Berlin. Beziehungen basieren meist auf Liebe. Doch damit sie gelingen, ist mehr nötig. Eine Expertin erklärt, was es für eine glückliche Ehe braucht.
Die Frage nach der Bedeutung von Liebe in einer Beziehung scheint so alt zu sein wie die Liebe selbst. Für die meisten Menschen stellt die Liebe den wichtigsten Bestandteil einer erfüllenden Beziehung dar. In Filmen und Büchern gelten die drei Worte: „Ich liebe dich“ als besonders bedeutsam. Und auch im Alltag greift mehr als jeder Zweite in Deutschland auf dieses Gefühlsbekenntnis zurück, wie eine Umfrage der Partnervermittlung Parship aus dem Jahr 2019 ergab. Doch reicht das, um eine langfristig stabile Partnerschaft zu führen?
„Dass eine Beziehung trotz Liebe scheitert, kommt häufiger vor, als man denkt“, sagt Paartherapeutin und Psychologin Anna Wilitzki aus Berlin. Ihre jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit Paaren hat sie gelehrt, dass das Fundament einer stabilen und erfüllenden Beziehung aus mehr besteht als nur aus Liebe.
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Liebe: Wenn die Beziehung trotzdem scheitert
Obwohl Liebe wichtig sei, reiche sie allein nicht aus, um eine dauerhafte und erfüllende Partnerschaft zu führen, ist die Therapeutin überzeugt. Das Problem: „Manche Paare verspüren zwar eine starke Liebe füreinander, aber schaffen es nicht, eine Brücke zueinander aufbauen und Verständnis für die Gefühle des Partners zu haben“, so Wilitzki.
In der Anfangsphase der Verliebtheit erleben wir einen wahren chemischen Cocktail im Gehirn: Dopamin, das Glücksgefühle auslöst, wird verstärkt ausgeschüttet, während der Serotoninspiegel sinkt, was zu einer gesteigerten Anziehung führt. Alles in allem fühlen wir uns euphorisch, glücklich und eng mit unserem Partner verbunden. Australische Forscher fanden 2023 in einer Studie heraus: Durch die ausgeschütteten Hormone neigten Verliebte dazu, den Partner zu glorifizieren und negative Eigenschaften erst einmal zu ignorieren.
„Aber“, erklärt die Psychologin, „wir zeigen uns nicht unsere tiefsten Gefühle und innigsten Bedürfnisse.“ Das sei ein Problem, wenn das Verliebtheitsgefühl dann nach einigen Monaten verschwindet. „Liebe allein reicht nicht, wenn wir nicht wirklich an die Substanz unserer Beziehung gehen“, betont die Expertin.
Mit der Substanz in einer Beziehung meint Wilitzki die Fähigkeiten, Konflikte anzugehen, Zukunftsfragen zu klären und sich als individuelle Personen innerhalb der Beziehung weiterzuentwickeln. „Wenn Paare nicht mehr an sich arbeiten und einander nicht mehr verstehen und auffangen können“, warnt sie, „steht meistens die Trennung vor der Tür.“
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Paartherapeutin über Beziehungen: „Dann können wir keine Bindung aufbauen“
Meist sei es dann so, dass Partner anfingen, sich trotz der Beziehung einsam zu fühlen. „Die Einsamkeit kommt häufig dann, wenn man nicht mehr über seine Bedürfnisse reden kann oder sich nicht gesehen fühlt, obwohl da noch Liebe ist,“ erläutert die Paartherapeutin die Folgen.
Ohne Empathie geht es also nicht. „Wenn wir nicht sehen, dass wir auch für unsere Fehler angenommen werden, sondern nur für das Verliebtheitsgefühl, dann können wir langfristig keine Sicherheit und keine richtige Bindung aufbauen“, ist Wilitzki überzeugt.
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Bei Konflikten werde dann nur ‚Ja und Amen‘ gesagt, obwohl man an der Beziehung eigentlich etwas ändern wolle. Doch die Angst, den anderen zu verlieren, so die Psychologin, sei zu groß. Dadurch entstehe der trügerische Gedanke: ‚Es ist ja alles super bei uns, denn wir streiten nicht und lieben uns.‘ „Es bildet sich daraus keine richtige, funktionierende Beziehung zweier Individuen, die stetig an sich und der Partnerschaft arbeiten.“ Es ist Wilitzki zufolge wichtig, zu verstehen, dass eine Beziehung Arbeit sei.
Partnerschaft: Das braucht es außer der Liebe
Das Geheimrezept der Therapeutin für eine gute Beziehung: Bereitschaft. Es brauche Bereitschaft, „in Konflikte reinzugehen“ und Bereitschaft, den anderen in Gefühlen anzunehmen, die man vielleicht selbst nicht nachvollziehen könne. Die Expertin nennt ein Beispiel: „Eventuell hat der eine Partner Verlustängste aus der Beziehung davor und man findet seine Sorgen völlig unbegründet. Trotzdem müssen wir versuchen, die Angst des anderen zu verstehen.“
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Manche Paare würden an dem Punkt stehen bleiben, an dem sie zusammengekommen sind. In anderen Worten: Sie passen sich nicht mehr auf ihre neuen Lebensabschnitte an. Fünf bis zehn Jahre später hätten sich beide individuell weiterentwickelt. Wilitzki sagt: „In einer Beziehung vergessen wir leider oft, dass sich diese auch weiter entwickeln sollte.“ Darauf müssten wir uns immer wieder neu einlassen. Viele Paare würden dazu neigen, zu sagen: ‚Das waren früher unsere Interessen, das machen wir einfach weiter und meine neuen Hobbys erlebe ich mit anderen Menschen.‘ Es entstehe trotz Liebe eine Distanz.
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Glückliche Beziehungen ohne Liebe – gibt es das?
Doch wie steht es nun um Paare, die sich ausschließlich auf die Liebe als Grundlage ihrer Beziehung verlassen? Wilitzki warnt davor, da eine solche Einstellung dazu führen kann, dass der Partner als selbstverständlich angesehen und die Beziehung oberflächlich wird.
Doch auch umgekehrt wird es zum Problem: Eine Beziehung die irgendwann ganz ohne Liebe auskommen muss, sei noch weniger erfüllend, ist sich die Psychologin sicher. Denn auch diese Beziehungen gibt es durchaus: Paare die aus verschiedenen Gründen zusammenbleiben, auch wenn die Liebe nicht mehr vorhanden ist.
„Manche treffen die Entscheidung, ein Paar zu bleiben zum Beispiel für ihre Kinder.“ Eine tiefe Verbindung und ehrliche Partnerschaft würden in der Regel auf Liebe basieren, während eine Beziehung ohne diese Grundlage Schwierigkeiten haben könne, langfristig zu bestehen. Ohne Liebe geht es also irgendwie auch nicht.