Berlin. Psychologe John Gottman ist überzeugt: Der Erfolg einer Beziehung lässt sich mithilfe der „vier Reiter der Apokalypse“ vorhersagen.
- Was macht eine erfolgreiche Beziehung aus?
- Laut dem US-Psychologen John Gottmann kann man den Erfolg der Beziehung an „vier apokalyptischen Reitern“ vorhersagen
- Was ist von der Theorie zu halten?
Die Zukunft der Liebe prophezeien? Viele werden damit im ersten Moment wohl eher Tarot-Karten, Horoskope und Räucherstäbchen assoziieren – und weniger wissenschaftliche Studien. Doch der renommierte Beziehungsforscher und Paartherapeut John Gottman sagt: „Liebe ist vorhersagbar.“
Der 82-jährige US-Psychologe forscht seit über 40 Jahren über Beziehungen und Paardynamik. Er hat bereits über 200 Studien herausgebracht und ist vor allem für seine Arbeit über Ehevoraussagen und -stabilität bekannt. Gottman behauptet, anhand seiner Langzeitstudien, in denen er das Konfliktverhalten von Paaren beobachtete, mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersagen zu können, ob eine Ehe scheitern wird.
Dafür nutzt der Experte unter anderem die „vier Reiter der Apokalypse“, wie er sie selbst nennt. Diese sind eigentlich eher als ein Symbol aus der christlichen Bibel bekannt und kündigen darin als Vorboten des Jüngsten Gerichts das Ende der Welt an. Doch auch in Beziehungen bringen die Reiter Gottman zufolge großes Unheil: Der Psychologe beobachtete in einer Versuchsreihe, dass während eines Streits immer wieder genau vier Kommunikationsmuster den Puls und die Atmung von Paaren in die Höhe trieben – und letztlich das Beziehungsaus ankündigten.
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Beziehungstöter: Das sind die vier apokalyptischen Reiter
Bei den vier Reitern handelt es sich also um keine apokalyptischen Reiter im traditionellen Sinne, sondern vielmehr um Verhaltensmuster, die dem Fundament von Beziehungen schaden.
Das sind die vier Warnsignale für potenzielle Beziehungsschwierigkeiten, die Gottman identifiziert hat:
- Der erste Reiter: Kritik
Es ist normal, dass wir uns gelegentlich über unseren Partner ärgern, aber ständige Kritik kann schädlich sein. Wenn ein Partner, dem anderen ständig Vorwürfe macht, kann dies zu negativen Spannungen führen und die Kommunikation belasten. Gottman betont in seiner Theorie den Unterschied zwischen einer Beschwerde und einer Kritik. Eine Kritik wäre beispielsweise: „Immer kommst du zu spät.“ Eine legitime Beschwerde dagegen würde lauten: „Ich hatte Angst, als du heute zu spät gekommen bist. Ich dachte, wir hätten vereinbart, dass du dich dann meldest.“ Anstatt die Wörter ‚immer‘ und ‚nie‘ zu nutzen, spricht man bei einer Beschwerde von einem konkreten Fall und in „Ich“-Botschaften. - Der zweite Reiter: Verachtung
Wer respektlos mit seinem Partner umgeht, sich sarkastisch und zynisch über den anderen äußert, sorgt dafür, dass dieser sich ungeliebt und unwichtig fühlt. Verachtung geht weit über die Kritik hinaus, indem man damit eine moralische Überlegenheit gegenüber dem Partner einnimmt und ihn lächerlich macht. Laut Gottman handelt es sich bei diesem Reiter um den gefährlichsten – er sei der größte Indikator für eine Scheidung. - Der dritte Reiter: Abwehr
Statt auf Probleme einzugehen und Lösungen zu suchen, wehren sich Partner gegen Kritik und Feedback und rechtfertigen sich. Unsere Ausreden zeigen unserem Partner aber lediglich, dass wir seine Bedenken nicht ernst nehmen und keine Verantwortung für unsere Fehler übernehmen wollen. Wenn einer oder beide Partner sich so defensiv verhalten, können Konflikte ungelöst bleiben. - Der vierte Reiter: Mauern
Mauern – Gottman nennt es auf Englisch „Stonewalling“ – tritt auf, wenn sich ein Partner emotional oder physisch aus einer Interaktion zurückzieht. Anstatt sich gemeinsam mit dem Partner, den Problemen zu stellen, blocken ‚Steinmaurer‘ alle Kommunikationsversuche ab. Das kann das Gefühl der Verbundenheit in einer Beziehung stark beeinträchtigen. Zudem könne sich der Partner durch das eigene Abschotten alleingelassen fühlen.
