Ruhrgebiet. Lachen über Depressionen, darf man das? Unbedingt, finden viele Künstler, die selbst betroffen sind – und nun gemeinsam ein Buch veröffentlichen.
Eine Depression, sagt Tobi Katze, könne man sich vorstellen wie eine Kreuzigung. In beiden Fällen hinge man schließlich unfreiwillig rum. Eine Depression sei nur „eben langweiliger“. Dass mit ihm „etwas nicht in Ordnung ist“, wurde dem Dortmunder Autor im Jahr 2013 bewusst.
„Mir haben immer weniger Dinge Spaß gemacht, ich habe es immer schlechter geschafft, mich bei Menschen zu melden. Mein Alkoholkonsum schoss unkontrolliert in die Höhe. Ich habe einfach Tage im Bett verbracht, weil nichts mehr ging“, erinnert er sich.
Jeder sechste Erwachsene erkrankt einmal im Leben an Depressionen
Jeder fünfte bis sechste Erwachsene ist laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe einmal in seinem Leben von der Krankheit betroffen. Durch die Corona-Pandemie stieg die Neuerkrankungsrate bei Mädchen zwischen zehn und 14 Jahren um 23 Prozent.
„Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen“, hält die Deutsche Depressionshilfe fest.
Depressionen sind häufig mit Stigma behaftet
Nicht-Betroffenen zu erklären, wie sich Depressionen anfühlen und was sie mit einem machen, sei eine große Herausforderung, findet Tobi Katze: „Von Freunden, Angehörigen und Unbekannten ist es leider eine typische Reaktion, dass sie einem sagen: Du musst einfach nur an dich glauben, dich nicht so reinfallen lassen in die Depression.“
Trotz zunehmender Aufklärung und einem wachsenden Bewusstsein in der Gesellschaft sind Depressionen häufig mit einem Stigma behaftet und werden nicht als das wahrgenommen, was sie sind: eine Krankheit.
Von Nico Semsrott bis Torsten Sträter: Comedians klären über Depressionen auf
Das will Tobi Katze ändern und hat daher zusammen mit 30 weiteren Künstlerinnen und Künstlern aus der Comedyszene das Buch „Vom Buffet der guten Laune nehm ich die sauren Gurken“ veröffentlicht. Wie bereits der Titel verrät, handelt es sich dabei nicht um ein ernstes Sachbuch.
Die Beteiligten, viele von ihnen selbst betroffen, können vielmehr lachen – „über die Depressionen, über sich selbst und über die, die sich darüber lustig machen“, wie es im Vorwort heißt.
Torsten Stärter und Kurt Krömer für Aufklärung über Depressionen ausgezeichnet
Mit dabei sind etwa Nico Semsrott, Ronja von Rönne, Max Giermann und Torsten Sträter. Letzterer ist Schirmherr der Deutschen Depressionsliga und wurde für eine Sendung, in der er mit seinem ebenfalls erkrankten Kollegen Kurt Krömer über Depressionen spricht, in diesem Jahr mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.
Comedians wie sie haben bewiesen, dass man sich der Krankheit auf humorvolle Weise nähern kann, um ihr die Schwere zu nehmen, ohne sie zu verharmlosen. „Darüber reden hilft den Leuten ja schon, hoffe ich jedenfalls. Wir sagen ja auch nicht: Es ist halb so wild, kuriert euch aus, macht ‘ne Ayurveda-Kur, sondern geht zum Arzt“, sagt die Bochumer Bestseller-Autorin Sabine Bode.
Zu wenig Therapieplätze für depressive Menschen in Deutschland
Doch in Deutschland fehlt es an Therapieplätzen. Eine Problematik, die sich mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie noch verschärft hat. Laut einer Umfrage der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung erhielten niedergelassene Psychotherapeutinnen und -therapeuten 2021 durchschnittlich 6,9 Anfragen pro Woche, deutlich mehr als noch im Jahr zuvor (4,9).
„Ich kenne einen Arzt, der in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum arbeitet. Er hat mir gesagt, dass er auf dem Zahnfleisch geht und viele Kinder und Jugendliche trotz akuter Probleme wieder nach Hause schicken muss“, erzählt Bode.
Cartoonist aus Essen hat Symptome seiner Depression lange ignoriert
Der Cartoonist Michael Holtschulte hatte hingegen Glück, fand schnell einen Therapieplatz. Der Essener habe sich vor zwei Jahren eingestehen müssen, dass er an Depressionen erkrankt ist – und das schon „seit Ewigkeiten“.
Angehäufte To-Do-Listen, die ihm über den Kopf wuchsen, alltägliche Aufgaben, die ihm plötzlich unmöglich erschienen, und schließlich das Gefühl, das Sofa nicht mehr verlassen zu können: Die Symptome seiner Depression habe er lange als Erschöpfung und Überarbeitung abgetan.
Künstler aus Essen über Depression: „Es ist schwer in Worte zu fassen“
„Es ist schwer in Worte zu fassen“, sagt Holtschulte, der seine Erfahrungen daher lieber in Cartoons verarbeitet. Als er zum Beispiel die Liedzeile „I see a red door and I want to paint it black“ (Ich sehe eine rote Tür und möchte sie schwarz anmalen) aus dem Song „Paint It, Black“ der Rolling Stones gehört hat, dachte er sich: „Das ist ja lustig. Der hat trotz Depressionen die Energie, eine Tür anzumalen.“
Holtschulte gilt mittlerweile als geheilt, die Therapie habe ihm sehr geholfen. „Das ist ja das Schöne. So ein blödes Jahr kann wie bei mir mit einem Umzug, Hochzeit und Kind enden“, sagt er.
„Und deshalb ist dieses Buch so unglaublich wichtig. Es zeigt, dass man sich durch die Depression nicht an den Rand gedrängt fühlen muss, dass man sich nicht dafür schämen muss, dass es Möglichkeiten gibt, Hilfe zu bekommen und geheilt zu werden.“