Berlin. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ist bei Caren Miosga zu Gast. Kurz nach dem Gespräch mit ihm kommt es im Studio zu einem Zwischenfall.

Ein Zwischenfall überschattete die gestrige Ausgabe von „Caren Miosga“. Kurz nach einem Gespräch der Moderatorin mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (49/CDU) ertönten aus den hinteren Reihen des Studiopublikums plötzlich Rufe, die zunächst schwer zu verstehen waren. Offensichtlich standen die Proteste im Zusammenhang mit dem Tod zweier kurdischer Journalistinnen.

Es wurden Tücher mit den Konterfeis zweier Frauen hochgehalten, die die Namen von Gulistan Tara und Hero Bahadin trugen. Dabei handelt es sich nach früheren Angaben der Internationalen Journalisten-Föderation IFJ um zwei kurdische Journalistinnen, die am 23. August bei einem mutmaßlich türkischen Drohnenangriff im nordirakischen Kurdengebiet ums Leben gekommen waren, zusammen mit sechs weiteren Menschen.

Caren Miosga: Demonstrierende rollen Transparente aus

Das Schweigen der deutschen Medienlandschaft müsse gebrochen werden, rief eine Aktivistin. Miosga bat die rufenden Frauen, ihr Anliegen zu formulieren oder das Studio zu verlassen. Ein Sprecher der Sendung erläuterte auf Anfrage der dpa nach der Sendung, dass zwei Zuschauerinnen protestiert hätten. „Es handelte sich um ausrollbare Stofftransparente, die bei der sorgfältigen Einlasskontrolle nicht festzustellen waren.“ Die Frauen seien durch Sicherheitspersonal aus dem Studio gebeten worden und dieser Aufforderung freiwillig nachgekommen. Ein Redaktionsmitglied habe noch während der laufenden Sendung ein Gespräch mit den Protestierenden geführt.

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Zurück zum Inhalt der Sendung: Weniger Angst und mehr Ruhe. Das forderte taz-Journalistin Gilda Sahebi mit Blick auf die aufgeheizte Migrationsdebatte. Aktuell würden Politiker*innen und Medien den Eindruck verbreiten, „ganz viele Menschen stehen vor den Toren Deutschlands“ und dies sei die letzte Chance, etwas zu tun. Aber: „Das ist nicht wahr“, warnte Sahebi. Migrationsdebatten werden bereits seit den 1980er-Jahren geführt, erklärte die Journalistin, und jedes Mal sei die Situation angeblich so schlimm gewesen wie noch nie. „Was erzählt man. Und wie.“ Darum gehe es aktuell, betonte Sahebi. 

Caren Miosga: Schroffe Wüst-Reaktion auf AfD

Man müsse mit „Besonnenheit und konstruktiven Debatten“ über die aktuelle Situation informieren, stimmte ihr auch Hendrik Wüst zu. Allerdings glaube er nicht, dass nur die Art und Weise, wie über Migration diskutiert wird, das Problem sei. „Es haben auch einfach Menschen Sorge, weil die Situation so ist, wie sie ist“, argumentierte der Politiker. Das könne man nicht beschönigen oder totschweigen. Auf die Kritik der Journalistin, die CDU würde sich nur allzu willig auf die Rhetorik der AfD einlassen und Migrant*innen für zahlreiche Probleme verantwortlich machen, um sich selbst aus der Verantwortung zu ziehen, reagierte Wüst empört. „Wir kommen überhaupt nicht mit der AfD zusammen“, erwiderte er schroff, bevor er offen zugab, dass das deutsche „Schulsystem auch davor nicht auf Rosen gebettet“ war. Allerdings würde sich die Lage an den Schulen durch mehr geflüchtete Kinder natürlich weiter zuspitzen. „Dann kann man das nicht einfach wegwischen“, betonte der Ministerpräsident, fügte allerdings gleich hinzu. „Aber die Kinder sind jetzt da, und wir müssen uns um diese Kinder kümmern. Das sind alles unsere Kinder.“ 

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Auf den abgebrochenen Asyl-Gipfel zwischen CDU/CSU und Ampel angesprochen, verteidigte Wüst das Beharren der Unionsvertreter auf ihre Forderungen. „Wenn wir jetzt als Union gemeinsam mit der Ampel Beschlüsse fassen zum Thema Migration, dann muss das sitzen.“ Irgendein Formelkompromiss, den „die Ampel auch alleine machen kann“, bringe laut Wüst niemanden etwas. Um die „extremen Ränder des Parteienspektrums“ nicht weiter zu stärken, brauche es eine gemeinsame Lösung aus der Mitte.

Caren Miosga: Migrationsforscher bezeichnet Union-Vorschlag als „untauglich“

Die ist in den Augen von Migrationsforscher Gerald Knaus allerdings noch nicht gefunden. Zwar verstehe er die Motivation der Union, doch ihren Vorschlag, Geflüchtete an den deutschen Grenzen abzuweisen, bezeichnete der Migrationsforscher als „untauglich“, da er „immer auf die Kosten der Nachbarn geht“, die man gleichzeitig braucht, um die Zurückweisungen durchzusetzen. Ein komplettes Ende der irregulären Migration sei laut Knaus nur durch radikale Maßnahmen möglich. „Das geht nur dann, wenn man bereit ist, Schengen abzuschaffen (und) einen Zaun zu bauen wie Viktor Orbán“, betonte der Experte. Mahnend fügte er hinzu, dass damit eine „Erfolgsgeschichte europäischer Integration“ zerstört wäre und es wahrscheinlich trotzdem nicht klappen würde. Siehe Balkan. 

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Knaus plädierte in der Sendung erneut für eine andere Lösung, die ebenso umstritten ist. Nämlich die sogenannte Drittstaatenlösung. Sie sieht vor, dass Asylverfahren ab einem festgelegten Stichtag in einem sicheren Drittstaat durchgeführt werden. Das Land bekäme dafür zum Beispiel Unterstützung bei der Bekämpfung von Armut. Als Möglichkeit brachte Knaus am Sonntagabend erneut Ruanda ins Gespräch. 

Allerdings werde auch das auf Dauer nicht die Zahl der Geflüchteten in Deutschland und Europa senken, hielt Sahebi dagegen. Migration finde immer einen Weg. „Der Deutsche Bundestag kann die globalen Migrationsbewegungen nicht kontrollieren.“