Berlin. Wegen des Herstellungsverfahrens gilt entkoffeinierter Kaffee bei vielen als ungesund. Ernährungsexperten erklären, ob das stimmt.
Die Deutschen lieben Kaffee. Rund 167 Liter trinkt jeder Mensch in Deutschland im Durchschnitt pro Jahr. Doch nicht jeder verträgt das im Kaffee enthaltene Koffein oder darf es zu sich nehmen. Viele greifen daher auf entkoffeinierten Kaffee zurück. Doch immer wieder werden Stimmen laut, entkoffeinierter Kaffee sei weniger gesund als herkömmlicher Kaffee. Stimmt das wirklich?
Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst den Herstellungsprozess betrachten. Hier gibt es verschiedene Verfahren. „Eine preiswerte Möglichkeit ist, das Koffein mit chemischen Lösungsmitteln wie Dichlormethan oder Ethylacetat herauszulösen“, erklärt Christine Fikentscher von der Verbraucherzentrale Bayern. „Die Methode mit Ethylacetat gilt als natürliches Verfahren, da dieser Stoff auch in verschiedenen Obst- und Gemüsesorten vorkommt. Dichlormethan hingegen steht im Verdacht, krebserregend zu sein.“ In den USA argumentieren deswegen einige Gesundheitsverbände, dass entkoffeinierter Kaffee gesundheitsschädlich sein könnte. Sie fordern von der Food and Drug Administration (FDA), Dichlormethan im Entkoffeinierungsprozess zu verbieten.
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Bei uns ist durch eine EU-Richtlinie festgelegt, wie viele Lösungsmittelrückstände in entkoffeiniertem Kaffee enthalten sein dürfen. Im Fall von Dichlormethan sind es maximal zwei Milligramm pro Kilogramm Röstkaffee. Dennoch sind viele Verbraucher der Verwendung der Chemikalie gegenüber skeptisch. „Dichlormethan ist bekannt dafür, in erhöhten Dosen für Gesundheitsschäden sorgen zu können. Beispiele sind: Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Verwirrung und Koordinationsstörungen. Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) stuft Dichlormethan in Gruppe 2A ein, also als wahrscheinlich krebserzeugend“, erklärt Toxikologe Carsten Schleh, der zu diesem und anderen Problematiken auch zwei Bücher geschrieben hat („Vorsicht, da steckt Gift drin!“ und „Die Wahrheit über unsere Drogen“).
Entkoffeinierter Kaffee: Gesundheitsrisiko ist minimal
Dennoch besteht bei entkoffeiniertem Kaffee kein Grund zur Sorge: „Wenn diese Werte eingehalten werden, besteht kein Risiko für die Gesundheit – frei nach dem Motto ‚Die Dosis macht das Gift‘. Die FDA sowie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) haben deshalb auch Grenzwerte für Rückstände an Dichlormethan aufgestellt.“
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Laut Schleh werden diese in nahezu allen Untersuchungen von entkoffeiniertem Kaffee unterschritten. Das Restrisiko für Verbraucher ist also äußerst gering. Ein ähnlicher Zusammenhang ergibt sich auch für Ethylacetat. Auch hier werden die Grenzwerte im Normalfall eingehalten.
Kohlendioxid-Verfahren: Verfahren ohne Lösungsmittel
Hätte der Toxikologe Bedenken, entkoffeinierten Kaffee zu trinken, der mithilfe von Dichlormethan hergestellt wurde? Schleh verneint: „Gelegentlichen Genuss sehe ich völlig unproblematisch. Auch regelmäßiger, täglicher Genuss sollte unproblematisch sein. Wer jedoch häufig entkoffeinierten Kaffee zu sich nimmt, kann auch auf Kaffee zurückgreifen, der mit anderen Mitteln entkoffeiniert wurde. So kann das sehr geringe Restrisiko noch weiter minimiert werden.“
Ganz ohne Lösungsmittel kommt das Kohlendioxid-Verfahren aus. Dabei werden die Bohnen unter hohem Druck mit flüssigem Kohlendioxid umspült. So wird das Koffein gebunden. Das Problem: Welches Herstellungsverfahren angewendet wurde, ist leider nur selten auf den Verpackungen angegeben und muss beim Hersteller explizit erfragt werden.
