Hochsauerland. Viele Menschen aus der Ukraine fliehen vor dem Krieg in ihrem Land. Aber sind die Städte im Sauerland überhaupt auf Flüchtlinge vorbereitet?
Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine bereitet sich Deutschland auf Flüchtlinge vor – auch das Sauerland. Der Städte- und Gemeindebund hat Bund und Länder aufgefordert, sich rechtzeitig gemeinsam auf mögliche Flüchtlinge aus der Ukraine einzustellen. Die Kapazitäten in den Kommunen seien nicht unbegrenzt. Das bestätigen auch die einzelnen Städte. Zumal neben der Zuweisung von Menschen aus der Ukraine aktuell auch noch Personen aus Afghanistan auf die Kommunen verteilt werden.
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Winterberg hat noch Platz für 20 Menschen
Gerade einmal für 20 mögliche Flüchtlinge aus der Ukraine stünden der Stadt Unterkünfte zur Verfügung. Die übrigen von der Kommune angemieteten 15 Mietwohnungen sind momentan komplett belegt, teil die Stadt auf Anfrage mit. „Zu Spitzenzeiten der Flüchtlingskrise hatte Winterberg etwa 80 Mietwohnungen angemietet. Diese wurden sukzessive in den vergangenen Jahren gekündigt, da die Zuweisungen stark rückläufig waren. Viele anerkannte Flüchtlinge haben inzwischen auch eigenen Wohnraum gefunden und selbst angemietet“, so die Sprecherin der Stadt, Rabea Kappen.
Sollte es wegen des russischen Einmarsches in der Ukraine zu einer größeren Flüchtlingswelle kommen, werde man alle Hebel in Bewegung setzen, um Notunterkünfte in den städtischen Gebäuden einzurichten. „Zu sehen, wie Russland Krieg und Leid nach Europa trägt, ist unerträglich. Oberstes Ziel ist es jetzt, den Menschen zu helfen“, sagt Bürgermeister Michael Beckmann. Auch die im Rahmen der Flutkatastrophe des vergangenen Jahres gesammelten und nicht benötigten Spenden stünden zur Verfügung. Neben Ukrainern rechnet auch Winterberg in den nächsten Wochen mit weiteren Neuzuweisungen von afghanischen Ortskräften. Hier hat die Stadt Winterberg bereits in diesem Monat 14 Personen aufgenommen.
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Medebach: Wohnraum ist ein knappes Gut
„Zunächst einmal schauen wir mit großer Sorge auf die Verletzungen des Völkerrechts und den Kriegsausbruch im Osten Europas. Die Bilder und das mit nichts zu rechtfertigende russische Vorgehen sind für mich als überzeugten Demokraten unerträglich“, sagt Medebachs Bürgermeister Thomas Grosche. Er hoffe sehr, dass sich die Situation in absehbarer Zeit wieder entspanne und die Menschen in der Ukraine in Frieden und Freiheit in ihrer Heimat leben können. „Allerdings ist das wohl leider nur Wunschdenken. Realistisch betrachtet müssen auch wir nach aktueller Einschätzung von zusätzlichen Flüchtlingsströmen ausgehen.“ Medebach setzt 2015 wie heute auf eine dezentrale Unterbringung der geflüchteten Menschen in Mietwohnungen. Das hat sich aus Sicht der Stadt sehr gut bewährt, da u.a. durch diese Unterbringungsform und durch die hervorragende Unterstützung ehrenamtlich Tätiger eine bestmögliche Integration gewährleistet werden könne.
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In der Spitze waren es in 2015 insgesamt 186 geflüchtete Personen, die in Medebach Obdach fanden. Zurzeit leben 130 Mitbürger/innen mit Fluchthintergrund in Medebach. Grosche: „Das heißt aber keineswegs, dass dieser Wohnraum in Medebach aktuell frei ist. Durch anderweitige Zuzüge sind die Wohnungen sehr schnell wieder belegt worden, so dass es für uns eine Herausforderung darstellt, geeigneten Wohnraum für Flüchtlinge vorzuhalten. Verfügbare Mietwohnungen sind ein knappes Gut, zumal eine Unterbringung in der Regel innerhalb weniger Tage gewährleistet werden muss. Im Moment haben wir daher sieben Wohnungen reserviert, da uns aktuell gemäß unserer Aufnahmequote ohnehin wieder vermehrt geflüchtete Menschen zugewiesen werden. Somit sind wir grundsätzlich vorbereitet.“
Sollte sich die Anzahl der Flüchtlinge durch den Krieg in der Ukraine merklich erhöhen, wird die Herausforderung bezüglich der Unterbringung allerdings größer. Daher wäre die Stadt weiterhin dankbar, wenn entsprechende Wohnungen von Eigentümern zur Anmietung angeboten würden.
