Nashville. . Nicole Kidman (45) ist seit fast zwanzig Jahren eine gesetzte Marke in Hollywood, nun ist sie auf der Leinwand in dem Film „Stoker“ zu sehen. Im Interview spricht die Oscar-Preisträgerin über ihr zurückgezogenes Privatleben, die Planung ihrer zweiten Lebenshälfte und den Zauber der Filmindustrie.
Obwohl ihr Privatleben schon immer ein Thema in den Medien war, stand ihr schauspielerisches Talent noch nie zur Debatte: Nicole Kidman hat mit so namhaften Regisseuren wie Stanley Kubrick, Baz Luhrmann oder Lars von Trier zusammengearbeitet. 2003 bekam sie einen Oscar als beste Schauspielerin für „The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Nach der Scheidung von Star-Kollege Tom Cruise heiratet sie 2006 den australischen Countrysänger Keith Urban. Hauptwohnsitz des Paares und der beiden Töchter ist Nashville in Tennessee. Dort ist auch ihr neuer Film, der Psycho-Thriller „Stoker“, entstanden.
Was reizt Sie an der Country-Musik-Hauptstadt Nashville?
Nicole Kidman: Ich bin eine große Musikliebhaberin, dafür kann ich mich wirklich begeistern. Und die Natur in Nashville ist so wunderbar. Wir leben zwar mitten im Zentrum. Aber uns gehört auch eine Farm, von da ist es nicht weit in die Smokey Mountains, wo wir gern eine Hütte mieten. Wir führen ein wirklich sehr ruhiges, zurückgezogenes Leben. Ich finde es einfach fantastisch.
Was für Musik hören Sie denn am liebsten?
Kidman: Ich bin überhaupt nicht festgelegt, ich mag alle möglichen Musikrichtungen. Ich höre beispielsweise gern Countrymusik. Aber ich bin auch ein großer Fan von Jack White, den ich dieses Jahr bei den Grammys erlebt habe, er lebt übrigens auch in Nashville. Genauso wie die „Black Keys“, die mir auch sehr gut gefallen. Aber ich liebe auch Jazz.
Und was ist mit klassischer Musik? Wie lange ist es her, dass Sie zum letzten Mal in der Oper waren?
Kidman: Mit Opern bin ich groß geworden. Ich war vor kurzem in Australien, aber nur für eine Nacht. Keith hatte einen Auftritt in Brisbane. Und meine Mutter und mein Vater haben sofort gesagt, du kommst mit uns in die Oper, wir sehen uns „Ein Maskenball“ von Verdi an. Es war wirklich wunderschön und es hat sich genauso angefühlt wie damals, als ich zehn Jahre alt war. Doch es gab einen Unterschied: Diesmal bin ich nicht eingeschlafen . . . (lacht).
Sie halten sich sehr bedeckt, was Ihr Privatleben angeht . . .
Kidman: Neben der Tatsache, dass die Menschen nicht alles über mich wissen müssen, finde ich auch, dass diese Offenheit mich als Schauspielerin weniger interessant macht. Es gibt heutzutage einfach zu viele Informationen über Schauspieler. Das letzte bisschen Geheimnis geht verloren. Und damit auch die Illusion auf der Leinwand. Ich möchte all diese Dinge über Kollegen gar nicht wissen. Wer aufmerksam hinsieht, wird in meiner Arbeit immer entdecken, in welchem emotionalen Stadium ich mich gerade befinde. Denn natürlich fließt ein großer Teil meiner Gefühle immer mit in die Arbeit ein. Ein bisschen Distanz zum Zuschauer muss sein, sonst funktioniert der ganze Zauber des Kinos auch irgendwann nicht mehr.
Sie haben sich immer gegen unnötige Gewalt in Filmen ausgesprochen. Nun haben Sie mit dem südkoreanischen Regisseur Park Chan-wook zusammengearbeitet, zu dessen Markenzeichen Gewaltexzesse vor der Kamera gehören. Hatten Sie da keine Bedenken?
Kidman: Es stimmt, ich mag keine überflüssige Darstellung von Gewalt. Trotzdem bin ich nicht grundsätzlich dagegen und zwar dann nicht, wenn solche Szenen für die Handlung relevant sind. Ich bin der Meinung, auch solche Filme sollten eine Aussage oder eine Botschaft haben. Es darf nicht einfach nur um reine Effekthascherei gehen. Das Drehbuch hat mich inspiriert, deshalb war ich bereit, mich darauf einzulassen. Ich hatte Bedenken, aber aus einem anderen Grund. Ich habe mich gefragt, wie sollen wir einen englischen Film drehen, wenn der Regisseur die Sprache nicht spricht? Aber es war kein Problem, er hatte immer einen Übersetzer dabei.
Welche seiner Filme haben Sie denn vorher gesehen?
