Bochum. Wieso finden wir manche Menschen sofort sympathisch – und andere nicht? Das verrät ein Bochumer Psychologe im Interview.

Warum ist uns ein Mensch auf Anhieb sympathisch, ein anderer nicht? Das hängt vor allem davon ab, ob wir skurrile Vorlieben teilen – wie etwa ein exotisches Leibgericht, eine außergewöhnliche Lieblingsband oder ein verrücktes Hobby – sagt Hans Alves von der Ruhr-Universität Bochum. Sophie Sommer hat der Psychologe verraten, warum das so ist.

Haben Sie selbst ein skurriles Hobby?

Hans Alves: Nicht direkt. Aber ich bin Fan des US-amerikanischen Musikers Tom Waits. Und man begegnet selten jemandem, der ihn kennt, geschweige denn auch mag. Wenn ich dann mal jemanden getroffen habe, war mir diese Person sofort extrem sympathisch. Das hat mein wissenschaftliches Interesse geweckt. Verschiedene Studien hatten zwar schon gezeigt, dass gleiche Vorlieben die Sympathie zwischen Menschen befördern. Aber ob seltene Vorlieben für noch mehr Anziehung sorgen? Das wollte ich herausfinden.

Dafür haben sie gleich mehrere Studien durchgeführt. Hat sich Ihre Vermutung bestätigt?

Zuerst haben wir die Versuchspersonen nach Einstellungen, Vorlieben und Abneigungen gefragt: Welche Bücher liest jemand gern? Was isst die Person gern, was mag sie nicht? Welche Filme schaut sie oder eben nicht? Wie sieht es aus mit Stars? Hobbys? Urlaubsplänen?

Unter den Angaben, die die Befragten machten, waren sowohl gängige Aussagen wie „Ich mag Urlaub in der Sonne“, aber auch skurrile Vorlieben wie zum Beispiel bestimmte Verkleidungen. Im nächsten Schritt haben wir den Probanden fiktive Profile von anderen Personen vorgelegt, die angeblich dieselben Interessen mit ihnen teilen, und gefragt: Wie groß wäre das Interesse daran, diese Person kennenzulernen und Zeit mit ihr zu verbringen? Es hat sich gezeigt, dass die Sympathie deutlich stärker ist, wenn das Gegenüber dieselbe seltene Vorliebe teilt.

Woran liegt das?

Generell mögen wir Menschen, die die Welt so sehen wie wir. Ähnlichkeiten erzeugen ein Verbundenheitsgefühl. Das gilt sogar für zufällige Übereinstimmungen wie denselben Geburtstag oder denselben Namen. Ähnlichkeiten geben uns auch eine gewisse Sicherheit: Wir haben das Gefühl, dass wir die Person besser einschätzen können. Bei anderen suchen wir auch immer Bestätigung für unsere eigenen Einstellungen.

Das ist einer der Hauptgründe, warum uns Menschen, die dasselbe skurrile Hobby teilen, besonders sympathisch sind. Wir können nämlich davon ausgehen, dass dieses Bedürfnis nach Bestätigung besonders stark ist, wenn es um Anschauungen geht, die selten sind, weil wir da eben nur sehr selten bestätigt werden. Jemand, der unsere skurrile Vorliebe teilt, zeigt uns, dass wir nicht allein sind. Gemeinsam ist man eben weniger verrückt. Ein anderer Grund ist, dass seltene Eigenschaften informativer sind als häufige.

Der Bochumer Psychologe Hans Alves forscht zu Sympathie.
Der Bochumer Psychologe Hans Alves forscht zu Sympathie. © Marquard | Ruhr-Universität Bochum

Inwiefern?

Sie sagen mehr über die eigene Ähnlichkeit mit einer anderen Person aus. Als Beispiel: Wenn zwei Menschen sagen, sie mögen Sommer und Sonne, unterscheidet sie das nicht so sehr von der Gesamtbevölkerung. Wenn sie aber regnerisches und kaltes Wetter mögen, hebt sie das von den meisten ab. Sie bilden eine kleine Einheit. Wir erleben das als eine Art Bündnis: Wir gegen den Rest der Welt.

Wenn uns geteilte, seltene Vorlieben jemanden auf den ersten Blick sympathischer erscheinen lassen, spielen sie dann auch eine entscheidende Rolle beim Dating?

Auch das haben wir untersucht und auch hier war die Bereitschaft der Singles, jemanden zu treffen, besonders groß, wenn seltene Angaben übereinstimmten.

Bochumer Experte: Gemeinsame Vorlieben sind wichtiger als geteilte Abneigungen

Was können wir daraus für die Praxis lernen?

Wenn ich eine Dating-Plattform betreiben würde, würde ich die Userinnen und User gezielt nach besonderen Interessen fragen – und sie dann anhand dieser Angaben zusammenbringen.

Beeinflussen die skurrilen Interessen die Beziehung dann auch langfristig?

Unsere Studien befassen sich eigentlich nur mit dem ersten Eindruck. Aber wir können davon ausgehen, dass es langfristig förderlich für eine Beziehung ist, wenn man ähnliche Interessen oder Vorlieben hat – ob seltene oder häufige. Die Übereinstimmung der Einstellungen gegenüber der Beziehung selbst ist dabei besonders einflussreich: Soll sie offen oder geschlossen sein? Wünscht man sich Kinder, und wenn ja, wie viele?

Nicht nur unsere Vorlieben, sondern auch unsere Abneigungen verbinden uns. Was ist entscheidender, wenn es darum geht, wen wir sympathisch finden?

Generell kann man sagen, dass Ähnlichkeiten – ob geteilte Vorlieben oder Abneigungen – die Sympathie verstärken. Wir haben aber herausgefunden, dass geteilte positive Einstellungen eine wichtigere Rolle spielen. Das ist nicht verwunderlich: Immerhin definieren sich die meisten Gruppen über etwas, das sie mögen – Fußball, Musik, Handarbeit. Eine Vorliebe für etwas sagt außerdem mehr über den Menschen aus als eine Ablehnung von etwas. Als Beispiel: Zwei Personen mögen Robert Habeck. Sie wählen vermutlich beide grün und teilen dieselben Werte und Ansichten. Zwei Personen mögen Robert Habeck nicht: die eine, weil sie Umweltaktivistin ist, der andere, weil er AfD wählt.

Wenn man eine besonders außergewöhnliche Vorliebe hat oder einem seltenen Hobby nachgeht, kann man sich schnell einsam fühlen. Was kann man dagegen tun?

Früher war es schwierig, Gleichgesinnte zu finden. Vor allem, wenn man in einem kleinen Dorf lebte und die einzige Person war, die ein skurriles Hobby hatte. Aber heutzutage ist es dank der sozialen Medien viel einfacher geworden, sich mit anderen auszutauschen und Menschen zu finden, die dieselben, noch so skurrilen Interessen teilen.

Weitere Texte aus dem Ressort Wochenende finden Sie hier: