Gibt es einen Ausweg aus der Gewalt in Israel? Bei „Anne Will“ prallten am Sonntag zwei Welten aufeinander. Über eine hitzige Debatte
Gut zwei Wochen währt der Krieg zwischen Israel und der Hamas, der durch einen heimtückischen Angriff der radikalislamischen palästinensischen Organisation begonnen wurde. Viel wurde seitdem geschrieben und gesagt. Lässt sich bei dem Thema noch Neues hinzufügen? Anne Will versuchte es am Sonntagabend. „Gibt es noch einen Ausweg?“, war die Sendung überschrieben.
„Anne Will“: Diese Gäste waren am Sonntag dabei
- Ron Prosor, Israels Botschafter in Deutschland
- Arye Sharuz Shalicar, Sprecher der israelischen Armee
- Hoda Salah, Politikwissenschaftlerin
- Florence Gaub, Politikwissenschaftlerin
- Yassin Musharbash, Journalist
- Norbert Röttgen, CDU-Politiker
„Anne Will“: Extrem angeheizte Stimmung in den arabischen Ländern
Beachtlich war, dass es in der Runde sofort hoch herging. Denn so einig man sich darin war, dass Israel nach dem terroristischen Angriff der Hamas das Recht auf Verteidigung hat, so unterschiedlich wurden die Folgen bewertet.
Da war etwa Hoda Salah, die auf die Lage der palästinensischen Bevölkerung verwies. „Die Menschen in Gaza haben selbst unter Hamas gelitten, jetzt bestraft man sie“, kritisierte die Politikwissenschaftlerin und sprach von „Kollektivbestrafung“. Die Bevölkerung habe „kein Wasser, kein Benzin, nichts“, das werde vielerorts im arabischen Raum als Kriegsverbrechen aufgefasst, führte Salah aus. Deshalb habe sich der Wind dort von Solidarität zu Aggression gedreht.
„Es ist nicht so, dass 260 Millionen Araber ein Freudenfest veranstalten“, sagte auch Yassin Musharbash zu den Reaktionen in der arabischen Welt auf den Hamas-Angriff. Zugleich verwies der „Zeit“-Journalist darauf, dass die Stimmung in den arabischen Bevölkerungen „extrem angeheizt“ sei und durchaus kippen könne – übrigens auch gegen die Machthaber, die eigentlich auf Annäherung mit Israel gesetzt haben.
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Hamas-Angriff auf Israel: Der Botschafter spricht von „Verharmlosung“
Ron Prosor machten diese Ausführungen sichtbar wütend. „Das ist diese typische Verharmlosung“, kritisierte der israelische Botschafter in Deutschland, als Salah und Musharbash feststellten, dass es durchaus eine Verurteilung der Hamas-Attacke durch arabische Staaten gegeben habe. Genau das sei nicht deutlich passiert, befand Prosor. Um erneut „Verharmlosung!“, zu rufen und von „Geschichten aus Tausendundeine Nacht“ zu sprechen. Zugleich erinnerte der Botschafter daran, dass die Positionen der Hamas von einem Teil der Bevölkerung in Gaza geteilt würden.
Arye Sharuz Shalicar machte deutlich, dass sich Israel für die Folgen in Gaza nicht verantwortlich sieht. Man habe das Gebiet 2005 verlassen, erinnerte der Sprecher der israelischen Armee. Was nun geschehe, sei die Schuld der Hamas. „Sie evakuiert die Zivilbevölkerung nicht, sie benutzt sie als Schutzschilde.“ Damit hatte Shalicar völlig recht. Diskussionswürdig war allerdings seine Feststellung, dass der Süden Gazas sicher sei. Denn auch dort sind nach Hamas-Beschuss israelische Raketen eingeschlagen; auch dort ist die humanitäre Lage laut Helfern katastrophal.
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Israelische Bodenoffensive: Warnungen vor einem Flächenbrand
Gestritten wurde auch über die anstehende israelische Bodenoffensive. „Israel wird nie wieder so sein wie vor dem 7. Oktober“, sagte Botschafter Prosor. Ziel sei es, die Führung und die Infrastruktur der Hamas auszuschalten.
Mit Blick auf die Folgen für die Zivilbevölkerung warf Politikwissenschaftlerin Salah die Frage auf, ob es nicht auch andere Mittel gebe. Daraufhin machte Armeesprecher Shalicar Israels Dilemma deutlich: „Es gibt keine einfachen und intelligenten Lösungen“, sagte er. Und doch müsse sich Israel verteidigen.
„Zeit“-Journalist Musharbash brachte auf, welche Auswirkungen viele tote Zivilisten in Gaza haben könnten. Studien hätten gezeigt, dass gegen Terrororganisationen am besten politische Lösungen helfen würden – militärische eher weniger. Nun gebe es aber Berichte über israelische Kommandeure, die angeblich viele zivile Opfer in Kauf nehmen würden. „Das wird Folgen haben, in der arabischen Welt und vielleicht darüber hinaus“, warnte Musharbash mit Blick auf einen möglichen Flächenbrand in der Region.
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Fazit: Mutige Auswahl der Gäste – es lohnte sich
Es ist weit gegriffen, doch diese Ausgabe von „Anne Will“ war einer der besten Talks der jüngeren Vergangenheit. Das lag daran, dass hier Positionen aufeinandertrafen, die das ganze Dilemma deutlich machten: Auf der einen Seite die israelische, die selbstverständlich auf den bestialischen Terror reagieren muss; auf der anderen Seite jene, die auch das große Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung im Blick hat.
Möglich wurde das durch die Auswahl der Gäste, mit der die Redaktion von „Anne Will“ durchaus Mut bewies. Es hat sich gelohnt.
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