Berlin. Die Silvesterparty steht an, die Tage davor und danach hocken Paare viel aufeinander. Wie vermeidet man Streit? Expertinnen antworten.

Das alte Jahr verabschieden, das neue begrüßen – und das möglichst mit festlicher Stimmung und viel Konfetti? Jede und jeder hat andere Vorstellungen von einem gelungenen Silvester. Wo sich wahrscheinlich aber viele einig sein dürften: Keiner will sich am 31. Dezember mit seinem Partner oder seiner Partnerin streiten müssen.

Was aber, wenn es doch dazu kommt? Welche Gründe es dafür geben kann und wie man Drama an Silvester vorbeugt, erklären zwei Paartherapeutinnen und geben nützliche Tipps.

Warum streiten sich Paare an Silvester?

Zu Silvester gibt es – so wie auch an Weihnachten – eine Menge Bräuche und Traditionen. Manche schwören auf Wunderkerzen, andere graben so lange im Keller, bis sie das Raclette-Gerät gefunden haben. Das weiß auch Paar- und Beziehungstherapeutin Nele Sehrt: „Wir haben alle bestimmte Vorstellungen davon, wie wir uns Silvester vorstellen.“

Paartherapeutin Nele Sehrt hat in ihrer eigenen Praxis in Hamburg oft mit Konflikten zwischen Paaren zu tun.
Paartherapeutin Nele Sehrt hat in ihrer eigenen Praxis in Hamburg oft mit Konflikten zwischen Paaren zu tun. © Ayhan Bildik

Häufig seien die Erwartungen an den Wechsel in das neue Jahr jedoch sehr hoch. Eine potenzielle Erklärung: „Möglicherweise sind wir einfach zu viele Filme gewohnt, wo Weihnachten und Silvester romantisch und konfliktfrei dargestellt werden“, meint Sehrt.

Wenn es dann zu Reibereien aufgrund unterschiedlicher Erwartungen kommt, müssen dahinter aber nicht immer neue Streitpunkte stecken: „Ich glaube nicht, dass die Feiertage etwas sind, wo ganz viel Neues passiert, sondern eher etwas, wo die Probleme sichtbarer werden und eher eskalieren können“, so die Expertin. Der Grund: Man habe weniger Rückzugsmöglichkeiten.

Lässt man den Stress häufiger am Partner oder an der Partnerin aus?

Paartherapeutin Sharon Brehm aus München erklärt: „Wir haben andere Erwartungen an unseren Herzensmenschen. Wenn mein Partner mich nervt, stört mich das meistens stärker, als wenn es jemand macht, der mir nicht so wichtig ist.“

Über die Feiertage verbringen Paare und Familien viel Zeit miteinander. Da kann es durchaus vorkommen, dass man seinen Stress bei seinen Liebsten ablädt. Für die Expertin ist das nachvollziehbar: „Wir wollen in einer Beziehung keine Maske tragen und uns fallen lassen“, so Brehm. „Dann kann es eben auch sein, dass man dem Partner zeigen will: ‚Mich stressen manche Sachen.‘“

Um Stress zu minimieren, empfiehlt Nele Sehrt: „Im Idealfall ist es so, dass ich mir schon im Voraus Möglichkeiten für die Feiertage schaffe, Zeit für mich zu haben und aus der gemeinschaftlichen Situation rauszugehen.“

Vorsätze und Wünsche für die Beziehung: Sollte man sie äußern?

Zu den Silvester-Ritualen gehört häufig auch, sich Vorsätze für das neue Jahr zu überlegen. „Prinzipiell gehören solche Gespräche ja zu einer Beziehung dazu“, erläutert Sharon Brehm. Allerdings passiere an Silvester oft viel und Paare sind nicht immer für sich. „Weil es ein sehr wuseliger Tag sein kann, ist das eventuell nicht die ideale Atmosphäre, um sich die Zeit für ein solches Gespräch zu nehmen,“ sagt die Expertin.

