Berlin. Social Media und Games tricksen unser Belohnungssystem aus. Sucht-Expertin Gaby Guzek gibt hilfreiche Tipps für den Online-Entzug.
- Klicken, liken und zocken belohnt unser Gehirn
- Social Media und Games können mit der Zeit aber süchtig machen
- Mit wenigen Handgriffen gelingt der Ausstieg
Soziale Medien machen süchtig. Das ist kein neues Forschungsergebnis – das war bereits von Anfang an das Kalkül der Macher von Facebook und Co. Sie wussten: Der blaue Daumen nach oben, Herzchen oder Smileys verpassen unserem Belohnungssystem im Gehirn einen Kick. Dasselbe gilt für die große Welt der Online-Spiele, in denen immer mehr Menschen Tag für Tag versinken.
„Wie können wir unsere Nutzer dazu bringen, möglichst viel Zeit auf Facebook zu verbringen?“ So lautete das Motto der Gründer der Social-Media-Plattform. Das erzählte der frühere Facebook-Chef Sean Parker im Jahr 2017 einem amerikanischen Fernsehsender im Rückblick. So erfand das Team den „Gefällt mir“-Button. Er motiviert den Nutzer und die Nutzerin, immer mehr Inhalte hochzuladen.
Die Facebook-Väter wussten sehr genau, warum: Ein Like ist ein Dopaminkick. Man habe eine Schwachstelle in der menschlichen Psychologie bewusst ausgenutzt, sagt Parker. Facebook verändere die Beziehung der Menschen untereinander und zur Gesellschaft. „Gott allein weiß, was es mit den Gehirnen unserer Kinder macht“, fürchtet er.
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Facebook, Instagram und Co.: Warum Social Media uns süchtig macht
Natürlich gilt all das nicht nur für Facebook. Instagram, Tiktok und wie die Plattformen auch heißen, arbeiten nach demselben Prinzip: Soziale Bestätigung, verbunden mit immer schnelleren, immer bunteren, immer grelleren Sinneseindrücken. Ein ausgefeilter Algorithmus präsentiert uns mehr und mehr von dem, was uns besonders anspricht. Darauf springt unser Belohnungs- und damit Suchtsystem im Hirn an. Immer.
Trotzdem hält sich das Klischee hartnäckig: Wer im Netz versinkt, hat eigentlich kein echtes Leben, ist sozial irgendwie schräg und trägt ein paar psychologische Probleme mit sich herum. So manche Studie befeuert das. Es finden sich bei Internetabhängigen tatsächlich häufiger Depressionen oder Angst- und Panikstörungen. Schlussfolgerung und offizielle Lesart: Wer daran leide, werde auch leichter internetsüchtig.
Internetsucht nicht als Suchterkrankung anerkannt
Möglicherweise wird genau andersherum ein Schuh draus: Soziale Medien sind darauf ausgelegt, uns süchtig zu machen. Die Folgen des endlosen Konsums: Sozialzombies, die stumm nebeneinander an der Bushaltestelle oder im Restaurant sitzen und sich Nachrichten schicken. Das Sucht-System Soziale Medien lässt echte soziale Kontakte verkümmern. Das macht unser anderem depressiv.
Internetsucht ist bislang als eigenständige Suchterkrankung nicht anerkannt. Sie fällt unter die große Gruppe der Zwangsstörungen. Internetsüchtige nutzen vor allem ihr Smartphone. Beobachtet man wie, kommt das mit der Zwangsstörung gut hin.
Haben sie ihr Smartphone vergessen, laufen sie Amok und schwitzen Blut und Wasser bei der Vorstellung eines leeren Akkus. Ein Alkoholiker hat Panik vor fehlendem Nachschub – der Internetabhängige davor, online etwas zu verpassen.
Gaming-Sucht: Abhängig vom Heldentum am Bildschirm
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Online-Gaming nutzt die selben Mechanismen wie soziale Medien, um jemanden an den Sucht-Haken zu bekommen. Die Gruppen der Abhängigen überschneiden sich deshalb, viele haben beide Abhängigkeiten. Facebook und Co. wissen auch sehr gut, dass unter ihren Nutzern leichte Beute lauert: Die fischt man mit den Facebook-Games ganz gezielt ab.
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Auch animieren Online–Games den Spieler ständig zu checken, ob es was Neues gibt und was die Spiel-Community so tut. Viele Spiele sind so aufgebaut, dass man sich zwangsläufig in regelmäßigen Abständen einloggen muss, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Auch diese Spiele verteilen Belohnungen, das Dopaminrad dreht sich.
