Winterberg. Das Hotel Hessenhof gibt es bereits seit über 200 Jahren. Dass die sechste Generation in den Familienbetrieb einsteigt, war lange nicht absehbar.
Gastfreundschaft ist im Hotel Hessenhof in Winterberg seit über 200 Jahren schon Tradition. Und Traditionen soll man pflegen. Aber genau danach sah es vor einigen Jahren noch nicht aus, denn mit Ina Haas und Daniel Braun haben Geschäftsführer Dirk Braun und seine Ehefrau Birgit zwar Nachwuchs, der quasi im Hotel aufwächst, aber das Interesse den Betrieb zu führen, gab es damals noch nicht. Vielmehr führten die Wege die Geschwister weit weit weg von der Heimat.
Tochter bemerkt früh Vor- und Nachteile des Berufs
„Ich habe früh die Nachteile eines Hotels mitbekommen. Es gibt keinen Ruhetag, man ist permanent für die Gäste da, die Eltern arbeiten immer“, erinnert sich Ina Haas an ihre Kindheit zurück, die sie viel im Hessenhof verbracht hat. Doch neben dem Trubel erinnert sie sich auch noch an eine bestimmte Tradition: „Nach der Schule konnte ich mir mein Mittagessen hier aussuchen. Ich habe mir immer Pfannkuchen gewünscht.“
Das Hotel prägt die heute 32-Jährige. Auch beruflich. Sie jobbte in den Ferien und an Wochenenden in Neuastenberg, verstand, was es heißt, für das eigene Geld arbeiten zu müssen. Sie entschied sich für eine Ausbildung zur Hotelfachfrauin Schmallenberg. Nicht im heimischen Betrieb und auch nicht, um diesen später zu übernehmen. Vielmehr wollte sie sehen, wie es in anderen Hotels läuft. Was machen sie besser? Haas erinnert sich, dass sie die Größen der Hotels neidisch machte. Fünf-Sterne-Erfahrung sammelte sie ebenfalls. Nach der Ausbildung zog es sie in die Ferne.
Familienbetrieb in Winterberg
Ein halbes Jahr arbeitete sie auf einer Rinderfarm in Australien. Eine Auszeit bevor das Berufsleben richtig losgehen sollte. „Mein Vater sagte immer, dass ich zu viel plane. Die Australier sind eher entspannt und das konnte ich mir ein bisschen abgucken“, sagt Haas und lacht. Da sie vor der Abreise ihren heutigen Ehemann kennenlernte, war klar, dass die junge Frau zurück ins Sauerlandkommen würde. Eine Zeit lang arbeitete sie mit ihrem Bruder gemeinsam in Schmallenberg.
Die Zusammenarbeit klappte. Überraschend, denn Haas beschreibt ihr Verhältnis als Kinder, wie zwischen Katze und Maus. Viele Kabbeleien. Aber sie blickt auch zu ihm auf. Ohne eine konkrete Absprache zwischen den beiden entschied Haas, dass sie in den heimischen Betrieb möchte. Die Frage, ob sie das Hotelmal übernehmen möchte, gab es nie. Dirk und Birgit Braun übten nie Druck aus. Auch nicht auf den Sohnemann.
Sohn erfüllt sich Traum auf hoher See
Daniel Braun ist vier Jahre älter als seine Schwester und war ebenfalls von klein auf im Betrieb involviert. „Ich habe früher die Taschen der Gäste getragen, wenn sie mit den Bussen angereist waren. Das ist das coolste, was ich noch weiß von damals. Da gab es immer Trinkgeld“, sagt er und kann das Grinsen nicht verbergen. Für ihn war früh klar, dass er Koch werden möchte. Genau wie sein Vater. Aber auch hier die klare Ansage: nicht daheim. Keine bevorzugte Behandlung. Daniel Braun wollte etwas sehen. Also ging es nach Bayern, Österreich, Sylt, Köln. Sterneküche kennenlernen, mehr Einblicke ins Handwerk der Konditorei bekommen. Doch da war noch mehr.
Wild aus eigener Jagd
Zum Hotel Hessenhof gehört auch das Restaurant „Stadtkern“.In seiner Domäne kann Daniel Braun seine Vorstellungen umsetzen.Wichtig sind aber das Spezialgebiet: das Wild. Das kommt aus eigener Jagd. Auch hier lässt sich der Koch moderne Variationen einfallen.
Oder Meer. Denn der 36-Jährige wollte gerne auf einem Schiff arbeiten. Das wollte der Papa damals auch, aber seine Frau hielt ihn ab. Das passierte dem Sohn nicht. Traumschiff, Aida, sieben Monate Europa, Karibik, Ostsee. Alles dabei. „In Jamaika mal eben von Bord gehen ist der Hammer“, sagt er. Aber nicht ein Leben lang. Der Alltag sollte mehr Normalität bekommen. Dass er zurück in die Heimat kommen würde, stand für den Koch immer fest. Nach einem Zwischenstopp fing er als zweiter Küchenchef im Hessenhof an. Vater Dirk brachte dem Sohn Führungseigenschaften bei, so dass er sich hocharbeiten konnte. Seitdem ist er dort. Festlegen wollte er sich darauf nie. „Ich hörte mein Leben lang, wann ich denn den Hessenhof übernehmen würde, aber ich wollte mich nicht in eine Ecke drängen lassen.“ Jetzt führt er die Tradition fort.
Die Familientradition im Hessenhof
Und das geht am besten gemeinsam. Jeder bringt eigene Ideen und Vorstellungen ein, die diskutiert werden. „Der frische Wind wird dann schon mal von der Erfahrung gebremst“, sagt Ina Haas, „Aber wir treffen uns dann in der Mitte. Wir entscheiden zusammen und jeder ist offen für Ideen.“ Natürlich gibt es viel Redebedarf. Tischschild, Speisekarte, Renovierungen und vieles mehr sind mögliche Themen.
Die Tradition soll zwar gewahrt, aber mit Moderne ergänzt werden. Die Eichenbalken beispielsweise an den Wänden sind retro, aber werden modern ergänzt. „Traditionen sollte man wahren. Alles ist so schnelllebig und verfliegt. Es ist schön wenn etwas standhaft ist“, sagt Daniel Braun. Seine Schwester sieht das genauso. Für sie ist es seltsam, sich vor Augen zu führen, wie lange die Tradition schon existiert. „Es wirkt unrealistisch, dass der Hessenhof so alt ist. Man kennt ja gar nicht alle und es gibt stellenweise keine Bilder. Das ist schon Wahnsinn.“