Berlin. Ist Kernfusion die Zukunft der Energiegewinnung? Ein Weltrekord bringt überraschende Ergebnisse, die allerdings nicht nur positiv sind.
In Zeiten der Energiekrise kommt eine gute Nachricht aus Großbritannien: Die europäische Kernfusionsanlage mit dem Namen Joint European Torus (Jet) hat dort einen neuen Weltrekord aufgestellt. 0,2 Milligramm Brennstoff seien aus 69 Megajoule Energie gewonnen worden, teilte das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) am Donnerstag mit. Was technisch klingt, lässt sich aber praktisch verdeutlichen. Denn für „die gleiche Energiemenge hätte es zwei Kilogramm Braunkohle – also rund zehn Millionen Mal so viel“ – gebraucht, schreibt das IPP, das an dem Projekt beteiligt ist.
Ein Rekordwert, denn noch nie sei eine so große Energiemenge bei einem Fusionsexperiment erreicht worden. Die Nachricht scheint positiv. Ein bitterer Beigeschmack bleibt jedoch: Denn auch am Ende dieses Experimentes hätte keine positive Energiebilanz gestanden. Letztlich sei dreimal mehr Energie hineingesteckt worden als herausgekommen sei, sagte Athina Kappatou vom IPP.
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Kernfusion: Ein komplexes Verfahren zur Energiegewinnung
Die Energiegewinnung durch Kernfusion ist ein komplexes Verfahren: Unterschiedlich schwere Wasserstoffatome, sogenannte Wasserstoffisotope, werden im Jet zu einem sehr heißen Plasma verschmolzen. Darin sind die Bestandteile der Atome, die positiv geladenen Kerne und die negativ geladenen Elektronen, voneinander getrennt. Aufgrund der Ladungen kann das Plasma durch ein sehr starkes Magnetfeld in einem ringförmigen Reaktor in der Schwebe gehalten werden. Das ist wichtig, damit es nicht in Kontakt mit den Gefäßwänden kommt und abkühlt. Im Zentrum des Plasmas können rund 150 Millionen Grad herrschen.
Normalerweise würden sich, wie bei einem Magneten, die positiv geladenen Atomkerne abstoßen. Durch die hohen Temperaturen können sie jedoch verschmelzen. Bei der Fusion werden dann neutrale Teilchen frei, die viel Energie enthalten. Damit soll bei einem Fusionskraftwerk Wasser erhitzt werden, sodass dessen Dampf eine Turbine antreiben kann. Ein Vorgang bei der Stromproduktion, wie er auch bei vielen anderen Kraftwerken passiert.
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Eine positive Energiebilanz nur bei größeren Anlagen möglich
An der Fusionsanlage Jet sind neben Deutschland und Großbritannien zahlreiche weitere europäische Länder beteiligt. Damit sollen grundlegende Erkenntnisse zum Bau von Fusionskraftwerken gewonnen werden. Denn in der Zukunft sollen sie weitaus mehr Energie liefern können als in den Experimenten. Der Prozess sei nicht so gefährlich wie die Energiegewinnung durch Atomkraftwerke, in denen Atome gespalten werden. Im Falle einer Störung in Fusionsanlagen würde die Temperatur fallen und daraufhin die Reaktion abbrechen.
„Tatsächlich ist ein ‚Energiegewinn‘ physikalisch mit Jet und allen anderen derzeitigen Magnetfusionsexperimenten weltweit nicht möglich“, schreibt das IPP. „Denn für eine positive Energiebilanz müssen diese Fusionsanlagen eine bestimmte Größe überschreiten.“ Dies sei erst bei der im Bau befindlichen Anlage Iter (International Thermonuclear Experimental Reactor) in Südfrankreich der Fall. Dabei machen unter anderem China, die EU,Russland und die USA mit.
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Weltrekord des Jet war nicht geplant
Der Weltrekord am Jet gelang bereits am 3. Oktober 2023. Damit hat Jet seinen 2021 aufgestellten Rekord von 59 Megajoule übertroffen. Der aktuelle Rekord sei ein Nebenprodukt und nicht geplant gewesen, erläuterte Kappatou. Es sei eher darum gegangen, verschiedene Fragen zu beantworten, die für Iter wichtig seien.
Das Rekord-Experiment war nach IPP-Angaben eines der letzten bei Jet. Nach vier Jahrzehnten sei der Betrieb Ende 2023 beendet worden. „Die Arbeit für die Forscher geht aber weiter“, sagte Kappatou. Die Fülle der bei Jet gesammelten Daten werde sie noch jahrelang beschäftigen. Zudem werde nun etwa noch untersucht, wie das Plasma mit dem Material der Innenwand reagiert hat.
Auch Iter wird eine Forschungsanlage werden. Für die aktuellen Energieprobleme ist die Kernfusion laut Kappatou noch lange keine Lösung. „Wir wissen jedoch, was die Hürden sind. Sie können gelöst werden. Fusion ist kein unlösbares Problem“, meinte sie.
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