Allerdings kommt beim Gaming noch etwas hinzu: Der Wettbewerb. Er ist noch ein zusätzlicher Dopamin-Trigger. Bemerkenswerter Weise sind mehr Männer von Online-Gaming abhängig als Frauen. Die kleben dafür mehr an den sozialen Medien fest.
Online-Games sowie PC-oder Konsolenspiele für Alleine-Zocker bieten gegenüber den sozialen Medien noch eine Kirsche auf der Sucht-Torte: Eine völlig eigene Welt, in die der Spieler abtauchen kann. Perfekte Grafiken und spannende Spiel-Stories lassen den Unterschied zwischen Wahrheit und Wahn verschwimmen.
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Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel: Die Grafik des Online-Spiels Minecraft sieht aus wie frisch aus den Siebzigern entlaufen, man kann sich nicht miteinander prügeln und Belohnungspunkte gibt es auch nicht. Trotzdem hat es über 200 Millionen Spieler. Minecraft setzt stark auf die Kreativität seiner Mitspieler, die sich quer um den Globus miteinander vernetzen können.
Raus aus sozialen Medien und Gaming: Tipps und Tricks
Sie haben den Entschluss gefasst, weniger Zeit am Bildschirm mit Social Media und Gaming zu verbringen? Diese Maßnahmen können Ihnen dabei im Alltag helfen:
- Löschen Sie so viele Apps wie möglich.
- Installieren Sie stattdessen Anwendungen, die Ihr Surfverhalten messen und begrenzen. Allein die Feststellung, wie viele Stunden Sie täglich im Web sind, wird Sie erschrecken. Es gibt auch spezielle Apps sowie Modi in den Gesundheits-Einstellungen von Android und Apples iOS, die Sie schlicht und ergreifend von bestimmten Webseiten aussperren. In schwachen Minuten kommen Sie dann dort gar nicht mehr drauf.
- Ziehen Sie sich zurück aus Social Media und Gaming. Setzen Sie sich einen Zeitrahmen. Ein Monat wäre gut, drei wären besser. Sie wissen: Das Dopaminsystem braucht so lange, um sich zu regenerieren. Sie müssen Ihre wichtigsten Accounts ja nicht löschen, das bringen Sie sowieso nicht (gleich) nicht übers Herz. Aber schalten Sie sie bewusst auf stumm.
- Wenn Sie auch das nicht über sich bringen: Limitieren Sie Ihre Online-Zeit. Geben Sie das Handy in die Hände einer anderen Person. Vereinbaren Sie, wann Sie es wieder bekommen – und ganz bestimmt nicht vorher.
- Stellen Sie ein Passwort statt Fingerabdrucksensor oder Gesichtserkennung ein, um Ihr Smartphone zu entsperren. Das Passwort darf gerne lang und nervig zu tippen sein. Sie werden es sich zweimal überlegen, ob Sie „mal eben was checken.“
- Aktivieren Sie die Graustufen-Einstellung auf Ihrem Smartphone. Auch Computerbildschirme und Tablets kann man ergrauen lassen. Farben triggern das Dopaminsystem, je greller, desto besser. Schwarz-weiß findet es eher lahm.
- Wenn Sie beruflich und privat telefonisch erreichbar sein müssen: Kaufen Sie sich ein richtig altes Handy. Damit kann man telefonieren, aber eben auch nicht mehr.
Zur Person
- Gaby Guzek ist seit mehr als 30 Jahren Fachjournalistin für Wissenschaft und Medizin.
- Sie arbeitete nach ihrem Studium unter anderem bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der Fachzeitschrift „Die Neue Ärztliche“. Jahrelang selbst von schwerer Alkoholsucht betroffen und mit den Therapiemöglichkeiten unzufrieden, begann sie, sich intensiv mit dem Phänomen Sucht auseinanderzusetzen. 2020 veröffentlichte sie im Eigenverlag ihr Buch „Alkohol adé“* und steht heute als Coach unter gaby-guzek.com und in ihrem Forum alkohol-ade.com Alkoholsüchtigen zur Seite.
- Ihr aktuelles Buch „Die Suchtlüge. Der Mythos von der fehlenden Willenskraft: Wie Sucht im Hirn entsteht und wie wir sie besiegen“ ist bei Heyne erschienen.
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