Ehe am Ende? Das sagt Paartherapeutin zur Theorie
Gottmans vier apokalyptischen Reiter sind mittlerweile auch in der Paartherapie eine gängige Methode, Probleme zu analysieren. „Ich beobachte immer wieder, dass Paare in einen oder mehrere apokalyptischen Reiter hineinrutschen“, sagt Anna Wilitzki, Paartherapeutin und Psychologin mit eigener Praxis in Berlin.
Die Reiter könnten sich auch gegenseitig bedingen: Vielleicht mauere der eine, weil er die ganze Zeit nur Kritik gehört hat. Wilitzki betont: „Ich denke, dass alle Paare mehr oder weniger mindestens einen dieser Reiter in ihrer Beziehung haben. Entweder ist es die Kritik oder das Mauern oder sogar beides.“ Die gute Nachricht: Das bedeutet in Reiters Augen noch längst nicht das Ende der Ehe oder der Beziehung. „Wer den Gründen auf die Spur kommt und als Paar darüber spricht, kann auch die Reiter wieder abbauen“, erklärt die Psychologin.
Es komme darauf an, ob das Paar die Bereitschaft hat, die Reiter zu besiegen und zu schauen, was die eigentlichen Ursachen für die Reiter in der Beziehung sind. Die Expertin nennt ein Beispiel: „Warum kritisiere ich denn die ganze Zeit? Warum ziehe ich mich auf einmal emotional zurück und lasse die andere Person im Regen stehen?“ Es könne zum Beispiel sein, dass mir die ständige Kritik meines Partners Angst macht, nicht gut genug zu sein und dass ich deswegen Mauern aufbaue.
„Wichtig ist“, so Wilitzki, „dass eigentlich hinter allen vier Reitern bestimmte Emotionen und Verletzlichkeit verborgen liegen.“ Das Verhalten in Form eines Reiters sei quasi nur die Spitze des Eisbergs. „Wenn beispielsweise eine Person Kritik daran äußert, dass der Partner nie im Alltag hilft, steckt dahinter vielleicht die Angst, bei der Belastung bald nicht mehr zu können. Die Person, die die Kritik abbekommt, hört aber nichts von den Ängsten und der Erschöpfung, die zugrunde liegen.“
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Reiter Verachtung: Darum ist er besonders gefährlich
Verachtung ist für Gottman der gefährlichste der vier Reiter. Das beobachtet auch die Therapeutin in ihrer Praxis. Beispielsweise erlebe sie Paare, die anfangen, die Stimme der anderen Person nachzuäffen. „Das ist schon etwas sehr Verletzendes“, erläutert die Psychologin. Werden Paare verachtend, sei es nicht einfach, die dahinterliegenden Gründe zu erkennen.
Da man erst einmal einsehen müsse, dass man sich seinem Partner gegenüber abwertend verhält, sei es auch deshalb besonders schwer, aus dem ‚Verachtungs-Reiter‘ herauszukommen. „Das Paar muss Empathie füreinander entwickeln und sollte darüber nachdenken: Wie fühlt sich die Person, wenn ich so verachtend bin? Dann gilt es, sich dafür zu entschuldigen.“ Es sei ratsam, positive Erlebnisse in der Beziehung zu verstärken, damit die Verachtung immer kleiner und weniger spürbar werde.
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