Hochsauerlandkreis. In Grundschulen gelten neue Regelungen für Lollitests. Schulleiter und Eltern aus dem HSK zweifeln an der Sicherheit der neuen Testverfahren.
Die Stimmung in den Grundschulen im Altkreis Brilonkönnte besser sein. Neue Regelungen in Bezug auf die Lolli-Testungen bringen das System wieder durcheinander und sorgen für Unsicherheit bei den Schulleitungen und auch bei Elternteilen.
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„Ich komme mir vor, als wäre ich eine Zweigstelle des Gesundheitsamtes vor lauter Informationen über Erkrankungen“, sagt eine Schulleiterin. Die Aufregung ist groß. Viele wollen sich gar nicht erst zu dem Thema äußern, weil der Unmut noch zu stark ist.
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Erst zum Schulstart nach den Weihnachtsferien hatte Schulministerin Yvonne Gebauer die zweimal wöchentlich verpflichtend für landesweit 750.000 Grund- und Förderschüler stattfindenden Lolli-Tests umgestellt. Statt nur einer gaben die Schüler seither morgens zwei Proben ab. Die zweite sogenannte individualisierte Rückstellprobe kam nur zur Auswertung, falls der Pooltest ein positives Ergebnis aufwies. So ließ sich dann genau feststellen, welches Kind innerhalb dieses Pools erkrankt war. Dieses System ist nach knapp zwei Wochen schon wieder Vergangenheit.
Negativer Pooltest an Grundschule Ratmerstein in Brilon
Aufgrund der aktuell stark steigenden Fallzahlen können die an Grund- und Förderschulen zusammen mit den Pool-Tests abgegebenen Rückstellproben der Schülerinnen und Schüler in den Laboren zurzeit nicht mehr ausgewertet und positive Pools nicht aufgelöst werden. Laut Schulministerium sollen Schüler, deren Pooltest positiv ausfällt, am nächsten Tag zu Unterrichtsbeginn mit Antigenschnelltests getestet werden. Alternativ können sie das negative Testergebnis einer Bürgerteststelle vorlegen, um am Unterricht teilnehmen zu können, hieß. Kinder mit positivem Corona-Schnelltest sollen sich in häusliche Isolation begeben. „Natürlich erfährt man diese Neuigkeiten über das Radio und erst viel später vom Ministerium“, sagt Katharina Nolte-Ilius, Schulleiterin an der Ratmerstein-Grundschule in Brilon, „Aber diese Spontanität sind wir mittlerweile gewöhnt.“ Trotzdem fände sie es schön, wenn die Schulen zumindest zeitgleich mit der Presse informiert werden würden. Sie bekam erst nach 22 Uhr eine Mail.
Sie kann nachvollziehen, dass die Labore mit der zu bearbeitenden Menge an Tests überlastet sind, dennoch fragt sie sich, ob das nicht schon im Vorfeld absehbar war. Am vergangenen Dienstag gab es einen positiven Pool in der Schule. Die Schulleitung ließ alle Kinder zuhause bleiben, weil sie wusste, dass es keine Auswertung mehr geben würde. Mit der neuen Regelung war dann klar, dass die Kinder wieder in die Schule kommen dürfen, sofern der Selbsttest vorliegt. „Kein Kind war dann positiv. Vielleicht ist der Schnelltest nicht so sensitiv. Das bringt Unsicherheit mit sich, weil die Wertigkeit der Tests in Frage gestellt wird“, erklärt die Schulleiterin. Die Eltern sind Dienstagabend bereits über einen Messenger informiert worden. Katharina Nolte-Ilius sagt aber schon, dass für sie einen Zeitverlust darstellt, wenn auf die Schnelle noch ein Test organisiert werden muss.
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Ein wenig mehr Vorlauf hatte Schulleiterin Christa Sandhäger von der Hanse-Grundschule in Medebach. Das Labor hatte sie bereits 24 Stunden vorher informiert. „Wir stehen jetzt wieder vor einer Herausforderung, weil die Testungen vor dem Unterricht stattfinden müssen. Da muss geklärt werden, wann die Schüler überhaupt kommen und wo wir testen können. Die Kinder sind stellenweise auch schon im Bus zusammen gewesen. Das sorgt für ein ungutes Gefühl.“ Auf dem Schulhof wird das Testen wegen der Temperaturen und der fehlenden Abstellmöglichkeiten wohl nicht funktionieren. Also müssen doch alle Schüler in einem Raum getestet werden, der sehr gut gelüftet ist. „Aber darin sind wir geübt.“
„Vor zwei Wochen war der Start der Lolli-Testungen 2.0 durchaus positiv und das Konzept dahinter halte ich weiterhin für effektiv und überzeugend. Es hat dem Schulalltag in Präsenz Sicherheit gegeben – soweit man derzeit davon sprechen kann. Leider hat es den „Praxistest in der Omikronwelle“ nicht bestanden“, sagt Monika Aßheuer-Waller, Schulleiterin an der St. Engelbert Grundschule in Brilon. Auch sie hätte sich über Vorlaufzeit gefreit und moniert, dass die Informationsweitergabe zum wiederholten Male nicht gut funktioniert habe. „Bereits seit Montagabend warteten die ersten Eltern und wir auf Auswertungen von Einzeltests nach einem positiven Pool. Vom Labor haben wir Dienstagmorgen dann erfahren, dass es zu Verzögerungen kommt, dann hieß es auf einmal, dass die Proben nach Rücksprache mit dem Ministerium nicht mehr ausgewertet werden.“ Weitere Informationen des Ministeriums sollten folgen. Für die Eltern, deren Kinder Dienstag aufgrund des positiven Pool zu Hause waren, keine angenehme Situation und wie die Schulleiterin sagt eine ziemliche Belastungsprobe, denn bis abends war unklar wie es für die Klasse weitergeht und vor allem war auch unklar, welches Kind nun positiv war.
