Berlin. Am 3. Dezember präsentiert Anne Will die letzte Ausgabe ihrer gleichnamigen Talkshow. Ein Rückblick auf die Höhepunkte der Sendung.
Anne Will ist die meistgesehene Talkshow im deutschsprachigen Raum, 553 Ausgaben in 16 Jahren, über 1300 Gäste – und jetzt ist Schluss. In wenigen Tagen geht die Ära des Polittalks zu Ende. Anne Will wird am 3. Dezember 2023 zum letzten Mal ihre gleichnamige politische Talkshow moderieren. Die besten Momente der Talkshow im Überblick.
- Masalaerklärt den Taurus-Plan: „Pilot in größerer Gefahr“
- Ausbildungstatt Hörsaal: „Ich wusste: Ich packe das nicht“
- Interview: Wissing warnt vor „Zwangsuntersungen“ für Senioren
- Geothermie:Wann lohnt sich das Heizen mit der Energie der Erde?
- Kinderpornos im Klassenchat:Was Eltern jetzt wissen müssen
Anne Wills erste Sendung als Sonntagabendmoderatorin
Am 16. September 2007 moderiert Anne Will den ersten Sonntagabendtalk zu den Themen Arbeitsmarkt, Rente und Mindestlohn. Der Titel der ersten Ausgabe von Anne Will lautet damals „Rendite statt Respekt – Wenn Arbeit ihren Wert verliert“. SPD-Chef Kurt Beck und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sind neben anderen prominenten Gästen zur Premiere eingeladen.
Die Reaktionen auf Wills erste Sendungen sind zunächst gemischt. Auch aus den eigenen Reihen kommt Kritik: Der ARD-Programmbeirat stellt fest, dass sich das Konzept gegenüber dem Vorgängerformat von Sabine Christiansen kaum verändert habe. Positiv wird dagegen hervorgehoben, dass Anne Will hartnäckig nachfragen könne.
Lesen Sie auch:Die Stars der Talkshows – Sie sind am häufigsten zu Gast
Anne Wills Ruf als „hartnäckige“ Fragestellerin
Im Laufe der Jahre profiliert sich Anne Will immer mehr als hartnäckige Fragestellerin, auch in Gesprächen mit den höchsten politischen Repräsentanten des Landes. 2015 spricht Anne Will zum ersten Mal mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Thema der Sendung: die Flüchtlingskrise. Hier wiederholt Merkel nach mehrmaligem Nachfragen Wills ihren berühmt gewordenen Satz „Wir schaffen das“. Der Satz wird nach Wills Sendung zum Symbol der Krise.
Hitziger Disput zwischen Sarah Wagenknecht und Olaf Scholz
Ist Deutschland sozial wirklich so ungerecht, wie SPD und Linke behaupten? Das will Anne Will in einer ihrer Sendungen im August 2017 wissen. Eine Antwort gibt es nicht. Dafür ein Wortgefecht zwischen der damaligen Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und Olaf Scholz (SPD).
Sahra Wagenknecht wirft Scholz in dem Gespräch vor, Deutschland stehe sozial am Abgrund. Daran sei allein die SPD schuld, „und deshalb ist Rot-Rot-Grün eine irreale Träumerei“. Der damalige SPD-Vize und Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz bezeichnet Wagenknecht daraufhin als Verschwörungstheoretikerin und vergleicht sie sogar mit Donald Trump, der 2017 noch US-Präsident ist.
Auch interessant:Kritik and ARD und ZDF – Bessere Talkshows braucht das Land
Anne Will zu Abtreibungen
Statt wie üblich mit überwiegend männlichen Gästen diskutiert Anne Will 2019 mit einer überwiegend weiblichen Runde über Abtreibung. Einziger Mann unter den Studiogästen ist Philipp Amthor (CDU).
