Essen. Zwischen Glück und Baby Blues: Die Wochenbettzeit ist für viele besonders emotional und herausfordernd. Eine Hebamme gibt Tipps.
Sie wusste, was sie erwartet. Als Hebamme hatte Lisa Hobelsberger schließlich nicht nur etliche Geburten begleitet, sondern Eltern und Baby auch in den ersten Wochen als Familie unterstützt. Dennoch brauchte sie Monate, um nach der Geburt ihres ersten Kindes „richtig im Mami-Sein anzukommen“, erzählt die heute 35-Jährige im Rückblick: „Trotz der stetig mehr werdenden Liebe fragte ich mich manchmal, wie ich aus dieser Nummer wieder heraus und zurück in mein altes Leben kam.“
Dass sie Schwierigkeiten hatte, sich in ihrer neuen Rolle zurechtzufinden, hat für sie vor allem einen Grund: Sie hat das Wochenbett nicht wirklich genossen. In der sogenannten Wochenbettzeit – gemeint sind damit die ersten sechs bis acht Wochen nach der Geburt – beginnt der Körper, sich von den Anstrengungen durch Schwangerschaft und Geburt zu erholen. Gleichzeitig gewöhnen sich die frisch gebackenen Eltern langsam an das Leben als Familie.
Praktische Erste-Hilfe-Tipps
Das stellt sie vor viele Herausforderungen – auf die sie oft nicht vorbereitet sind, sagt Hobelsberger: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Hauptaspekt im Geburtsvorbereitungskurs wirklich nur auf der Geburt liegt. Das Wochenbett beginnt aber nun mal genau in der Sekunde danach.“
Welche Grundbedürfnisse hat das Baby in den ersten Wochen nach der Geburt? Wie verändert sich der Körper der Mutter? Was braucht sie in dieser Zeit? Und was macht all das mit einer Partnerschaft? Fragen wie diese beantwortet die Hebamme daher in ihrem neuen Buch „Hallo Wochenbett“. Sie erklärt, was neben einem Stillkissen noch ins Wochenbett-Körbchen gehört, liefert Rezept-Ideen und Erste-Hilfe-Tipps, etwa bei Milchstau.
Wichtiger als diese praktischen Hinweise zu geben, ist es für Hobelsberger allerdings, die Eltern auf die psychischen Herausforderungen vorzubereiten. „Das Wochenbett ist der Beginn eines neuen gemeinsamen Weges. Und der Weg ist manchmal ganz wundervoll und leicht. Manchmal ist er aber auch sehr holprig“, sagt sie.
Dass der Weg auch für sie selbst holprig werden würde, hat Hobelsberger kurz nach der Geburt nicht für möglich gehalten. Ihr Baby schlief meist selig im Tragetuch ein. Körperlich ging es ihr so gut, dass sie Verwandte und Freunde immer frisch geduscht und gut gelaunt treffen konnte. „Ich wollte schnell wieder die Alte sein und gönnte mir dabei aber zu wenig Zeit, um mich und mein Baby kennenzulernen.“ Nach kurzer Zeit fühlte sie sich „leer und verletzlich“, habe einfach zu hohe Anforderungen an sich selbst gestellt.
Baby Blues im Wochenbett
So offen wie sie sprechen nur wenige Frauen über die Schwierigkeiten, sich in der Mutter-Rolle zurechtzufinden. Dabei sind viele Mütter in den Tagen nach der Geburt alles andere als glücklich. Neun Monate lang haben sie sich auf das Baby vorbereitet, sich gefreut, es endlich in den Armen zu halten. Sie erwarten vor Glück zu platzen – und spüren dann aber nichts oder zumindest nicht die bedingungslose Liebe, die ihnen prophezeit wurde.
„Das Kind ist da und schon ist alles rosarot: So kennt man es aus den Medien. So ist es aber nicht immer“, stellt Hobelsberger klar. Vom sogenannten „Baby Blues“ sind Studien zufolge mehr als die Hälfte aller Mütter betroffen. Die auch „Heultage“ genannte Verstimmung tritt oft bereits in der ersten Woche nach der Geburt auf, ist hormonell begründet und muss in der Regel nicht behandelt werden, da sie nach kurzer Zeit wieder von allein endet.
Anders ist es bei der Wochenbettdepression. Tiefe Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Gleichgültigkeit gegenüber den Dingen, die einem normalerweise Freude bereitet haben: Die Symptome der sogenannten postpartalen Depression sind dieselben wie bei einer normalen Depression und können auch noch lange nach der eigentlichen Wochenbettzeit auftreten.
Laut Expertinnen und Experten ist etwa jede zehnte Frau betroffen. Das Problem: Die Krankheit wird häufig nicht erkannt. „Viele Frauen trauen sich nicht darüber zu reden, weil sie sich selbst Vorwürfe machen“, erzählt Hobelsberger. Umso wichtiger sei es, dass der Partner oder die Partnerin das Wohl der Mutter im Blick hat.
Eltern werden, Liebespaar bleiben
Aufeinander achtzugeben, als Familie neu zusammenzuwachsen: Für die Hebamme sind das generell die wichtigsten Aufgaben in der Wochenbettzeit. Paaren falle es dabei oft schwer, die neue Rolle als Eltern zu erfüllen und dabei trotzdem ein Liebespaar zu bleiben. „Gerade beim ersten Kind ist das eine große Herausforderung, weil man ja noch das Leben ohne Kind gewohnt ist. Wie bei allem ist es wichtig, offen über alles zu reden und Verständnis für den anderen zu haben“, rät Hobelsberger.
Ihr selbst und ihrem Mann sei das schon viel leichter gefallen, als sie zum zweiten Mal Eltern wurden. Als Hobelsberger schließlich ein drittes Mal schwanger wurde, konnte sie das Wochenbett sogar genießen. Sie machte nur das, worauf sie Lust hatte:
Ob stundenlang auf dem Sofa liegen und das Baby beobachten oder die Geburtswäsche im Garten aufhängen und dabei ganz allein die Sonne genießen. Sie lernte, die intensive Zeit zu schätzen, auch die schlechten Tage. „Eigentlich“, sagt Lisa Hobelsberger, „ist das Wochenbett wie Flitterwochen, nur eben zu dritt.“
>>> Alle Infos zum Buch
„Hallo Wochenbett. Es muss nicht alles magisch sein: Deine Psyche und dein Körper nach der Geburt“, Herbig-Verlag, 24€.
Lisa Hobelsberger bietet auch Online-Kurse für die Geburtsvorbereitung und die Zeit nach der Geburt an. Alle Infos unter www.meilenstein-akademie.com
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