Versagen der Strategie hätte absehbar sein müssen
„Ich bin verwundert und sprachlos, dass auch nach zwei Jahren Corona noch so etwas ungünstig laufen kann. Dass Strategien angepasst werden müssen, sind wir gewohnt und das bringt die dynamische Lage mit sich. Dass das aber nicht etwas früher absehbar gewesen sein soll, ist für mich schwer nachvollziehbar.“
Die neue Strategie sorgt bei Aßheuer-Waller für große Unsicherheit. Die PCR-Tests zeigen Infektionen früher und sicherer an als die Schnelltests. Die Durchführung von Selbsttest ist ihrer Meinung nach ein großer Rückschritt, denn sie benötigen mehr Zeit, sind in der Handhabung schwieriger und fehleranfälliger und der Nasenabstrich ist für einige der besonders jüngeren Kinder nicht so einfach durchzuführen. Außerdem fehlt ihr der Zusammenhang zwischen dem Pool und den Schnelltests. Selbst wenn im Schnelltest ein Kind auffällt, ist es weiterhin möglich, dass trotzdem noch ein anderes Kind positiv ist, der Schnelltest aber noch nicht anschlägt, weil die Virenlast zu gering ist. „Wir beginnen zu testen, wenn wir definitiv wissen, dass mindestens ein positives Kind dabei ist. Das führt zu einem großen Gefühl der Unsicherheit bei den Lehrkräften aber auch bei den Kindern und Eltern.“
Angespannte Lage an St.-Engelberg-Grundschule in Brilon
Die Lage ist angespannt. Es gibt eine deutlich höhere Zahl positiver Fälle als vor Weihnachten. Die Lehrkräfte arbeiten am Limit. Es gilt „Lernen von zu Hause“ für die Kinder in Quarantäne mit dem Unterricht in Präsenz zu koordinieren. „Es muss der Überblick behalten werden, wer ist „Genesen“ – der darf acht Wochen nicht in den Pool, wer hat einen Bürgertest – der braucht nicht in den Pool. Wer durfte sich wann freitesten, wurde das Testergebnis vorgelegt usw. – dann darf er bleiben, ansonsten muss angerufen werden.“ Die Schulleiterin bemüht sich alle Fragen der Eltern bestmöglich zu beantworten, damit diese planen können und wissen, wie sie sich verhalten sollen. Dazu gehören auch Erklärungen, was in den geltenden Coronaverordnung steht und wie die Vorgaben für Infizierte oder Kontaktpersonen sind. Das ist schwierig, wenn Vorgaben sich ständig ändern oder -wie Dienstag- Informationen des Ministeriums nicht zur Verfügung stehen.
Unsicherheit bei Eltern wegen Lolli-Tests
Nicht nur beim Schulpersonal macht sich Unsicherheit breit, sondern auch bei den Eltern. „Mit den Lolli-Tests habe ich mich sehr sicher gefühlt, weil die Kinder auch früher rausgefischt werden konnten. Ich habe jetzt mit den Schnelltests das Gefühl, dass alles wieder unzuverlässiger wird, weil sie ja bekanntlich viel später anschlagen. Bei allem Verständnis für den Schutz der vulnerablen Gruppen, es sind einmal mehr Kinder, Eltern und Lehrer, die das Nachsehen haben“, sagt eine Mutter aus Olsberg.
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In einem Elternbrief gab es bereits die Information, dass im Falle eines positiven Pools nach Möglichkeit die Kinder noch vor Unterrichtsbeginn bei einer Teststelle vorstellig werden sollten – alternativ zum Selbsttest in der Schule. „Das ist natürlich noch einmal ein erheblicher Aufwand vor Schulbeginn. Aber das wünsche ich mir dann auch von möglichst vielen Eltern, soweit irgendwie machbar.“ Zu klären sei allerdings, welche offizielle Teststelle denn überhaupt vor Schulbeginn um 7.30 Uhr schon geöffnet habe. Die Lehrer würden durch Nachtesten an einer offiziellen Stelle außerdem ein Stück weit entlastet werden.
Schockmomente nach Pool-Testungen
Die Mutter eines Grundschulkinds bedauert, dass es die Änderung gibt, denn das neue System mit Pooltest und anschließender Einzeltestauswertung hatte sich bereits gut eingespielt und Eltern Sicherheit gegeben. Wie die Mutter erklärt, war die Aufregung unter den Eltern am Dienstagabend groß. Glücklicherweise war die letzte Pooltestung allerdings negativ.
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Das war nicht immer so. Jedes Mal sei es ein kleiner Schockmoment gewesen, wenn am Abend die Nachricht kam, dass der Pool positiv ist. Erst am nächsten Morgen kam dann die Entwarnung in Bezug auf das eigene Kind. „Und dazu die Anspannung beim Nachschauen, ob das Kind nun positiv oder negativ ist.“
Durch die starken Überlastungen in den Laboren wird künftig im Falle eines positiven Pools nur noch mit Schnelltests nachgetestet, und zwar jeden Tag in der Schule oder in der Teststelle bis der Klassenpool wieder negativ ist, so stehe es im Elternbrief. „Jetzt überlege ich noch dazu wieder neu, wie es im Freizeitbereich aussieht. Bringe ich meinen Sohn noch zum Fußball? Dies auch mit Blick auf die betagten Großeltern. Man wägt den ganzen Tag ab.“