Brilon/Olsberg/Marsberg/Winterberg. Corona-Check: Die Menschen im HSK fürchten die Verödung der Innenstädte. Der Einzelhandel im Altkreis Brilon über Leerstände und einen neuen Boom
Unterstützen die Sauerländer wirklich den lokalen Einzelhandel im Hochsauerlandkreis oder nutzen sie doch eher die Internet-Riesen wie Amazon? Jetzt, wo die ersten Lockerungen – beschlossen in der Corona-Konferenz – in Kraft treten werden und bald wieder ohne Termin geshoppt werden kann, sind sich in unserem Corona-Check 86,7 Prozent der Befragten einig: Sie geben an, dass sie ganz bewusst den stationären Handel und die örtliche Gastronomie unterstützen. Wir haben vor Ort nachgefragt: Ist das so?
Olsberg: „Wir haben da durchaus positive Erfahrungen gemacht“
Bernadette Kimmlinger ist im Vorstand der Fachwelt Olsberg aktiv und betreibt in der Kernstadt das Damenmode-Geschäft Völlmecke. Gefragt, ob die Bürger in der Pandemie den Einzelhandel vor Ort unterstützen, sagt die Olsberger Geschäftsfrau: „Wir haben da durchaus positive Erfahrungen gemacht. Es gibt viele Kunden, die ganz bewusst hier bei uns einkaufen, weil sie möchten, dass die kleinen Geschäfte im Ort überleben.“ Angesichts der Corona-Lage sei das zwar leider oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch kommt sie zu einer positiven Einschätzung: „Man merkt, der Gedanke vor Ort zu kaufen, setzt sich mehr durch als vor der Krise. Viele Menschen haben gemerkt, dass es für den Einzelhandel und die Gastronomie ums Ganze geht.“ Teilweise sei es aber auch eine Generationenfrage, ob lokal gekauft oder bestellt werde. Gerade bei vielen Jüngeren habe sich die Tendenz zum Online-Bestellen verstärkt. Ihre Sorge ist, dass sich dieser Trend auch nach der Pandemie verfestigen könnte. Umso wichtiger ist es der Olsbergerin, deutlich zu machen, dass „alle Geschäfte den Kunden, die sie ganz bewusst unterstützt haben, sehr dankbar sind.“
Marsberg: Umsatz-Einbußen in Folge der Pandemie für Einzelhandel „deutlich spürbar.“
Auch für den lokalen Einzelhandel in Marsberg haben sich die Stammkunden in der Pandemie als wichtiger Pluspunkt erwiesen: „Gerade bei ihnen merkt man, dass sie weiterhin vor Ort kaufen und dem lokalen Handel die Stange halten“, freut sich David Wegener. Er ist Vorsitzender des Gewerbevereins Marsberg und in der fünften Generation im Schuhhaus Wegener tätig.
David Wegener vermutet, dass der Rückhalt durch die Kundinnen und Kunden gerade in den kleinen Sauerländer Städten, wo man den Inhaber noch persönlich kennt, hoch ist; höher vielleicht als in größeren Städten, in denen der Einkauf anonymer ist.
Aber natürlich gebe es neben den Stammkunden auch in Städten wie Marsberg Kunden, die sporadisch mal hier und mal dort kaufen. Und für manch einen von ihnen sei es gerade in dieser Zeit offenbar bequemer gewesen, im Internet zu bestellen. Zumal normale Wege und Ziele in der Stadt zum Beispiel durch die Schließung der Gastronomie oder von Dienstleistungs-Angeboten während der Corona-Pandemie wegfallen seien. Die Umsatz-Einbußen in Folge der Corona-Pandemie seien für den Einzelhandel „deutlich spürbar.“
Verödung der Innenstädte – eine Angst von vielen Menschen
Ein Großteil der Befragten befürchtet, dass die Innenstädte durch die Corona-Pandemie veröden. So haben die Ergebnisse zu der Frage, ob man Leerstände befürchte, eine Durchschnittsnote von 3,71 bekommen, wobei eine 5 als sehr extreme Befürchtung gelten kann. Der Briloner Gewerbevereinsvorsitzende Christian Leiße: „Letztendlich liegt es nicht an uns, ob unsere Innenstädte veröden. Es liegt an den Entscheidungen der Bürger.“
Brilon: Digitalisierung – „Das ist kein Rückschritt“
Fürchten Sie Leerstände in den Städten?