Angespannte Situation in Hallenberg
Angespannt ist die Situation auch in Hallenberg. „Die Kapazität in unseren Flüchtlingsunterkünften mit Hinblick auf die sowieso schon angespannte Wohnungslage stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Aktuell haben wir nur noch geringe Kapazitäten in einer einzigen Wohnung“, sagt Bürgermeister Enrico Eppner. Aus der Flüchtlingskrise 2015 habe die Stadt dahingehend gelernt, dass an den zur Verfügung gestellten Mietwohnungen auch bei Wegzug festgehalten worden sei. „So konnten die zum Jahreswechsel 21/22 stattgefundenen Zuzüge zum Teil aufgefangen werden. Aber immer noch sind wir aktiv auf der Suche nach Wohnraum. Verwaltungsintern erwägen wir aufgrund der angespannten Situation auch Immobilienankäufe zu tätigen, um unserer humanitären Verantwortung gerecht zu werden. Hinsichtlich der widerwärtigen Taten in der Ukraine und der damit verbundenen inakzeptablen Situation ist es unsere menschliche Pflicht, alles in unserer Macht stehende zu tun, um die Menschen, die vor einem unverschuldeten Krieg fliehen, zu unterstützen.“ Er wünsche sich eine unbürokratische Abwicklung. „Sollten aufgrund der Wohnungssituation unkonventionelle Unterbringungen nötig sein, dann werden wir uns unserer Verantwortung bewusst sein und alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.“
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Olsberg hat momentan noch 14 Plätze zur Verfügung
Die Stadt Olsberg hat seit Oktober 2021 insgesamt 26 Menschen als Asylbewerber aufgenommen, die - so ist das Verfahren - generell vom Land NRW zugewiesen wurden. Unter den neu Aufgenommenen sind auch sieben Menschen, die im Januar als frühere afghanische Ortskräfte nach Deutschland gekommen sind. Erst am Donnerstag drei weitere Menschen in der Stadt Olsberg untergebracht. Auch schon vor Oktober 2021 kamen zahlreiche Asylbewerber in die Stadt. Pressesprecher Jörg Fröhling: „Durch die stetigen Neuaufnahmen hat sich die bis zum Herbst recht entspannte Lage etwas verändert. Derzeit leben 95 Menschen in städtischen Unterkünften. Momentan stehen noch 14 Wohnplätze für Asylbewerber oder andere Menschen, die kurzfristig untergebracht werden müssen, zur Verfügung. Ganz unabhängig von der aktuellen Situation in der Ukraine und möglichen Folgen begrüßt es die Stadtverwaltung Olsberg, wenn Bürgerinnen und Bürger freie Wohnungen zur Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern anbieten.“
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Marsberg: Ein Aufruf wäre nötig
In Marsberg sind noch 32 Plätze in den Unterkünften frei. Auch dort ist zu berücksichtigen, dass eventuell noch weitere afghanische Ortskräfte oder anerkannte Flüchtlinge mit Wohnsitzauflage bzw. auch Asylbewerber zugewiesen werden und untergebracht werden müssen. In Spitzenzeiten, so die Stadt, hat Marsberg Wohnraum für ca. 430 Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Zwischenzeitlich wurde die Kapazität um etwa 310 Plätze auf 120 abgebaut. Bedarfsgerecht wurden Zug um Zug die nicht mehr benötigten Gebäude zur Nutzung an Vereine etc. zurückgegeben. Die Stadt: „Im Übrigen stellt es sich schwierig dar, kurzfristig Wohnraum zur Unterbringung von Flüchtlingen anzumieten. Hier müsste sicherlich ein Aufruf erfolgen, damit ggf. vorhandener freier Wohnraum aus der Bevölkerung zur Verfügung gestellt würde.“
Brilon bereitet sich vor
Ähnlich sieht die Situation in Brilon aus. Auf Nachfrage teilte die Stadt mit: „Brilon hat aktuell drei Familien der afghanischen Ortskräfte aufgenommen, insgesamt 19 Personen. Die Stadt Brilon bereitet die Aufnahme weiterer Flüchtlinge vor. Aktuell sind noch Kapazitäten vorhanden, jedoch können die, je nach Flüchtlingsstrom, sehr schnell aufgebraucht sein. Die Stadt Brilon sucht aktuell Wohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen und bittet Vermieter, sich entsprechend zu melden.