Paartherapeutin Sharon Brehm aus München rät an Silvester zu einem Jahresrückblick.
Paartherapeutin Sharon Brehm aus München rät an Silvester zu einem Jahresrückblick. © Jasmin Breidenbach

Wer als Paar hingegen die Zeit dafür habe, für den könne ein Feedback-Gespräch auch etwas ganz Produktives sein. Die Paartherapeutin rät, „einen Jahresrückblick zu wagen und die Erfolge und die Dinge, die schön gelaufen sind, gemeinsam zu teilen“. Das könne total schön sein. Vorsätze hingegen sollten nichts sein, was mit Druck passiert, sagt sie. Zum Beispiel könne ein Paar sich auch eher etwas Positives vornehmen, wie einen Urlaub oder Ausflug.

Silvester-Abend – wie gelingt er?

Nele Sehrt zufolge sei es wichtig, die unterschiedlichen Positionen zum Fest zu kommunizieren. Wenn man sich an Silvester streitet, dann könne es durchaus sein, dass das manchen Menschen sehr nahe geht, wenn sie viel Wert auf das Ritual vom Übergang ins neue Jahr legen.

„Manchen Menschen bedeutet Silvester gar nichts, anderen viel“, sagt die Expertin. Sprich: Wenn einer einfach nur ins Bett möchte, kann das natürlich auch vollkommen in Ordnung sein.

Um Zoff zu vermeiden, rät Nele Sehrt: „Es hilft, alle Fragen und Erwartungen im Voraus zu äußern und abzugleichen, was wem wie wichtig ist.“ Wenn man mehrere Einladungen zu Silvesterfeiern hat, so Sehrt, dann sollte man als Paar auch darüber nachdenken: „Wenn es einer Person auf der Party nicht gefällt, zieht sie dann alleine weiter oder gehen wir zusammen?“ So vermeide man einen weiteren Konflikt.

Silvester: Muss ein Paar immer zusammen feiern, um glücklich zu sein?

Nein, das Jahr kann man auch getrennt begrüßen. „Wenn einem das selbst nicht so wichtig ist oder der Partner das gut begründet, kann das total okay sein“, sagt Therapeutin Sehrt. Es gehe ja generell darum, Interesse am Partner zu haben und zu fragen, was er oder sie für Pläne hat.

Diese Einschätzung teilt auch Paartherapeutin Sharon Brehm: „Was es braucht, ist eine Erklärung, warum man nicht zusammen feiern will. Das sollte keine Rechtfertigung sein, aber eine Begründung, warum man so fühlt.“ Und trotzdem müsse man sich darauf einstellen, dass die andere Person eine emotionale Reaktion darauf hat und enttäuscht oder traurig sein wird. „Das ist normal und bedeutet nicht, dass man etwas Falsches tut“, betont Brehm.

Ein offenes Gespräch kann helfen, Konflikte aus dem Weg zu räumen.
Ein offenes Gespräch kann helfen, Konflikte aus dem Weg zu räumen. © Shutterstock / Just Life | Just Life

Streit – wie damit umgehen, wenn es trotzdem zum Konflikt kommt?

Nele Sehrt sagt: „Manche Probleme lassen sich natürlich auch nicht im Voraus lösen, man kann ja andere Menschen nicht kontrollieren.“ Wenn die Erwartungen an Silvester nicht erfüllt werden, dürfe man natürlich enttäuscht sein, sagt die Therapeutin. „Die Frage ist ja, was ich daraus mache. Werfe ich es jemandem vor, grübele ich alleine nach Lösungsmöglichkeiten oder spreche ich es so an, dass mein Partner mir auch zuhören und folgen kann?“

Außerdem tue es gut, eine realistische Vorstellung von den Feiertagen zu haben. „Der Partner darf genervt sein und das darf man respektieren“, bekräftigt Sehrt.

Ein Fehler in der Kommunikation ist es laut Therapeutin Brehm, der Partnerin oder dem Partner dabei zu wenig Handlungsspielraum einzuräumen und zu sagen: „Ich habe das so entschieden und du kannst nichts daran ändern.“ Das könne zum Streitpunkt werden. „Ich würde daher immer mit mehr Offenheit und eher mit einem Wunsch und Kompromissvorschlag reingehen.“