Bis jetzt hab ich in Brilon für mich immer alles bekommen. Schade wäre es schon um die kleinen Lädchen mit privaten Besitzern. Die haben mehr Charme als die großen Ketten. Vera Kahlenberg aus BrilonJa, es war vor Corona schon schlimm, aber jetzt erwartet uns eine Wüste. Billigshops – sonst nix. Überflutet mit asiatischen Pfennigartikeln. Qualitätsprodukte nicht mehr greifbar und ggf. nicht mehr erschwinglich. Ina Duskeaus Winterberg Das Innenstadtsterben hat schon vor 15 Jahren angefangen. Das nicht nur in Brilon. Sämtliche Großstädte leiden darunter. Die Städte werden mit Discountern geflutet. Erschwerend kommt der Internet-Handel dazu. Der einfache kleine Händler hat dagegen die geringste Chance. Was auch eine große Rolle spielt, sind die teils viel zu hohen Mieten und die ständig steigenden Kosten. Die Pandemie ist da nur die Spitze des Eisberges. Meik Königsmann aus BrilonUm die Innenstädte vor Verödung zu wahren, braucht es attraktive Mischungen aus Einkaufsmöglichkeiten aller Branchen, soziale Treffpunkte, kostenlose Parkplätze, Grünflächen, Gastronomie, bezahlbaren Wohnraum. Ein wirklich tragfähiges Konzept hierfür ist nicht mal eben aus dem Boden gestampft. Und bei aller Theorie müssen diejenigen, die sich jetzt über ein schwaches Angebot beschweren, nachher dann auch nicht dem „Geiz ist geil“-Prinzip folgen, aus Bequemlichkeit nur im Internet bestellen und liefern lassen, sondern auch die Euros in der City ausgeben. Bianca Paulsenaus Marsberg
Alle sind am schimpfen – nur noch Corona. Denkt mal positiv. Wir haben schöne Geschäfte. Wir haben zu Essen. Wir haben ein gutes Gesundheitssystem. Und jeder ist für sein Leben verantwortlich. Elke Schmidt aus BrilonIch war letzte Woche seit längerer Zeit mal wieder in Warburg. Erschreckend, wie es da inzwischen auch aussieht. Die Gründe dafür sind uns wohl alle bekannt. Ideen fehlen wohl überall! Robert Ihdeaus Marsberg An dieser Stelle präsentieren wir Ihnen ausgewählte Stimmen von unserer Facebook- und/oder Internetseite. Die Inhalte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider; Kürzungen vorbehalten.
Schon während der Pandemie hat Christian Leiße die Loyalität der Bürger gespürt. Der Damen- und Herrenausstatter habe viele Kunden gehabt, die sich auch den dritten Pullover gekauft hätten, um ihn zu unterstützen. „Das ist ein Bodensatz an guten Menschen, aber von den paar Menschen kann eine Innenstadt nicht leben. Wir brauchen einen Bewusstseinswechsel hin zum Shoppen in der Stadt.“ Man müsse an die Bürgerinnen und Bürger appellieren, das Angebot vor Ort anzunehmen. „Es kann gut sein, dass wir den Bewusstseinswechsel hin zum Shopping-Erlebnis nach Corona erleben werden. Aber die Pandemie hat, was die Digitalisierung angeht, wie ein Brandbeschleuniger gewirkt.“ Viele Händler aus Brilon hätten mit Whatsapp-Katalogen oder neuen Online-Auftritten eine neue Affinität zum Digitalen gezeigt, das müsse nun beibehalten werden. „Viele Kollegen haben gemerkt, wie leicht es ist, sich in der digitalen Welt darzustellen. Das ist kein Rückschritt.“
Vorteil sei auch die gute Kaufmannschaft in Brilon: „Wir sind sehr sehr gut vernetzt, wir sind keine Einzelkämpfer sondern tauschen uns aus.“
Winterberg: Boom im Einzelhandel – wenn auch die Gastronomie öffnet
„Wenn die Menschen im Lockdown daheim sitzen, ist es nur logisch, dass sie im Internet auch bestellen.“ Das sagt Marcel Pauly, Gewerbevereinsvorsitzender in Winterberg. Es sei also kaum anders möglich gewesen, dass sich die Händler vor Ort auch digital aufstellen müssten. „Viele haben die Hilfen zur Digitalisierung genutzt und sich gut aufgestellt. Aber nicht jeder Händler kann sich auch einen Online-Shop einrichten. Das ist mit hohen Kosten verbunden“, erklärt er. Er glaubt ohnehin: „Die Menschen haben Nachholbedarf.“
Nach der Pandemie hofft er auf einen Boom im Einzelhandel vor Ort. Nachdem jeder monatelang daheim geblieben sei, würden die Menschen wieder in ihre Innenstädte wollen. „Die Lust auf ein Erlebnis ist da. Jetzt muss sich also auch jede Stadt gut aufstellen, um diesem Bedürfnis zu begegnen.“ Eine Verödung der Innenstadt befürchtet Marcel Pauly also nicht – auch wenn er weiß, dass der Lockdown die Händler schwer getroffen hat. „Natürlich kann es den ein oder anderen Händler treffen, der finanziell in Schwierigkeiten ist. Aber eine Verödung sehe ich nicht.“ Er wünscht sich nur Öffnungsperspektiven für die Gastronomie und die Hotellerie – für den Winterberger Einzelhandel ein wichtiges Standbein des Shopping-Erlebnisses. Doch schon jetzt schaut er positiv in die Zukunft: „Die Menschen sehen ihre Innenstädte jetzt mit anderen Augen – als Treffpunkt mit Lebensfreude.“