Kidman: Ich habe mir die „Vengeance Trilogie“ angesehen. Aber von „Oldboy“ habe ich nur die erste Hälfte geschafft, dann konnte ich nicht mehr hingucken – es war mir zu brutal. Ich musste aufgeben . . . (lacht).
Wie sehr hat die Karriere in Hollywood Sie verändert?
Kidman: Ich bilde mir ein, immer noch dieselbe Frau zu sein wie damals, als ich noch keinen Erfolg hatte. Ich versuche jeden Tag wieder, genau so neugierig und risikofreudig anzugehen wie früher. Ich will eine Abenteurerin bleiben. Ein freier Geist, der neue Dinge ausprobiert. So sehe ich mich in meiner Idealvorstellung.
Sie können auf viele Höhepunkte in Ihrem Berufsleben zurückblicken, Sie haben einen Oscar bekommen. Wie lange macht so eine Auszeichnung glücklich?
Kidman: Es war ein unglaublicher Moment. Als ich den Oscar bekam, habe ich mich aber gleichzeitig unendlich einsam gefühlt. Denn damals hatte ich noch nicht das, was ich heute habe. Gerade in den Situationen, in denen du einen enormen beruflichen Erfolg erfährst, verstärkt das auf der anderen Seite das Gefühl für das, was im wahren Leben fehlt. Alle gehen nach Hause, nur du bleibst allein zurück. So habe ich das damals empfunden. Das war in der Zeit von „Moulin Rouge“, als er auf dem Cannes-Filmfestival lief, bis zum Oscar, den ich für „The Hours“ bekam. Das war eine merkwürdige Zeit in meinem Leben, weil mein beruflicher Erfolg und mein persönliches Scheitern aufeinanderprallten. Aber ich weiß, dass es vielen Menschen so ergeht. Heute ist mir klar, dass man sein Leben ausbalancieren muss.
Viele Frauen finden ja ihr Glück erst in der zweiten Hälfte Ihres Lebens. Wie haben Sie das erlebt?
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Kidman: Ich denke, diese Phase hat für mich begonnen, als ich so um die 40 war. Das ist der Zeitpunkt, den ich als Start in meine zweite Lebenshälfte betrachte. Vielleicht stimmt meine Berechnung auch gar nicht, vielleicht befinde ich mich auch schon im letzten Drittel meiner Lebenszeit, oder sogar schon im letzten Viertel, ich weiß es ja nicht. Aber ich hoffe natürlich schon, dass mir noch ein paar Dekaden bleiben, so Gott will. Ich fand es unglaublich toll, dass Emmanuelle Riva, die dieses Jahr als beste Darstellerin für ihre Leistung in Michael Hanekes Film „Liebe“ nominiert war, genau am Tag der Verleihung 86 Jahre alt wurde. Wie wunderbar!
Ist Sie ein Vorbild für Sie?
Kidman: Ich denke, ihre Nominierung sagt auch etwas darüber aus, wie langlebig die Karriere einer Schauspielerin sein kann. Normalerweise heißt es doch immer: Oh, mit 40 Jahren ist für eine Schauspielerin alles vorbei, dann hat sie ihr Verfallsdatum erreicht. Doch wenn man sich Emmanuelles Karriere ansieht, wird man eines Besseren belehrt. Und das finde ich großartig.
Ist das die Ideal-Vorstellung von Ihrer Alterskarriere?
Kidman: Als ich mit Stanley Kubrick „Eyes Wide Shut“ gedreht habe, hat er mir vor Beginn der Dreharbeiten gesagt: Du siehst aus wie der glamouröse Star eines Films, aber ich engagiere dich als Charakterdarstellerin. Und ich glaube, besonders jetzt mit zunehmendem Alter, möchte ich mehr Charakterrollen spielen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist ja nichts verkehrt daran, der Star zu sein, aber wirklich interessant finde ich die Charakterrollen.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie sich Ihre Rollen nicht aussuchen, sondern Ihre Filmprojekte gewissermaßen Sie finden. War das diesmal ein ähnlicher Prozess?
Kidman: Es ist tatsächlich häufig so. Diesmal bekam ich einen Anruf und man fragte mich, ob ich etwas von diesem südkoreanischen Regisseur gehört habe, der wolle mir nämlich einen Film anbieten. Parks Name war mir geläufig, also habe ich das Drehbuch gelesen und mich in die Arbeit verliebt. Mir sind aber vor allem die Regisseure wichtig. Es ist so ein Gefühl, dass ich mit Vertrauen beschreiben kann. So ging es auch mit Olivier Dahan, mit dem ich „Grace Of Monaco“ gemacht habe, oder Baz Luhrmann. Ich treffe diese Menschen und habe das Gefühl, das könnte klappen, wir könnten etwas zusammen auf die Beine stellen. Es lohnt sich, meine Zeit in diese Projekte zu investieren.