Berlin. Wer in einer toxischen Beziehung steckt, leidet in der Regel darunter. Welche Anzeichen darauf hindeuten und was sie tun können.

Liebe ist, wissenschaftlich und ganz unromantisch ausgedrückt, ein Gefühlszustand der Zuneigung. Wenn diese Zuneigung von Abwertung, Streit und Schmerz überschattet wird, ist die Liebe höchstwahrscheinlich toxisch. Lesen Sie hier: Körperliche & psychische Symptome einer toxischen Beziehung

Woran erkennt man eine toxische Beziehung, wie unterscheidet sie sich von einer gesunden Partnerschaft? Und wie trennt man sich von einem toxischen Partner? Alle Antworten zum Thema toxische Beziehungen finden Sie hier.

Toxische Beziehungen können zu emotionaler Abhängigkeit führen. Die Betroffenen entwickeln eine so genannte
Toxische Beziehungen können zu emotionaler Abhängigkeit führen. Die Betroffenen entwickeln eine so genannte "traumatische Bindung" und sind abhängig vom emotionalen Geben und Nehmen des Partners. © Neue Visionen

Was ist eine toxische Beziehung?

Das Oxford Dictionary hat "toxisch" zum Wort des Jahres 2018 gewählt. Der Begriff findet im Alltag immer mehr Verwendung und wird online mittlerweile 45 Prozent häufiger gesucht als in den Jahren zuvor, schreibt das Wissenschaftsmagazin "Spektrum für Wissenschaft". Auch in Bezug auf Partnerschaften wird das Wort toxisch immer häufiger verwendet. Denn auch Beziehungen können schleichend toxisch, also giftig und belastend werden.

Unter dem Begriff "toxische Beziehung" verstehen Paartherapeuten und Beziehungsexperten "dysfunktionale Partnerschaften", die von subtilen bis extremen Formen der Gewalt geprägt sind. Diese reichen von emotionalem Missbrauch und Manipulation bis hin zu körperlicher Gewalt und Misshandlung. Zu beachten ist, dass der Begriff "toxische Beziehungen" ein unwissenschaftlicher Begriff ist, der nicht eindeutig definiert ist.

Wie erkennt man eine toxische Beziehung?

Eine toxische Beziehung, wie oben beschrieben, hat viele Erscheinungsformen. Nicht alle verlaufen gleich, auch wenn viele Symptome ähnlich sind. Meist gibt es in toxischen Beziehungen einen sehr bindungsorientierten Partner, der sich viel Nähe wünscht und klammert, erklärt der Hamburger Paartherapeut und Parship-Experte Eric Hegmann.

Auf der anderen Seite steht ein eher bindungsängstlicher Partner, der sich immer wieder zurückzieht und die Beziehung lieber mit mehr Distanz führt. Beide verstärken immer wieder ihre gegenseitigen Verhaltensmuster.

Das ständige Ungleichgewicht zwischen Geben und Nehmen oder Nähe und Distanz führt zu Streit und Dauerstress, der sich auf die psychische Gesundheit und langfristig auch auf das körperliche Wohlbefinden beider Partner auswirken kann, erklärt der Paartherapeut.

Was sind die körperlichen und emotionalen Symptome einer toxischen Beziehung?

Der Körper kann als Spiegel dessen dienen, was das Unterbewusstsein bereits wahrgenommen hat, der Verstand jedoch nicht. Dies gilt auch für toxische Beziehungen, die sich bei den Betroffenen sowohl emotional als auch körperlich bemerkbar machen können:

Müdigkeit und Erschöpfung

Ein häufiges Symptom einer ungesunden Beziehung ist das Gefühl, ständig müde und ausgelaugt zu sein. So gaben 86 Prozent der Befragten einer Parship-Studie aus dem Jahr 2021 an, dass die toxische Beziehung ihnen Energie raubt.

"Hilflosigkeit, Trauer, Scham oder Angst vor dem Alleinsein können die Antriebslosigkeit verstärken oder sogar depressive Episoden auslösen", sagt Hegmann. Solche belastenden Gefühle können dem Experten zufolge auch körperliche Symptome wie Schlaflosigkeit, Essstörungen, aber auch somatische Beschwerden auslösen.

Autoimmunkrankheiten

Eine toxische Umgebung kann mit der Zeit auch zu Autoimmunproblemen wie Entzündungen, Gliederschmerzen und Hautreaktionen führen. Die amerikanische Therapeutin Shannon Thomas sagte der Zeitschrift "Insider", dass 95 Prozent der Patienten, die wegen dieser Probleme zu Ihre Praxis gehen, völlig gesund seien.

Es ist die toxische Umgebung, die ständige Alarmbereitschaft, um keinen Streit zu provozieren, die zu diesen körperlichen Beschwerden führt.

Dauerhafter Stress

Toxische Beziehungen können auf verschiedene Weise Stress auslösen. Zum einen kann es sein, dass der Partner ständig kritisiert oder abwertet und damit den anderen in der Beziehung klein macht, erklärt Hegmann unter Berufung auf die Parship-Studie.