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Entkoffeinierter Kaffee ist laut Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes, eine tolle Kaffee-Alternative für alle, die weniger Koffein zu sich nehmen wollen: „In Zeiten, in denen eine reduzierte Koffeinaufnahme sinnvoll ist, also beispielsweise abends, ist entkoffeinierter Kaffee eine gute Alternative“, sagt Preibisch.
Geschmacklich unterlegen sei entkoffeinierter Kaffee dem klassischen koffeinhaltigen Getränk auf keinen Fall: „Der technische Prozess der Entkoffeinierung ist explizit darauf ausgerichtet, dass nur das Koffein aus dem Kaffee entzogen wird und zugleich die typischen gewünschten Aromastoffe im Kaffee verbleiben. Da die Verfahren der Entkoffeinierung technisch sehr ausgereift sind, hat der Entzug des Koffeins heutzutage keinen entscheidenden Einfluss auf das geschmackliche Erlebnis des Kaffees.“
Gesundheit: Entkoffeinierter Kaffee genauso gut
Auch die gesundheitlichen Auswirkungen von koffeinhaltigem und entkoffeiniertem Kaffee sind vergleichbar, erklärt Christine Fikentscher von der Verbraucherzentrale Bayern. „Beide sind mit einer geringeren Gesamtsterblichkeit, einer geringeren Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einem geringeren Risiko für Typ-2-Diabetes verbunden. Die gesundheitlichen Vorteile sind aber offenbar nicht auf das Koffein, sondern auf andere Inhaltsstoffe wie Antioxidantien oder Polyphenole zurückzuführen.“
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Entscheidend für die antioxidative Wirkung scheint zu sein, wie der Kaffee getrunken wird: „Da die Aminosäure Methionin aus der Milch die Antioxidantien offenbar hemmt, ist es besser, schwarzen Kaffee zu trinken, egal ob mit oder ohne Koffein“, sagt Fikentscher. Allerdings gibt es bisher nur wenige Studien, die die Wirkung von entkoffeiniertem Kaffee untersucht oder zwischen koffeinhaltigem und entkoffeiniertem Kaffee unterschieden haben. Es besteht also noch weiterer Forschungsbedarf.
Richtlinien zu Kaffee-Genuss: Grenze sollte nicht überschritten werden
Für den täglichen Kaffee- und Koffeinkonsum gibt es einige allgemeine Richtlinien. Die meisten Gesundheitsorganisationen und Studien weisen darauf hin, dass ein moderater Kaffeekonsum (etwa drei bis vier Tassen pro Tag) beziehungsweise etwa 300 bis 400 Milligramm Koffein für die meisten gesunden Erwachsenen unbedenklich ist. „Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die individuelle Verträglichkeit von Koffein variieren kann. Manche Menschen vertragen mehr Kaffee, andere reagieren empfindlicher“, erklärt Fikentscher.
Menschen mit gesundheitlichen Problemen wie Herzrhythmusstörungen, Angstzuständen oder Magenproblemen sollten ihren Kaffeekonsum möglicherweise einschränken oder ganz darauf verzichten. „Insgesamt ist es wichtig, den individuellen Körper und seine Reaktionen zu berücksichtigen. Wenn jemand unangenehme Symptome wie Schlaflosigkeit, Nervosität oder Magenbeschwerden bemerkt, kann es ratsam sein, den Kaffeekonsum zu reduzieren“, so die Expertin. Besser verträglicher entkoffeinierter Kaffee kann dann eine geeignete Alternative sein.
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