Berlin. Streit erlebt jedes Paar. Doch wird einer ständig laut, ist das für den anderen schwer zu ertragen. Was ein Beziehungscoach empfiehlt.

Neulich war es wieder so weit: mein Freund und ich redeten wegen einer völlig banalen Situation mal wieder völlig aneinander vorbei. Man sollte zu unserer Verteidigung vermutlich sagen, dass wir beide gerade Feierabend hatten, ziemlich müde und ziemlich hungrig waren. Während mein Freund allmählich immer lauter wurde, weil ich seine herumliegenden Kleidungsstücke ungefragt in die Waschmaschine gestopft hatte, fragte ich mich nur, wie ich mich am schnellsten wieder mit ihm vertragen und der Situation entgehen könnte.

Ich entschied mich rauszugehen, um eine Runde mit meinem Hund zu drehen. „Hör mir jetzt zu“, schrie mein Freund regelrecht, als ich zur Leine meines Hundes griff und bereits auf dem Weg nach draußen war. Sein Blick war kalt, die Stimme bebte und mir war plötzlich zum Heulen zumute. Warum redete mein Freund, die Person, die ich liebe, so mit mir?

Schreien beim Streit: Ein häufiges Problem

„In einem Streit fühlen sich in der Regel beide Partner unverstanden, und in die Enge getrieben“, sagt Beziehungscoach Kathrin Buser aus Berlin. Zu ihr kommen häufig Paare, bei denen es im Streit emotional wird. Schreien ist laut der Expertin dabei ein häufiges Problem.

Autorin Nina Ponath.
Autorin Nina Ponath. © Privat

„Schreien hat eine dominante, aggressive Wirkung. Bei Männern wird es oft patriarchalisch interpretiert und ist deshalb erst mal unschön“, sagt Kathrin Buser. „Die Person, die angeschrien wird, fühlt sich dabei extrem angegriffen. Im Prinzip will die Person, die schreit, aber nur genau dasselbe, wie eine Person, die weint oder dem Konflikt aus dem Weg geht.“

Beziehungscoach: Beide Partner sind im Streit überfordert

Beide Partner seien im Streit überfordert und wollten der Situation mit ihrem Verhalten ein Ende setzen. Dabei spiele es keinerlei Rolle, ob jemand die Stimme erhebe, weine, stampfe oder aus dem Raum hinausgehe – am Ende wählen wir laut Buser im Konflikt einfach nur die Sprache, die uns am nächsten liegt.

„Im Streit besteht immer das Problem, dass wir mit unseren Emotionen in die Emotionen des anderen einsteigen“, sagt Kathrin Buser. Bleiben wir einmal beim Beispiel der Wäsche – ich räume die herumliegenden, benutzten Sport-Shirts meines Partners in den Wäschekorb: Dann kann es sein, dass sich mein Partner an dieser Stelle kritisiert fühlt.

Wenn der Streit immer gleich laut wird: Schreien ist laut Expertin auch nur eine Art, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen.
Wenn der Streit immer gleich laut wird: Schreien ist laut Expertin auch nur eine Art, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen. © Shutterstock/Jelena Zelen | Jelena Zelen

Schreien im Streit: Ein vermeintlicher Vorwurf kann genügen

Das mag für mich als Person, die sich vieler ihrer Mängel bewusst ist und über die meisten lachen kann, unverständlich sein: es gibt kaum ein Essen, bei dem man an der Tischdecke anschließend nicht gesehen hätte, an welchem Platz ich saß, und für die Anzahl meiner Fahrstunden sowie meine Auto-Fahrkünste im Allgemeinen, bin ich auch heute, 16 Jahre nach meinem Abitur, immer noch bekannt.

Und dennoch glücklich. Ich kann gut damit leben, dass meine Kleidung regelmäßig in die Reinigung muss und niemand freiwillig mit mir in ein Auto steigt. Jeder Mensch ist jedoch unterschiedlich und reagiert auf unterschiedliche Dinge emotional.

Bei meinem Freund kann ein vermeintlicher Vorwurf ein Auslöser sein, verletzt und wütend zu werden, in meinem Fall mag es die laut erhobene Stimme meines Partners sein, die mich emotional werden lässt – und schon haben wir zwei den perfekten Streit. Muss dieser so lautstark enden?

Schreiender Partner sucht Ausweg aus dem Konflikt

„Auch derjenige, der schreit, ist überfordert“, sagt Kathrin Buser. Wenn man sich das bewusst vor Augen führt, hilft es dabei, dem Partner wohlwollend gegenüberzutreten und ihm auch im Streit das Bestmögliche zu unterstellen. Soll heißen: Weil mein Partner die Stimme erhebt, heißt das nicht, dass er mir etwas Böses will. Vermutlich ist er genauso verzweifelt wie ich an einer Lösung des Konflikts interessiert.

Das heißt natürlich nicht, dass man sich anschreien lassen muss. Denn Schreien kann in einer Beziehung auch ein Mittel der Kontrolle und der emotionalen Gewalt sein. „Viele Frauen werden so lange gedemütigt, dass sie psychisch kaum noch in der Lage sind, ‘Das reicht mir jetzt!’ zu sagen,“ sagt Elisabeth Oberthür, Pressesprecherin der Frauenhauskoordinierung. Umso wichtiger sei es, schon frühzeitig zu erkennen, wann ihre persönlichen Grenzen missachtet werden.

Was hilft beim lauten Streit? Expertin rät zu Trick

Das sind extreme Fälle. Doch auch mir geht ein lauter Streit sehr nah. Dann könne es helfen, den Partner darauf hinzuweisen und eine zweiminütige Streitpause einzulegen, sagt Buser. „Nehmt die Emotionen raus, es geht nicht um dich, sondern um die Sache an sich“, rät sie mir. Für Paare, die allein keinen Konsens in ihrem Streit finden, kann ein Coaching dabei helfen, Konflikte laut, oder auch weniger laut, zu Ende zu diskutieren.

Am Ende, so Buser, wollen beide Partner, ob sie nun schreien oder nicht, verstanden werden. Deswegen sei es wichtig, immer eine vollständige Kommunikation zu führen. Konflikte, die ungelöst bleiben, belasten die Beziehung sonst weiter und werden im schlimmsten Fall immer neu herausgeholt.