Zum anderen könne es sein, dass der Partner sich ständig beschwert oder übertriebene Ansprüche stellt. Auch mangelnde Kommunikation und Einfühlungsvermögen können zu Stress führen.

Was unterscheidet eine toxische von einer gesunden Beziehung?

In jeder Beziehung gibt es eine Dynamik von Nähe und Distanz, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. In guten Beziehungen können die Partner darüber sprechen und Lösungen finden. Das emotionale Drama und der tiefe Schmerz bleiben aus, weil eine regelmäßige Kommunikation auf Augenhöhe stattfindet.

In toxischen Beziehungen ist das Gesprächsklima vergiftet und oft von sprachlicher Gewalt und Hass geprägt.

Weitere Anzeichen für eine toxische Beziehung sind:

  • Sie selbst und die Dinge, die Sie tun, sind nie gut genug
  • Sie warten vergeblich auf eine Entschuldigung, weil Ihr Partner Fehler nicht eingesteht oder verdreht
  • Sie schwanken emotional oft zwischen absolutem Vertrauen und tiefem Entsetzen
  • Ihr Partner oder Ihre Partnerin isoliert Sie zunehmend von Ihrer Familie und Ihren Freunden
  • Sie beginnen an sich und Ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln

Was sind die Ursachen für eine toxische Beziehung?

Alle Beziehungen beginnen mit einer symbiotischen Phase, in der Verbundenheit und Nähe gelebt werden, erklärt der Paartherapeut Eric Hegmann. Aus dieser intensiven Zeit kommen die meisten Paare aber nach einigen Wochen wieder heraus, der Alltag kehrt ein und sie differenzieren und entwickeln sich weiter.

"Bei einer toxischen Beziehung kommt das Paar oder eine Person aus dieser vorübergehenden Phase der Abgrenzung nicht mehr heraus", sagt Hegmann. Es entwickelt sich eine toxische Abhängigkeit, in der die eigenen Bedürfnisse denen des Partners untergeordnet werden. Dieses Verhalten ist oft auf ein geringes Selbstwertgefühl zurückzuführen.

Wer ist besonders anfällig für toxische Beziehungen?

Besonders anfällig für toxische Beziehungen sind laut dem Paartherapeuten Eric Hegmann Menschen, die in ihrer Kindheit emotionalen Mangel erfahren haben und deshalb nur ein geringes Selbstwertgefühl entwickeln konnten.

"Wenn sie nun auf Partner mit einem vermeidenden Bindungsverhalten treffen, das von Autonomie und Explorationswünschen geprägt ist, erleben sie deren Rückzug oder Wunsch nach Freiraum als Zurückweisung", erklärt Hegmann.

Auch Menschen, die sich vielleicht gerade in einer Krise befinden, sich einsam fühlen oder einfach Angst vor dem Alleinsein haben, können dazu neigen, sich aufzuopfern, weil sie von ihrem toxischen Partner abhängig sind.

Psychologen nennen dieses Abhängigkeitsverhalten auch "traumatische Bindung". Dabei schickt der Täter seinen Partner auf eine Achterbahnfahrt zwischen Bestrafung und zeitweise starker Zuneigung, wenn er sich "benimmt". Im Körper entsteht dabei ein ganz eigenes Chaos zwischen einem hohen Spiegel an Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol und dem Glückshormon Dopamin, wenn der Betroffene mit Zuneigung belohnt wird.

Kann man eine toxische Beziehung retten oder kann sie wieder "normal" werden?

Eine Veränderung kann nur gelingen, wenn beide Partner an sich und der Beziehung arbeiten wollen und diesen Willen auch in die Tat umsetzen. Dabei kann, so der Paartherapeut Hegmann, eine Vorstellung oder Inspiration helfen, wie eine glückliche Beziehung aussehen könnte und wer die Partner sein oder werden wollen. Ein wichtiger Aspekt der Paartherapie sei es daher, ein solches Ziel entwickeln zu können.

Außerdem sollte man den Begriff "toxische Beziehung" oder "toxischer Partner" vermeiden, da er das Gegenüber abwertet und den Veränderungsprozess behindern kann, rät Hegmann.

Stattdessen sollte man dem Partner auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam eine Veränderung anstreben. Hilfreiche Fragen aus der Paartherapie lauten: Was möchten Sie verändern? Warum hat es bisher nicht funktioniert? Was haben Sie schon versucht? Was können Sie noch lernen, um die Veränderung umzusetzen?

Wie beendet man eine toxische Beziehung?

"Wenn ein Partner ein toxisches Verhalten zeigt und nicht bereit ist, sich zu ändern, hilft es nicht, weiter an der Beziehung zu arbeiten und darauf zu hoffen, dass sich der Partner für einen ändert", sagt der Paartherapeut Eric Hegmann. Dann sei eine Trennung der bessere Weg, sonst könne sich die Abhängigkeit noch verstärken, so der Experte.

In Missbrauchsfällen brauchen die Betroffenen oft Unterstützung von außen, um sich trennen zu können. Das bundesweite "Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch" bietet Hilfe und Unterstützung bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – vor Ort, online oder telefonisch.