Hochsauerlandkreis. Mit Blick auf menschliches Leid klingt es fast zynisch, aber der Ukraine-Krieg wird im HSK wirtschaftliche Folgen haben. Ein Experten-Urteil:
Es klingt im ersten Moment zynisch, wenn auf europäischem Boden ein Krieg vom Zaun gebrochen wird und dann eine Einschätzung auf die wirtschaftlichen Folgen erwartet wird. So geht es am Donnerstagmorgen auch Stefan Severin, Geschäftsbereichsleiter Volkswirtschaft, Kommunikation, Unternehmensförderung, International bei der Industrie- und Handelskammer Arnsberg. Mehrere Medien haben bei ihm angerufen. Aber gerade eben hat er noch per Videokonferenz mit der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer in Kiew gesprochen.
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Severin: „Der Geschäftsführer war der Einzige, der noch im Büro war. Die anderen waren nach Hause zu ihren Familien geschickt worden. Da bekommt das Ganze eine ganz andere Dimension und Betroffenheit. Wir denken an die Menschen generell dort und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen, die dort Fuß gefasst haben. Hoffentlich geht es denen gut. Und hoffentlich werden die Menschen dort nicht vertrieben.“
Trotzdem wagt der Diplom-Volkswirt eine vorsichtige Einschätzung – und die ist nicht rosig. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht einfach, die wirtschaftlichen Folgen dieses Angriffs zu ordnen oder einzusortieren. Beim Thema Gas, Öl und Energie insgesamt ist unsere Wirtschaft bundesweit ohnehin schon arg betroffen. Zu den in letzter Zeit ordentlich gestiegenen Energiepreisen kommt nun noch dieser Konflikt hinzu.“
In einigen Unternehmen, so Severin, spitze sich die Lage dramatisch zu. Hier spiele es eine Rolle, wie hoch die Abhängigkeit und der Kostenanteil von Energie letztendlich sei. Severin: „Dieser Konflikt kommt da noch on top oben drauf und sorgt vermutlich für noch weiter steigende Preise - für die Unternehmen selbst und auch für den Verbraucher.“ Der Bürger werde es doppelt spüren – als Gas- oder Ölkunde und zum anderen auch, wenn über die Unternehmen das allgemeine Preisniveau steige.
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Gute gewachsene Beziehungen nach Osteuropa
Das ist die Import-Seite, die dieser Konflikt mit sich bringt. Aber auf der anderen Seite gibt es viele Unternehmen, die gewachsene gute Beziehungen in die Region haben - sowohl nach Russland als auch in die Ukraine. Severin: „Ich kann keine Namen nennen, aber das geht im Prinzip durch alle Bereiche. Das betrifft die Automobilzulieferer, Unternehmen im Bereich Befestigungsprodukte, aber auch Unternehmen, die Pflanzen herstellen – da kann man sich gar nicht auf einen industriellen Bereich fixieren.“ Für alle Unternehmen beginne nun eine sehr unsichere Phase, „weil man ja auch gar nicht weiß, welche Sanktionen wie ausgesprochen werden oder zum Tragen kommen.“ Gleichwohl könne man aber sagen, dass die Warenlieferungen nach Osteuropa erschwert würden. „Und das wird sich vermutlich noch verschlimmern, falls Russland aus dem sogenannten Swift-Abkommen ausgeschlossen und der Zahlungsverkehr erschwert wird. Vielleicht werden auch viele Exporte nach Russland ganz verboten werden. Das weiß man noch nicht.“
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In zwei Stunden mitten im Kriegsgebiet
Den Export-Anteil von Waren nach Osteuropa für den Bezirk der IHK herunterzubrechen, ist schwierig. „Bundesweit ist die Ukraine auf Rang 41 der wichtigsten Handelspartner mit Deutschland; Russland steht da schon bei den Exporten auf Rang 14. Wenn man das Handelsvolumen insgesamt betrachtet, liegt Russland auf Platz 13“, so der IHK-Fachmann. Die geschäftlichen Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch nach Russland seien nach der Pandemie-Flaute im vergangenen Jahr zuletzt wieder stark angestiegen. Severin: „Das Handelsvolumen zu Russland hat um ein Drittel zugelegt. Umso fataler ist es, wenn man weiß, dass einiges demnächst nicht mehr möglich sein wird“, so Severin, der auch persönlich über die politische Entwicklung entsetzt ist: „In zwei, drei Stunden ist man mit dem Flugzeug dort und mitten im Kriegsgebiet. Der Krieg ist in Europa und das ist dramatisch genug.“