Berlin. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass Paare den Jahreswechsel gemeinsam feiern. Ein Experte zeigt: Es geht auch anders.

Es gibt Dinge, die macht man als Paar: Sonntagabend zusammen vor dem Fernseher sitzen, gemeinsam in den Urlaub fahren und – ganz wichtig – Silvester zusammen verbringen. Umgekehrt gilt: Wer Silvester nicht mit dem oder der Liebsten verbringt, ist entweder noch kein Paar oder die Beziehung kriselt. Stimmt diese Annahme? Ein Paartherapeut klärt auf.

Getrennt Silvester feiern: Was sagt das über die Beziehung aus?

Wer als Paar Silvester nicht gemeinsam feiert, muss sich rechtfertigen – nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst. Denn der allgemeine Tenor lautet: Wer als Paar nicht gemeinsam ins neue Jahr rutscht, steht mehr oder weniger kurz vor der Trennung. Dabei sagt das getrennte Feiern nicht unbedingt etwas über die Beziehung aus, sagt Eric Hegmann, Paartherapeut und Mitbegründer der Modern Love School. „Manche Paare erleben das getrennte Fest vielleicht gerade als Beweis für gegenseitiges Vertrauen, das Gewähren von Freiräumen und als besondere Stärke ihrer Partnerschaft“, sagt der Paartherapeut. Zudem könne nicht jedes Paar gemeinsam feiern, etwa aus beruflichen oder familiären Gründen. Deshalb meint Hegmann: „Nur die Partner selbst können aus der Entscheidung, allein zu feiern, Rückschlüsse auf ihre Beziehungszufriedenheit ziehen“.

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Warum wird in der Gesellschaft erwartet, dass Paare Silvester zusammen feiern?

So groß die Erwartungen an Silvester sind, so groß sind auch die Erwartungen an einen romantischen Jahresausklang mit dem Partner. Das liegt Hegmann zufolge vor allem an der idealisierten Darstellung des Silvesterabends in den Medien. „Filme, Serien und Instagram-Posts zu Silvester lenken die Aufmerksamkeit vor allem auf sich selbst und den damit verbundenen Kommerz“, meint der Paartherapeut.

Zudem sei der Jahreswechsel für viele Menschen eine Zeit des Rückblicks auf Vergangenes und des optimistischen Blicks in die Zukunft. „Da ist es naheliegend, dass das gemeinsame Feiern von Silvester als eine Art Sicherheit für die Pläne als Paar gesehen wird“, sagt Hegmann. „Der Kuss um Mitternacht ist eben auch ein Versprechen für die Verbindung im neuen Jahr, vielleicht sogar eine Entschuldigung für Momente, in denen die Liebe unsicher oder unterbrochen war.“

Allein ins neue Jahr: Warum manche Paare den Jahreswechsel lieber einzeln verbringen

Für die einen ist Silvester einer der wichtigsten Tage des Jahres, für die anderen ist es ein Tag wie jeder andere – mit dem Unterschied, dass um Mitternacht Raketen in den Himmel steigen, sich Menschen um den Hals fallen und ein gutes neues Jahr wünschen. „Unterschiedliche Vorstellungen von der Bedeutung des Jahreswechsels sind zunächst einmal gleichberechtigt“, sagt der Paartherapeut Eric Hegmann. Schließlich folgt jeder Mensch in seinen Entscheidungen einer Logik, die nicht immer leicht nachzuvollziehen ist, die es aber grundsätzlich zu respektieren gilt.

Wenn die Vorstellungen von Silvester stark auseinandergehen, sollte darüber verhandelt werden, rät Hegmann. Sonst entsteht schnell ein Ungleichgewicht der Bedürfnisse, das in Frustration enden kann. Schlimm ist es zum Beispiel für diejenigen, die Neujahr mit dem Partner verbringen wollen, es aber nicht können. „Da entsteht schnell ein Gefühl der Einsamkeit in der Beziehung, das sehr schmerzhaft sein kann“, sagt Hegmann.

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Partner möchte Silvester alleine feiern: Was tun?

Für viele Paare ist die Frage „Silvester zusammen oder allein“ die entscheidende Beziehungsfrage. Gerade bei frisch Verliebten sorgt sie für Unsicherheit. Dennoch rät Hegmann, den anderen Partner nicht zu einer gemeinsamen Silvesterfeier zu drängen. Denn das sei genauso egoistisch wie das Bedürfnis, allein feiern zu wollen. Stattdessen, so der Paartherapeut, sollte man sich fragen: „Können sechs Stunden Silvesterfeier die Beziehung definieren? Ist Silvester wirklich wichtiger als die anderen 364 Tage des Jahres?“

Die Möglichkeit, das Jahresende mit anderen geliebten Menschen zu feiern, ist nicht ausgeschlossen. Eine neue Tradition könnte sein, sich am Silvesterabend die beiden besten Freunde aus der Schulzeit zu schnappen und einen Abend nur unter Freunden zu verbringen. Aber auch ein Ausflug mit Geschwistern, Bekannten und Eltern könnte den Abend zu etwas Besonderem machen.

Jedes Paar kann auf eigene Weise seine eigenen Rituale schaffen. „Wir sind heute in der wunderbaren Situation, unsere Beziehungen individuell aushandeln zu können.“ So müssen Paare sich nicht den Erwartungen von außen unterwerfen und Rituale zelebrieren, die ihnen persönlich vielleicht gar nichts bedeuten, so Hegmann.

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