Dortmund. Etliche Bier-Sorten, dicht besetzte Theken und das berühmte Stößchen: Dortmund war einst Bierhauptstadt. Doch dann gab es Pleiten und Fusionen.

Mit kräftigen Pferdegespannen fuhren die Kutscher durch Dortmund, um die frisch gefüllten Fässer zu den Wirten und ihren durstigen Gästen zu bringen: Die Zeiten, in denen das flüssige Gold von Bierkutschern ausgeliefert wurde und das Klirren der Flaschenbier-Wagen in der ganzen Stadt zu hören war, sind längst vorbei.

Bereits ab den 1930ern schickten die Brauereien ihre tierischen Lieferanten langsam in den Ruhestand, seit 1959 ist die Ära der Bierkutscher beispielsweise bei der DAB endgültig Geschichte. In dem Jahr, in dem die Pferde gingen, kam Horst Duffe. Seit mehr als 60 Jahren schlägt sein Herz nun schon für die Brauerei, der er auch im Ruhestand treu geblieben ist.

Brauerei-Museum Dortmund: Original-Theke aus den 1920ern

Heute führt der 86-Jährige Bier-Liebhaberinnen und -Liebhaber durch das Dortmunder Brauerei-Museum – und nimmt sie mit auf eine Reise in die Zeit, in der Dortmund noch die Bierhauptstadt der Republik war und die vielen Kneipen der Stadt abends dicht besetzt waren.

„An dieser Theke habe ich mein erstes Bier getrunken“, erzählt Duffe. Die Theke aus den 1920er-Jahren samt Hockern, Zapfhahn und einer Glasvitrine, in der man Soleier und Frikadellen aufbewahrte, stammt aus einer Kneipe in Lütgendortmund, in der Duffes Großvater oft zu Gast war. Als die Gaststätte dicht machte, holte Duffe die Theke ins Brauerei-Museum.

Die vielen verschiedenen Brauereien machten Dortmund eins zur Bierhauptstadt der Republik.
Die vielen verschiedenen Brauereien machten Dortmund eins zur Bierhauptstadt der Republik. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

„Die Frauen wussten damals, dass die Männer nach der Schicht erstmal in eine Gaststätte gingen und ein, zwei Bierchen tranken“, sagt er. Aus den Zapfhähnen in seiner Stammkneipe floss – wie sollte es anders sein – DAB. Auch in den anderen Revierkneipen wurde fast ausschließlich Dortmunder Bier ausgeschenkt, die Auswahl war schließlich groß: Die Bierkultur der Stadt reicht bis ins Mittelalter zurück.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Dortmund – mit seinem rasanten Wirtschaftswachstum und der verkehrsgünstigen Lage – zu einem attraktiven Brauerei-Standort. So wurde bereits in den 1870ern ein Bierbahnhof in der Stadt errichtet.

DAB und Union-Brauerei als erste Dortmunder Brauerei Aktiengesellschaften

Zur selben Zeit entstanden mit der Dortmunder Actien-Brauerei (DAB) und der Union-Brauerei die ersten Brauerei Aktiengesellschaften, ihnen folgten bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein gutes Dutzend Neugründungen. Den Ersten Weltkrieg überstanden nur einige von ihnen: Dortmunder Thier und Kronen, die kleine Bergmann-Brauerei und die Union-, Actien-, Ritter-, Hansa- und Stifts-Brauerei. Sie machten das Dortmunder Bier nach dem Krieg weltweit bekannt. Mitte der 1960er stammte jedes zehnte in Deutschland und jedes fünfte im Ausland getrunkene deutsche Bier aus der Westfalenmetropole.

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Und getrunken wurde nicht gerade wenig: Mitte der 1970er erreichte der Bierkonsum mit 150 Litern pro Kopf einen nationalen Rekord. Dabei wurde das Bier nicht nur in großen Krügen serviert, als kleiner Durstlöscher war auch das „Dortmunder Stößchen“ mit seinen lediglich 0,1 Litern bei vielen beliebt. „Das Stößchen ist in einer Dortmunder Gaststätte entstanden, die direkt an einer Straßenbahn-Linie lag. Während die Menschen auf ihre Straßenbahn gewartet haben, konnten sie schnell mal ein kleines Stößchen trinken“, erzählt Duffe.

Im Brauerei-Museum Dortmund erinnert noch vieles an die Vergangenheit der einstigen Bierhauptstadt.
Im Brauerei-Museum Dortmund erinnert noch vieles an die Vergangenheit der einstigen Bierhauptstadt. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Er selbst war nicht nur in der Dortmunder Kneipen-Szene unterwegs. Seine Mission: DAB in der ganzen Welt bekannt machen. Mit einem 18 Meter langen Truck, dem sogenannten „DAB-Zug“, fuhr er durch Spanien, Griechenland, Schottland, eigentlich durch ganz Europa und die USA. „Ich war insgesamt zehn Jahre unterwegs. Natürlich war ich immer mal wieder für ein paar Wochen zuhause, aber ich war schon oft weg. Als ich meiner Frau von dem Angebot erzählt habe, hat sie trotzdem sofort gesagt: ,Mensch, mach das doch! Du liebst doch deine Brauerei!’“

Während Duffe die Welt bereiste, veränderte sich die Bier-Landschaft in seiner Heimat radikal. Wurde früher noch an zig verschiedenen Orten im gesamten Stadtgebiet gebraut, führten Fusionen, Übernahmen und Pleiten dazu, dass am Ende nur noch zwei Braustandorte übrig blieben.

Dortmunder Biersorten unterm Dach der Radeberger Gruppe vereint

sRitter, Union, Hansa, DAB, Kronen, Stifts, Thier oder Brinkhoff’s: Heute gehören fast alle Dortmunder Biermarken der Radeberger Gruppe – und somit Dr. Oetker. Gebraut werden sie alle an der Steigerstraße, direkt neben dem Brauerei-Museum, und im kleinen Brauhaus Hövels in der Innenstadt. Einzige Ausnahme: das Bergmann-Bier. „Die waren auch in der Radeberger-Gruppe aber haben sich 2005 frei gekauft“, sagt Duffe. Er selbst trink das Bergmann-Pils, -Export oder -Schwarzbier am liebsten direkt am Produktionsort, in der „Stehbierhalle“ auf Phoenix West.

Stehbierhallen, die meist direkt an die Brauereien angeschlossen und für ein schnelles Bier oder zum Probieren gedacht waren, gab es früher in der ganzen Stadt. „Etwas, das in Vergessenheit geraten ist und woran wir erinnern möchten“, heißt es dazu von der Bergmann-Brauerei.

Eine Tradition, an die sich auch Horst Duffe gerne erinnert. „Heute gibt’s ja generell fast keinen Thekenbetrieb mehr. Aber früher saßen wir stundenlang an der Theke, haben Karten gespielt und geknobelt.“ Damit die „guten, alten Zeiten“ nicht gänzlich in Vergessenheit geraten, ist Duffe jeden Tag im Brauerei-Museum im Einsatz.