Berlin. Um abzunehmen oder einfach um gesünder zu leben, verzichten viele auf Zucker. Ein Arzt erklärt, wann der Entzug gefährlich werden kann.
Verzicht fällt immer schwer. Sei es beim Einkaufsbummel in der Stadt, bei der Essensbestellung im Restaurant oder vorm Süßigkeitenregal im Supermarkt. Doch gerade der hohe Zuckeranteil, der sich in unseren Lieblingsnaschereien versteckt, kann nicht nur süchtig, sondern auch krank machen. Laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollten wir täglich gerade mal 50 Gramm Zucker am Tag zu uns nehmen. Werte, die regelmäßig pulverisiert werden.
Der erhöhte Zuckerkonsum kann unter anderem zu Diabetes und anderen schwerwiegenden Krankheiten führen. Wer darauf verzichtet, sollte sich also deutlich besser fühlen. Oder?
Sie wollen auf Zucker verzichten? Unser Redakteur verzichtet seit fast fünf Jahren auf Süßigkeiten
Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt Prof. Dr. Thomas Skurk, Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung bei der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), was genau ein Zuckerverzicht im Körper auslöst und wer bei einem kompletten Zuckerverzicht gesundheitliche Probleme bekommen könnte.
Welche Symptome treten auf, wenn man plötzlich komplett auf Zucker verzichtet?
Prof. Dr. Thomas Skurk: Grundsätzlich sind keine schwereren Symptome zu erwarten, wenn es sich lediglich um das Auslassen von freien Zuckern (v.a. Haushaltszucker/Saccharose) handelt. Zucker kann jedoch ein wichtiger Faktor im Belohnungssystem sein. Deshalb hat Zucker bekanntermaßen ein gewisses Suchtpotential, das bei empfänglichen Menschen auch zu vorübergehenden Entzugssymptomen wie Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder vermehrter Reizbarkeit führen kann. Durch das veränderte Ernährungsverhalten kann das Verlangen nach Süßem gesteigert sein und so den Appetit beeinflussen.
Wie entwickeln sich diese Symptome über einen längeren Zeitraum?
Prof. Skurk: Diese Symptome sind in den meisten Fällen vorübergehend und legen sich unterschiedlich schnell, sobald sich ein neues Geschmacksempfinden für die Qualität „süß“ eingestellt hat. Die meisten Menschen empfinden nach einer erfolgreichen Abstinenz von vielleicht zwei Wochen bis zwei Monaten altbekannte Lebensmittel für größtenteils zu süß.
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Wenn man weniger Zucker essen möchte, eine plötzliche Abstinenz aber für undurchführbar gehalten wird, bietet es sich für manchen Menschen eventuell an, den Zuckerkonsum über Wochen langsam zu reduzieren, um sich besser zu gewöhnen. Ein Ansatz, den die Industrie im Zuge der Reformulierung von zuckergesüßten Lebensmitteln zumindest teilweise seit einiger Zeit geht.
Ab wann legen sich die Symptome wieder?
Prof. Skurk: Da ist jeder Mensch anders, bis es zu einer Gewöhnung an die neue Situation kommt. Unter Umständen können Monate vergehen, bis das Verlangen abebbt.
Zuckerentzug: Für viele Menschen eine echte Gefahr
Schadet man seinem Körper in irgendeiner Form, wenn man Zucker komplett weglässt?
Prof. Skurk: Da zuckerfrei nicht automatisch Low Carb bedeutet, kann der Körper seinen Bedarf an Zucker aus Lebensmitteln mit komplexen Kohlenhydraten (Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, uva.) decken. Es kommt in diesem Falle also zu keinerlei Mangelzuständen oder nachhaltigen Schäden. Anders sieht es bei Patienten mit Stoffwechselstörungen wie Diabetes aus. Eine plötzliche Umstellung der Ernährungsgewohnheiten kann zu gefährlichen Unterzuckerungen führen, weshalb ein neues Ernährungsverhalten immer unter ärztlicher Aufsicht eingeführt werden muss.
Welche positiven Nebeneffekte hat ein Verzicht?
Prof. Skurk: Die gesundheitlichen Auswirkungen werden sehr kontrovers diskutiert. Direkte Auswirkungen auf z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen können nur schwer nachgewiesen werden, auch wenn sich z. B. die Neutralfette im Blut (Energiespeicher, Anm. d. Red.) teilweise deutlich verbessern. Zumindest für Karieserkrankungen ist der Zuckerkonsum jedoch unstrittig. Klar ist auch, dass Zucker häufig „leere“ Energie enthält. Die bringt zwar Kalorien, aber keine Sättigung mit sich. Das ist insbesondere bei zuckergesüßten Getränken der Fall.
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Nach erfolgreicher Entwöhnung ist der Weg zurück zu den gewohnten Lebensmitteln jedoch schwer, da diese oft als zu süß empfunden werden. Dadurch bietet sich die Möglichkeit einer nachhaltigen Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, die mit einer verminderten Energieaufnahme einhergeht. Neben den meist subjektiv empfunden Verbesserungen kann das der Ausgangspunkt sein für eine bessere Gewichtskontrolle.