanden. Erste Kontakte habe es bereits gegeben. „Manche Frauen wollen einen Kaiserschnitt", sagt Susanna Müller. Das ist für die Hebamme in Ordnung, denn: „Es ist das Grundrecht jeder Frau, die Art der Entbindung zu bestimmen."

Kontakte aufgenommen haben die beiden Hebammen auch schon mit dem Dorfladen und dem Landgasthof Schnier. Denn über die beiden soll die Verpflegung der künftigen Pensionsgäste laufen. Und darüber freut sich Ortsvorsteher Klaus Götte: "Es ist für das Dorf so wichtig, dass Leben hierhin kommt."

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Praxis heißt „Nona“

Susanna Müller und Angelika Weimann haben ihre Praxisgemeinschaft „Nona“ genannt, eine Anlehnung aus dem Lateinischen an die neun Monate, die eine Schwangerschaft dauert.

Die Homepage www.hebammenpraxis-nona.de ist bereits freigeschaltet.

In dem alten Pastorat hatte sich bis 2008 Pastor Heribert Widdekind rund 25 Jahre lang um suchtkranke Priester gekümmert. Danach hatte die Caritas eine Wohngruppe für Menschen mit Behinderung betrieben