Berlin. Der Krieg gegen die Hamas tobt, Palästinenser und Israelis leiden. In der ARD ging es um die Frage: Wie stehen die Chancen auf Frieden?
Die israelische Armee operiert tief im Gazastreifen, tägliche kurze Feuerpausen sollen das Leben der Zivilbevölkerung erleichtern. So lässt sich die Lage im Krieg zwischen Israel und der Hamas derzeit zusammenfassen. Die große Frage ist, wie es nun weitergeht. Wie kann der Krieg enden? Und was kommt danach?
Mit diesem Thema beschäftige sich am Sonntagabend auch die Runde bei „Anne Will“. Es diskutierten: die deutsch-israelische Unternehmerin Jenny Havemann, der deutsch-palästinensische Comedian Abdul Chahin, der Nahostexperte Guido Steinberg, der frühere schwedische Regierungschef Carl Bildt sowie Omid Nouripour von den Grünen.
„Anne Will“: Diese Gäste waren dabei:
- Omid Nouripour (Bundesvorsitzender bei Bündnis 90/Die Grünen)
- Carl Bildt (ehemaliger Ministerpräsident und Außenminister von Schweden)
- Jenny Havemann (deutsch-israelische Unternehmerin, Bloggerin, Coach, Podcasterin)
- Abdul Chahin (Stand-up-Comedian, Podcaster, Poetry-Slammer, Autor)
- Guido Steinberg (Nahost- und Terrorismusforscher der Stiftung Wissenschaft und Politik)
- Margot Friedländer im Interview (Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin)
Die israelische Perspektive: „Natürlich leidet man mit, wenn Zivilisten ums Leben kommen“
Den israelischen Blick brachte Jenny Havemann ein. „Das Leben von fast allen Israelis hat sich verändert“, sagte die Unternehmerin mit Blick auf den Terrorangriff vom 7. Oktober. Man fühle sich wie in einem Albtraum. „Viele Israelis sprechen von einem zweiten Holocaust.“ Zwar sei das eigentlich nicht vergleichbar, doch gebe es durchaus Parallelen – etwa, dass sich Menschen unter Toten verstecken mussten, um nicht auch getötet zu werden.
Zugleich beschrieb Havemann, dass die israelische Gesellschaft zusammengerückt sei. Zwar sei sie wie viele andere weiterhin eine Kritikerin der Regierung Netanjahu. „Aber wir verteidigen die Freiheit, auf unserem Land zu leben.“ Mit diesem Gefühl begegnete Havemann auch dem Elend in Gaza: „Natürlich leidet man mit, wenn Zivilisten, insbesondere Kinder, ums Leben kommen“, sagte sie. Für Israel gehe es jetzt aber um einen Kampf um die Existenz.
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Deutsch-Palästinenser Abdul Chahin über Hamas: „Man kämpft gegen Geister“
Abdul Chahin beschrieb die palästinensische Perspektive. „Sie rennen auf die Straßen, wenn sie Beschuss hören“, berichtete der deutsch-palästinensische Comedian über seine Verwandten. Denn außerhalb von Gebäuden gebe es eine Chance zu überleben.
Er verstehe, dass Israel sich verteidigen wolle, sagte Chahin weiter. Allerdings sei der Kampf gegen die Hamas ein „Kampf gegen Geister“: „Die kriegt man nicht einfach so.“ Dafür müssten viele Zivilisten sterben. „Es wird zu wenig über die Relationen geredet“, schloss Chahin. Und forderte längere Feuerpausen, damit die Zivilbevölkerung aus Gaza fliehen könne.
Nahost-Experte: „Die Zeit läuft den Israelis davon“
Guido Steinberg erklärte vor dem Hintergrund dieser Perspektiven die gegenwärtige geopolitische Lage. „Die Zeit läuft den Israelis davon“, sagte der Nahost-Experte. Die Bruchlinien mit den USA, die mehr Feuerpausen und Rücksicht auf die Zivilbevölkerung fordern, würden immer deutlicher werden. Allerdings sei trotz der zivilen Opfer klar, dass Israel reagieren müsse: „Jeder Staat, der etwas auf sich hält, muss versuchen, die Organisation, die dafür verantwortlich ist, zu zerschlagen“, sagte Steinberg.
Carl Bildt sah das anders. Es stehe außer Frage, dass sich Israel verteidigen müsse. Allerdings müsse es vorsichtig sein, nicht die Grundlage für künftige Kriege und Gewalt zu schaffen. Die hohe Zahl an zivilen Toten in Gaza führe zu „hochkochenden Emotionen“, die Frieden und perspektivisch eine Zwei-Staaten-Lösung drastisch erschweren könnten, warnte der frühere schwedische Ministerpräsident.
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Cald Bildt über Friedensprozess: „Die Zukunft wird sehr schwer“
Krieg schafft Leid, aus dem neue Gewalt entstehen kann: Mit seinen Worten wies Carl Bildt auf einen Kreislauf hin, der insbesondere im Nahen Osten nur allzu oft gegriffen hat. Es gehört zu den Verdiensten dieser Ausgabe von „Anne Will“, das dahinterstehende Dilemma noch einmal deutlich gemacht zu haben.
Besonders klar wurde es bei den Ausführungen von Havemann und Chahin. Wer kann Israel ernsthaft das Recht auf eine eindeutige Reaktion absprechen? Und wer kann sich beim Blick auf das Leid in Gaza nicht wünschen, dass es endet? „Die Zukunft wird sehr schwer werden“, sagt der Schwede Bildt mit Blick auf einen etwaigen Friedensprozess. Die Gegenwart ist es auch schon.
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