Bad Honnef. Eine hohe Qualität und gesunde Inhaltsstoffe sieht man Möbeln nicht an. Manchmal kann man was riechen, manchmal fühlt man, dass die Produktion billig war. Und eine Ahnung taucht auch auf, wenn man hört, wo das Sofa produziert wurde. Aber wie kommt man an Fakten?
Wenn Möbel mit den Nationalfarben ihrer Herkunftsländer dekoriert wären, sähen viele Wohnungen kunterbunt aus. Neben der Regalwand aus China steht etwa ein Sofa aus Polen, neben dem Badezimmerschrank aus Vietnam ein Regal aus Bangladesch. Knapp die Hälfte aller Möbel, die hierzulande verkauft werden, sind Importe, so eine Statistik des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie (VDM). Der Verbraucher kann das jedoch kaum erkennen.
"Wir haben eine Scherenentwicklung auf dem Möbelmarkt", sagt VDM-Sprecherin Ursula Geismann. Auf der einen Seite gebe es eine große Gruppe Kunden, für die ein niedriger Preis Auswahlkriterium sei, auf der anderen eine, die verstärkt auf Qualität setze. An diesen beiden Gruppen orientieren sich die Hersteller. Die Folge: "Das mittlere Preissegment wird immer kleiner."
Im Ausland produzierte Möbel sind meist erheblich günstiger als ihre Verwandten aus deutschen Produktionshallen. Nach wie vor ist China weltweit der zweitgrößte Möbelhersteller und in Deutschland der ausländische Möbellieferant Nummer eins. "Die Lohnkosten sind dort wahnsinnig gering. Auch die Materialbeschaffungskosten sind niedriger als bei uns", erläutert Geismann. "Ein Baum ist in China billiger als hier." Und schließlich drücken lockere Arbeitsschutz- und Umweltstandards die Preise. Das gelte auch für Vietnam, Bangladesch oder Indonesien, für Polen, Tschechien oder Rumänien.
Verbraucher fragen nicht nach der Herkunft
Meist steht die Ahnung im Raum, dass billige Produktionen auch schlechtere Qualität zur Folge haben könnten. Und immer wieder werden Berichte bekannt, dass die Arbeitsbedingungen mancherorts schlecht sind. "Verbraucher, die auf den Preis schauen, machen meist die Augen gegenüber allen anderen Aspekten zu und stellen keine Fragen", sagt Saphir Robert, Referentin für Nachhaltigkeit bei der Verbraucher Initiative in Berlin. Und Gitta Geue, Umweltexpertin der Verbraucherzentrale Bayern in München, hat beobachtet: "Verbraucher stellen sich die Frage nach der Herkunft eines Produktes dann, wenn ihnen bekannt ist, dass diese mit Problemen verbunden ist."
Möbel von Ruhris als Exponate
Sie verweist auf die Textilproduktion: "Wenn diese mit Chemikalien behandelt sind, oder in Kinderarbeit oder unter gefährlichen Arbeitsbedingungen gefertigt werden, dann betrifft das den Verbraucher, und er reagiert entsprechend sensibel." Bei Möbeln gebe es solche Fälle sicher auch, aber sie seien seltener oder weniger bekannt. Deshalb stellten nur wenige Verbraucher hier die Frage nach der Herkunft, sagt Geue.
Diese zu klären, das heißt für den Käufer, umfangreiche Recherchearbeit zu leisten. "Einfach präsentiert wird dem Käufer gar nichts", sagt Verbraucherschützerin Robert. Im Ausstellungsraum des Möbelhändlers werden Sofas und Co. ohne Verpackung gezeigt. Und anhand ihres Designs auf die Herkunft zu schließen, ist in Zeiten der Globalisierung unmöglich. Eine Kennzeichnungspflicht gibt es für Möbel nicht. Und auf dem mehr oder weniger ausführlichen Preisschild ist bestenfalls vermerkt, dass der Schrankboden massiv ist und die Türen aus Spanplatten bestehen.
Herkunft allein sagt nicht alles aus
Freiwillige Zusatzkennzeichen können Auskunft geben. Stücke mit dem Goldenen M der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel wurden in Deutschland zusammengebaut. Ansonsten sollte man nachhaken, sagt Geismann. Der Fachverkäufer sollte diese Informationen haben. Aber das reine Wissen, wo ein Möbel montiert wurde, hilft dem Verbraucher kaum weiter. Zum einen können die Einzelteile sonst woher stammen. Zum anderen gilt: "Dass ein Möbel im Ausland produziert wurde, heißt natürlich nicht, dass es per se schlecht ist für den Verbraucher", betont Robert.
Entscheidend sei, welche Materialien verwendet und unter welchen Bedingungen für Mensch und Umwelt das Möbel hergestellt wurde. Für in Deutschland hergestellte Stücke gelten hohe gesetzliche Standards, Träger des Goldenen M unterschreiten die Grenzwerte. Bei Importware aus Fernost hingegen kann der Käufer die Standards nicht ermessen. "In Bezugsstoffen können Bromate enthalten sein, in Kastenmöbeln Formaldehyd", nennt Geismann zwei typische Beispiele. Auch hier können Produktlabels Auskunft geben - sie sind aber freiwillige Angaben des Herstellers.
Der Gesunde Menschenverstand
Und: "Das Problem bei Labels ist, dass sie sich nicht auf ein Produkt als Ganzes beziehen", sagt Robert. "Der Blaue Engel ist aussagekräftig bezüglich Umweltstandards." Er kennzeichnet in den jeweiligen Produktgruppen die schadstoffarme Variante. Das GS-Zeichen wird nach Sicherheitstests vergeben, und die Euro-Blume steht für eine umweltbewusste Produktion. Möbel aus nachhaltiger Forstwirtschaft können das Fairtrade-Siegel (FSC) tragen. "Das FSC-Zeichen ist zwar durchaus umstritten, aber es ist immerhin ein Schritt in Richtung nachhaltige Forstwirtschaft", sagt Robert.
Der Kunde kann sich also anhand eines Labels entweder gezielt über einen Aspekt wie die Herkunft des Holzes oder die Behandlung eines textilen Bezuges informieren. Labels, welche die sozialen Bedingungen des Produktionsprozesses wie Kinderarbeit bewerten, gebe es aber kaum, sagt die Expertin Robert. "Hier lohnt sich ein Blick auf die firmeninternen CSR-Vorgaben der Hersteller - also auf ihre freiwilligen Selbstverpflichtungen, bestimmte soziale Standards einzuhalten."
Ansonsten kann der Verbraucher vor allem auf seinen gesunden Menschenverstand hören: "Wenn nebeneinander zwei schicke, einander sehr ähnliche, rote Sofas stehen, die erheblich unterschiedliche Preise haben, ist das schon ein deutlicher Hinweis", sagt die Möbelexpertin Geismann. Auch einfache Qualitätstests kann der Endverbraucher selbst anstellen: Wie fühlt sich der Sofa-Bezug an? Wie riecht er? "Preiswerter Schaum ist beispielsweise sehr weich", erläutert Geismann. "Damit erreiche ich jedoch kaum eine harte Polsterung." Die Folge kann also sein: Auf einem billigen Sofa sinkt man eher ein. (dpa)