Köln. . Schon 20 Prozent aller Deutschen leben in einem offenen Wohnbereich, in dem gekocht, gegessen und gewohnt wird. Für eine schöne Küche sind sie bereit viel Geld auszugeben. Ein Ort, an dem man sich auch mit Freunden gerne aufhält. Die Kölner Messe Living-Kitchen präsentiert die neuesten Trends.
Das ist ein Aufstieg wie man ihn selten beobachten kann. Eben noch versteckt, auf praktische zehn Quadratmeter reduziert und höchstens per Durchreiche einsichtig, entwickelt sich die Küche gerade zum Lieblingsort der Deutschen. Völlig offen soll sie sein, möglichst mit Kochinsel mittendrin und eben superchic. Die Küche mausert sich zum Statussymbol.
Zwanzig Prozent der Deutschen bewohnen schon genau so ein Exemplar, andere planen, die trennenden Wände zum Wohnbereich einzureißen. Und wer nicht mehr abgrenzt zwischen Wohnen, Essen und Kochen, der möchte den ehemaligen Arbeitsbereich Küche möglichst wohnlich gestalten. Kochen ist Lifestyle, Essen hat Kultur. Da werden Dunstabzugshauben zu opulent Designobjekten, da öffnen und schließen sich Türen lautlos auf sanften Druck und die Gerätetechnik wird immer raffinierter.
Kein Wunder also, dass die beteiligten Branchen sich auf der „Living kitchen“ bei der Internationalen Einrichtungsmesse „imm“ in Köln äußerst zufrieden zeigen. Es wird viel gebaut in diesen Zeiten, und wer baut, der braucht auch eine neue Küche. Am liebsten ganz in Weiß (weil man sich bei über 15 Jahren Lebensdauer nicht Leid sehen will), möglichst schlicht – also zunehmend auch ohne Griffe, funktional (mit höheren Arbeitsflächen) und trotzdem wohnlich.
Oberflächen aus Beton
Spannend ist, wie Accessoires von eher individuellen Küchen den Markt der gängigen Einbauküchen erobern. Die Betonplatte auf der Kochinsel etwa war ein paar Jahre lang ein Hingucker in designorientierten Wohnungen. Granit war out, zu spießig. Beton war anders. Nun sieht man auf der Kölner Messe Betonoberflächen allenthalben. Meist wird der Beton jedoch nur simuliert, also bedruckt auf Melamin, den üblichen beschichteten Spanholzplatten. Je nach Preislage der Küche mehr oder weniger echt wirkend. Leichter zu reinigen als das massive Original ist es wohl auf jeden Fall.
Und es wäre ein Wunder gewesen, wenn der allgegenwärtige Shabby-Chic nicht die Küche erobern würde. Möbel wie vom Flohmarkt zusammengesucht, mit Gebrauchsspuren, aus groben Holz zusammengezimmert. Bauformat aus dem westfälischen Löhne entwickelte eine Oberfläche, die durch Druck und 3-D-Effekt wirkt, als seien ihre Holzbohlen eben aus dem Wald geholt worden.
Tatsächlich ist jedoch Lack die gefragte Oberfläche. Lackweiß eben, zunehmend auch Lack in Naturtönen wie Sand, Curry oder Greige, einer neuen Erfindung, die irgendwo zwischen Grau und Beige liegt. Wem Weiß alleine zu monoton, zu steril ist, der kombiniert es mit Holz jeder Art oder eben mit farbigen Elementen. Regalfächer in knalligem Gelb, Grün, Blau oder Violett.
Aber auch monochrome Farben sind wieder angesagt. Alno etwa kombiniert weiße Oberschränke mit matt blauer Kochinsel. Zeyko präsentiert eine Küche so elegant wie ein Wohnzimmer. Mit braunem Glas als Oberflächen und Schiebetüren, hinter denen großflächig die Geräte verschwinden und sich bei Wunsch der Blick auf den heimeligen Gaskamin öffnet.
Versenkbare Abzugshauben
Ohnehin sind die Küchen immer technischer geworden. Gaggenau etwa stellt eine Backofen-Serie vor, die es von ihrer Ästhetik durchaus mit dem iPad aufnehmen kann. Backofen, Mikrowelle, Espresso-Vollautomat und Wärmeschublade mit edelstählernen Oberflächen, die per Touch-Display bedient werden. Da befinden wir uns allerdings schon in der Luxusklasse: Allein der Backofen kostet etwa 4000 Euro.
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Und auch das sieht man en masse, weil es so angesagt ist: Induktion. Diese Kochfelder, die metallische Töpfe elektromagnetisch erhitzen. So schnell wie Gas, so unproblematisch wie Strom. Besonders beliebt sind Flächen, die sich flexibel den Böden der Kochtöpfe anpassen.
Und wer Dunstabzugshauben nicht Kunstobjekten gleich über der Kochinsel schweben lassen will, kann sie auch versenkbar neben dem Kochfeld installieren lassen. Per Knopfdruck herausfahrbar. Edelstählern auch sie. Noch dezenter ist höchstens eine Lösung wie sie von Gaggenau vorgestellt wird. Abzugsleisten, die sich plan neben dem Kochfeld befinden, und die Gerüche und Dämpfe fast geräuschlos absaugen. Aber da sind wir wieder mal im hochpreisigen Segment.
Das Unsichtbarmachen ist ohnehin bei den neuen Küchen ein großes Thema. Kein Wunder, wer in der Küche wohnt, will alles, nur kein Chaos. Und so gibt es fast nichts, was sich nicht wegzaubern lässt. Weinflaschen versinken in der Insel, Kochfelder unter Arbeitsplatten, ja, am Ende die ganze Küchenzeile hinter elektrisch beweglicher Front. Bei Warendorf sogar hinter mit Rost besprühten Flächen. Mehr Loftgefühl geht nicht.