Zwischen den Frauen, darunter Kristina Hänel, die sich als Ärztin seit Jahren für die Rechte von Frauen einsetzt, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen, und Teresa Bücker, bekennende Feministin und ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift Edition F“, wirkt Amthor kleinlaut. Auch, weil der CDU-Politiker den Fragen von Anne Will nach seinem Engagement für den populistischen Verein „Durchblick“ beharrlich ausweicht.
Fernsehen: Reichweitenrekord während Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie schließlich beschert den deutschen Talkshows neue Reichweitenrekorde – bringt sie aber auch an ihre Grenzen. Im Oktober 2020 versammeln sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), die Leiterin des Wiesbadener Gesundheitsamtes Kaschlin Butt, der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum, der Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin und die Virologin Helga Rübsam-Schaeff im Studio von Anne Will, um die bange Frage zu klären: „Corona-Infektionen erreichen Höchstwerte – hat Deutschland noch die richtige Strategie?“
Um einen weiteren Lockdown zu verhindern, appellieren unter anderem Laschet, Baum und Rübsamen-Schaeff eindringlich an die Vernunft und Disziplin der Menschen im Land – nur um ihre Botschaft am Ende der Sendung selbst zu konterkarieren. Noch während der Abspann läuft, sehen die Zuschauer, wie sich die Diskutanten ohne Distanz und Maske gegenüberstehen. Nur Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat seinen Mund-Nasen-Schutz nicht vergessen.
Mehr dazu:Anne Will – Ende einer Talkshow: Was wir vermissen werden
Debatte über den Ukraine-Krieg bei Anne Will
Der Schock über den russischen Angriff auf die Ukraine hinterlässt auch in der Diskussion bei Anne Will tiefe Spuren. Unvergessen bleibt der Kommentar, mit dem Sahra Wagenknecht in der Folge „Lässt sich eine Verschärfung der Ukraine-Krise noch abwenden?“ wenige Tage vor dem Einmarsch versucht, die offensichtlichen Kriegsabsichten in den Bereich der US-Propaganda zu rücken („Russland hat eigentlich kein Interesse, einzumarschieren“). Ebenso der emotionale Ausbruch des Historikers Karl Schlögel eine Woche nach dem Einmarsch.
Anne Will: Historiker kritisiert Bundesregierung zum Israel-Konflikt
Laut NDR ist die Reichweite von Wills Polit-Talk immer dann besonders hoch, wenn es aktuelle Krisen zu besprechen gibt. Dies zeigt sich nicht nur bei der Corona-Pandemie und dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Auch beim Terroranschlag in Israel erreicht die Talkshow höchste Einschaltquoten: Am 15. Oktober 2023 schalten laut NDR fast vier Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer die Sendung im Ersten ein.
In der Folge „Nach dem Terror-Angriff auf Israel – Droht ein Flächenbrand in Nahost?“ diskutiert Anne Will über die Eskalation des Nahost-Konflikts nach dem Angriff von Hamas-Terroristen auf Israel. Zugeschaltet sind Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie Arye Sharuz Shalicar, Major und Sprecher der israelischen Armee. Im Studio diskutieren der Historiker Michael Wolffsohn, die Journalistin Natalie Amiri, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und der ehemalige BND-Beamte Gerhard Conrad. In Erinnerung bleiben die emotionalen Tränen Baerbocks und die deutliche Kritik des Historikers Wolffsohn an der Politik der Bundesregierung. Wolffsohn wirft Berlin vor, den Terror der Hamas indirekt zu finanzieren.
16 Jahre Polit-Talk liegen hinter Anne Will, zwölf davon auf dem Sendeplatz am Sonntagabend. Vier davon am Mittwochabend als Nachrückerin für Günther Jauch. Damit kann Will auf eine ebenso lange Amtszeit zurückblicken wie eine Politikerin, die zu ihren bekanntesten Gästen zählte: Angela Merkel.
Ab dem neuen Jahr wird die bisherige „Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga den Sendeplatz von Anne Will am Sonntagabend übernehmen.