Essen. Katrin Heß wird bald zum zweiten Mal Mutter. Ihre erste Schwangerschaft hielt die Schauspielerin geheim. Über die Gründe spricht sie jetzt.
Katrin Heß ist Schauspielerin. 165 Zentimeter groß, schlank, braunes Haar, grüne Augen. In der Seifenoper „Verbotene Liebe“ spielte sie einst die hübsche, junge Studentin Judith Hagendorf. Aus der Actionserie „Alarm für Cobra 11“ kennt man sie als die toughe Polizeikommissarin Jenny Dorne. Als schwangere Frau hat man sie bis vor Kurzem jedoch noch nie gesehen. Dabei wird die 37-Jährige in ein paar Wochen bereits zum zweiten Mal Mutter. Heß hielt ihre erste Schwangerschaft im Jahr 2019 geheim, weil sie Angst vor einem Karriereeinbruch hatte.
Knapp vier Jahre später hat sie nun entschieden, genau das Gegenteil zu tun: Vier Fotos zeigen die Kölnerin auf ihrem Instagram-Account mit hochschwangerem Bauch. Unter jedem Beitrag steht der Hashtag #momingout, eine Mischung aus „Mum“ und „Coming-out“. Ihr Wunsch: Ein offenerer Umgang in der Film- und TV-Branche mit frischgebackenen Müttern und Vätern sowie weniger Benachteiligung von Schwangeren.
Schauspielerin Katrin Heß: Das perfekte Timing zählt
Einen Kinderwunsch hatte Heß bereits zu Beginn ihrer Schauspielkarriere. „Die Frage war nur immer: wann?“, sagt sie. Das perfekte Timing sei als Schauspielerin sehr wichtig. Drehen mit schwangerem Bauch? Für die meisten Rollen unpassend. Elternzeit? Für Freiberufler oft schwierig. Baby am Set? Wird ungern gesehen.
„Ich konnte nicht einschätzen, ob es nun besser wäre, schwanger zu werden, wenn man gerade viele Jobs hat, damit der Wiedereinstieg danach leichter ist oder wenn man gerade eh nicht viel zu tun hat, damit man nicht so viel absagen beziehungsweise vertagen muss“, erklärt Heß.
„Wenn du schwanger bist, sag es besser niemandem!“
So war die Schauspielerin fast erleichtert, als sie plötzlich überraschend schwanger wurde und ihr damit die Suche nach dem perfekten Zeitpunkt genommen wurde. „Mein Partner und ich konnten es erst gar nicht glauben, aber wir haben uns riesig gefreut“, so Heß. Doch anstatt ihr Glück mit der ganzen Welt zu teilen, dachte die Kölnerin an einen Rat, den ihr schon viele Kolleginnen zuvor gegeben hatten: „Wenn du schwanger bist, sag es besser niemandem!“
„Ich habe einmal mitbekommen, wie eine Kollegin mit Baby, Nanny und ein paar Restkilos von der Schwangerschaft zum Dreh angereist ist“, berichtet die Kölnerin. Die Produktion sei aus allen Wolken gefallen, was Heß vermuten ließ, dass ihre Kollegin die Rolle nicht bekommen hätte, wenn sie schon beim Casting von der Schwangerschaft erzählt hätte.
So wählte sie den gleichen Weg. „Dann ging eh die Coronapandemie los und das hat mir – so schlimm diese Krise auch ist – in dem Moment gut in die Karten gespielt, weil diverse Drehtermine sowieso abgesagt wurden“, sagt Heß.
„Meine Agentin musste ihnen Bilder von meinem Körper schicken“
Erst als feststand, dass sie kurz nach ihrer Schwangerschaft eine neue Rolle spielen würde, ließ sie die Produktionsfirma von dem Nachwuchs wissen. „Beim Casting wäre ich wahrscheinlich direkt rausgeflogen“, meint Heß. In den Köpfen der Caster falle man als schwangere Frau auch lange nach der Schwangerschaft noch aus – unter anderem, weil nicht klar sei, wie sehr sich der Körper in dieser Zeit verändere.
„Meine Agentin sollte ihnen ein Ganzkörperfoto von mir schicken – angeblich, um meine neue Frisur zu zeigen“, berichtet die junge Mutter. Im Nachhinein sei rausgekommen, dass aufgrund von Heßes Figur entschieden werden sollte, ob die Rolle neu besetzt werden müsse.
Jetzt erst recht: Warum Heß ihre zweite Schwangerschaft öffentlich machte
Trotz, oder gerade wegen dieser Erfahrung, will Heß nun mit ihrer zweiten Schwangerschaft in die Öffentlichkeit treten. Die Rolle hat sie – nachdem alle Verhandlungen rund um ihren Körper geschafft waren – nach ihrer ersten Schwangerschaft gespielt. „Und das hat auch mit Baby am Set super funktioniert“, sagt sie. Das Kind sei betreut worden und das ganze Team habe Verständnis dafür gehabt, wenn die frischgebackene Mutter zwischendurch stillen musste.
Die Sorge der 37-Jährigen, wie sie Kind und Beruf unter einen Hut bringen soll, sei somit verblasst. Was bleibt, ist die Grundsatzfrage: „Warum könnte ich nicht die gleichen Rollen wie vorher spielen, selbst wenn ich nach der Schwangerschaft 20 Kilo mehr wiegen würde?“ Es müsse sich dringend etwas daran ändern, wie das Frauenbild beziehungsweise die Gesellschaft allgemein im Fernsehprogramm abgebildet wird.
Die Durchschnittsfrau sei in Serien und Filmen meistens schlank und entspreche dem Schönheitsideal. Eine mehrgewichtige Frau würde selten gezeigt, ohne, dass es Teil ihrer Rolle sei, dick zu sein. „Die Person wiegt dann mehr, weil es zur Geschichte gehört, dass sie viel Schokolade isst oder weil sie diejenige sein soll, die kein Mann attraktiv findet. Oder es geht darum, dass sie total cool ist, „obwohl“ sie ja die Dicke ist“, erklärt Heß.
#momingout gewinnt auf Instagram Zuspruch
Auf ihr „momingout“ auf Instagram habe die Kölnerin viele Nachrichten von Frauen bekommen, die davon berichteten, ebenfalls aufgrund ihrer Schwangerschaft am Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein. „Das waren nicht nur Schauspielerinnen“, so Heß. „Eine Frau hat mir geschrieben, dass sie von ihrem Arbeitgeber gebeten wurde zu kündigen, als sie schwanger war.“ Eine weitere Frau habe geschrieben, dass sie währen ihrer Schwangerschaft auf der Arbeit nur lockere Kleidung trug, weil sie noch in der Probezeit war und Angst vor einer Kündigung hatte.
„Wir müssen als Frauen alle dafür kämpfen, dass unsere Arbeit mehr wertgeschätzt wird“, sagt die Schauspielerin. Und wer weiß: Vielleicht wird dadurch auch irgendwann mal eine schwangere, übergewichtige, von Akne betroffene oder beeinträchtigte Person im Fernsehen zu sehen sein, ohne, dass es eine Rolle spielt.
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