Bochum. Es spielte in der ersten Liga der Kaufhäuser mit und weckt bei vielen Menschen im Ruhrgebiet nostalgische Gefühle: das Kaufhaus Kortum in Bochum.

Sobald das Wörtchen „Kortum“ fällt, funkeln bei vielen Menschen im Ruhrgebiet noch heute die Augen. Für jene, die in den 60er-Jahren groß geworden sind, muss es ein Paradies gewesen sein –nicht nur wegen der Spielzeugabteilung. „Jeder Einkauf war ein Erlebnis. Wenn ich an die Lebensmittelabteilung denke, läuft mir immer noch das Wasser im Munde zusammen“, erinnert sich Georg Kowalski aus Bochum, der eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei Kortum gemacht hat.

Kein Wunder, denn alle erdenklichen Köstlichkeiten der Nachkriegszeit gab es in der kulinarischen Ecke in der vierten Etage „lose“ zu kaufen, Käse, Plätzchen, Luftgetrocknete und frisch geröstete Erdnüsse – und natürlich Butter, die von einem kleinen Berg gekratzt wurde.

Das klingt für Menschen von heute nicht sehr spektakulär, aber man muss sich vor Augen halten: Supermärkte gab es in Deutschland erst ab 1957 – und allzu weit verbreitet waren sie auch in den 60er-Jahren noch nicht. Geschweige denn, dass man sie mit dem Überfluss von heute vergleichen konnte. Zudem war die Auswahl bei Kortum exquisit, das Haus spielte damals in der ersten Liga der deutschen Kaufhäuser.

Erfrischungsraum samt Live-Musik im Bochumer Kaufhaus Kortum

Wer Lebensmittel einkaufte, legte oft noch eine Pause in der Milchbar ein – oder im Erfrischungsraum, wo die Bedienung mit weißem Schürzchen noch an den Tisch kam, um die Bestellung von Kaffee, Kuchen, Eis, Wiener Würstchen oder Gulaschsuppe aufzunehmen.

Aus heutiger Sicht erscheint es fast verrückt: Dazu wurde dezente Live-Musik von einer kleinen Kapelle gespielt, die allabendlich zum Ladenschluss um 18 Uhr auch den akustischen Abschiedsgruß anstimmte: „Auf Wiederseh‘n, auf Wiederseh‘n, bleib nicht zu lange fort, denn ohne Dich ist’s halb so schön, darauf hast du mein Wort.“ Dabei hatte man damals noch lange nicht die eines Tages heraufdämmernden Kaufhauskrisen im Hinterkopf.

„Fräulein Verkäuferin“ war seinerzeit überall im Kortum Kaufhaus in Bochum anzutreffen – schon wegen der Beratung.
„Fräulein Verkäuferin“ war seinerzeit überall im Kortum Kaufhaus in Bochum anzutreffen – schon wegen der Beratung. © Stadt Bochum, Presseamt | Fotografen der Stadt Bochum

Personal gab’s zuhauf, denn das „Fräulein Verkäuferin“ fand sich in jeder Abteilung, sei es Kurzwaren, Damenoberbekleidung oder Schreibwaren. Und von Etage zu Etage gelangte man im Fahrstuhl – natürlich mit Fahrstuhlführer, meist ältere Kriegsversehrte, die Knöpfchen drückten und in Uniform die zu den Stockwerken gehörigen Abteilungen ansagten.

Die Spielzeugabteilung hat sich am stärksten in die Erinnerung vieler Kinder eingebrannt: „Es war ein Paradies für Kinderaugen. Ich entdeckte dort eine Puppenküche wie eine Küchenzeile gehalten in hellblau und rosa, vor der ich stehen und mit Töpfen und Geschirr hantieren konnte“, erinnert sich Heike Dahlmann aus Bochum.

Unvergessen ist für viele in dieser Abteilung auch die sogenannte „Bimbo-Box“. „Hier durfte ich jedes Mal einen Groschen reinwerfen und die Äffchen tanzen und musizieren lassen“, sagt Peter Klusmann aus Hattingen. Heute steht der Automat im Haus Kemnade.

Die dunkle Vergangenheit des Kaufhaus Kortum in Bochum

Natürlich gab es auch dunkle Flecken in der Kortum-Vergangenheit: Zwischen 1914 und 1921 wurde das wuchtige Sandsteingebäude als „Kaufhaus Alsberg“ errichtet, allerdings wurde die jüdische Familie Alsberg 1933 im Zuge der Arisierung enteignet. Das Kaufhaus wurde nach dem Arzt, Wissenschaftler und Dichter Carl Arnold Kortum umbenannt in „Kaufhaus Kortum“.

Alfred Alsberg wurde von den Nazis zunächst als Geschäftsführer weiterbeschäftigt, ehe man die Familie ab 1941 in verschiedene Ghettos und Vernichtungslager deportierte. Nur drei Kinder überlebten den Zweiten Weltkrieg im Ausland.

Das Kaufhaus Kortum in Bochum im Jahr 1928.
Das Kaufhaus Kortum in Bochum im Jahr 1928. © Stadt Bochum, Presseamt | Repro der Fotografen der Stadt Bochum

Die Nachkriegszeit brachte dem Kortum-Kaufhaus einen erfolgreichen Neuanfang, so erfolgreich sogar, dass Regisseur und Drehbuchautor Dieter Wedel ihm im Jahr 1993 ein filmisches Denkmal setzte. Denn im vierteiligen ZDF-Fernsehfilm „Der große Bellheim“ war es die wichtigste Kulisse, gedreht wurde abends nach Ladenschluss. Damals waren mehrteilige Fernsehfilme große Medienereignisse.

Mit der Spielzeit von 455 Minuten würde man in heutigen Netflix-Zeiten vermutlich eine Miniserie daraus machen. Die Handlung liest sich wie die vorweg genommene Prophezeiung allzu vieler Kaufhauskrisen, die wir ja bis heute miterleben. Der Leiter der Kaufhauskette Bellheim muss seinen Ruhestand unterbrechen, da sein Geschäft finanziell ins Schlingern geraten ist. Der Kaufhaus-Grande trommelt eine Garde von alten Haudegen zusammen, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, das Motto der Verwegenen: „Wer uns für verkalkt hält, sieht selbst schnell ganz alt aus.“

Kaum jemand wusste es damals, aber solche Sanierer hätte Kortum selbst dringend benötigt. Mitte der 90er-Jahre musste das Kaufhaus wegen finanzieller Schwierigkeiten geschlossen werden. Was bleibt ist das anschließend sanierte Gebäude selbst, in das nun als „Kortumhaus“ mehr als ein Dutzend Einzelmieter eingezogen sind. Es zieht noch immer viele nostalgische Blicke von Passanten in der Bochumer Fußgängerzone auf sich.