Bottrop. Michaela Nowak litt Jahrzehnte unter krankhaftem Übergewicht, ihre Gesundheit machte Probleme. So hat sie es geschafft, über 60 Kilo abzunehmen.

„Ich wollte ein gesundes Leben ohne Schmerzen, in dem ich mich frei bewegen kann“, sagt Michaela Nowak. Das war mit einem Höchstgewicht von 159 Kilogramm bei 1,80 Metern Körpergröße in schier unerreichbare Ferne gerückt. Bis die Chemielaborantin zum Adipositaszentrum am Bottroper Knappschaftskrankenhaus fand, sich für eine OP entschloss. Mehr als 60 Kilo sind runter. „Ich führe ein ganz neues Leben“, sagt die 46-Jährige.

„Ich war schon als Kind stark übergewichtig“

„Ich war schon als Kind stark übergewichtig“, beginnt sie ihre Geschichte. Später folgte die klassische Diätkarriere samt Jojo-Effekt. Mal nahm sie 20 Kilogramm ab, schon kamen 25 wieder drauf. „Zu meinem 40. Lebensjahr habe ich es dann geschafft, mein Leben zu drehen.“ Zu dem Zeitpunkt machten die mehr als überschüssigen Pfunde ihr längst körperliche Beschwerden. „Ich habe eine angeborene Hüftfehlstellung“, erzählt Michaela Nowak. Das Übergewicht habe letztlich dazu beigetragen, dass ihre rechte Hüfte ersetzt werden musste. Doch: „Mit über 150 Kilogramm Körpergewicht konnte ich nicht operiert werden.“

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Für sie war das der Wendepunkt; war unausweichlich klar geworden: Jetzt muss was passieren. „Zum Glück hatte ich einen Hausarzt, der mich gut beraten hat“, berichtet die Oberhausenerin. Im November 2016 kam sie erstmals in Kontakt mit der Adipositas-Selbsthilfegruppe und dem Adipositaszentrum am Knappschaftskrankenhaus.

Das ist angesiedelt bei der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie und zertifiziert von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Dort werden im Jahr mehr als 100 schwer übergewichtige Patientinnen und Patienten durch sogenannte metabolische OP-Verfahren operiert, überwiegend übrigens Frauen. Knapp 300 Kilo gehörten dabei zum Höchstgewicht. „Es gibt ziemlich gute Daten, die belegen, dass das, was die Adipositas-Chirurgie kann, nachhaltig ist“, sagt Chefarzt Dr. Jörg Celesnik. Und: „Wir machen nicht nur dicke Patienten schlank. Wir machen die Patienten gesünder.“

Ein Foto aus früheren Tagen.
Ein Foto aus früheren Tagen. © Unbekannt | Michaela Nowak

Den Fall von Michaela Nowak bezeichnet der Chefarzt als „Paradebeispiel“. Sie startete mit dem sogenannten multimodalen Konzept, das der Adipositas-OP vorgeschaltet ist. Das Konzept beruht auf drei Säulen, erläutert Simone Rduch, seit 2014 Adipositas-Fachkoordinatorin am Knappschaftskrankenhaus. „Die Ernährung wird auf den Prüfstand gestellt. Dann wird die psychologische Seite abgeklärt – ob zum Beispiel eine Essstörung vorliegt oder Essen als Kompensation eingesetzt wird.“ Die dritte Säule ist die Bewegung: Bei zweimal Sport pro Woche sollen die Patienten auf insgesamt 150 Minuten Bewegung kommen.

Michaela Nowak ergänzt, dabei sei wichtig, mit zertifizierten Trainern Sport zu machen. Sie selbst entschied sich für eine Kombination aus Reha-Sport und Gerätetraining unter Anleitung. Zudem: „Ich habe jede Alltagsbewegung festgehalten und hochgeschraubt.“

Hüfte, Bandscheibe, Kniegelenke machten Beschwerden

Wobei sportliche Betätigung zu dem Zeitpunkt schon kein Neuland mehr für sie war. „Als ich 30 Jahre alt war, fingen die gesundheitlichen Probleme an.“ Neben der Hüfte machten ihr ein Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule, Arthrose in beiden Kniegelenken, Bluthochdruck zu schaffen. Dazu die klassischen Begleiterscheinungen von zu viel Gewicht wie eine leichte Fettleber und erhöhte Cholesterinwerte. Sport sollte helfen.

Ebenso eine jahrelange Psychotherapie – „meine Kindheit und Jugend war nicht so einfach, ich hatte eine Essstörung“. Ihr Gewicht stagnierte zwar, „aber das Abnehmen habe ich nicht aus eigener Kraft geschafft“. Was typisch ist bei einem Body Mass Index über 45, bestätigt Simone Rduch.

Über sieben Monate durchlief Michaela Nowak das multimodale Konzept am KKH, bis im Oktober 2017 die (übrigens am häufigsten eingesetzte) Schlauchmagen-OP für sie anstand. Simone Rduch erklärt: „Dadurch wird der Magen um Zweidrittel seines Volumens reduziert.“ Und nicht nur das, gleichzeitig werde die Produktion des Hungerhormons eingedämmt, der Appetit verringert. „Das ist eine große Erleichterung für die Patienten.“

Michaela Nowak, die schon im Zuge des multimodalen Konzeptes fünf bis acht Kilo verlor, nahm nach der OP innerhalb eines Jahres 45 weitere Kilogramm ab. „Endlich konnte ich meine Hüft-OP angehen – aber es war schon fünf nach zwölf: Ich habe ein künstliches Hüftgelenk bekommen, mit 42.“ Immerhin: Durch die Gewichtsabnahme konnte ein Eingriff an der anderen Hüfte bislang vermieden werden.

Magenbypass folgt in einer zweiten OP

Dafür ging’s Michaela Nowak aber noch einmal an den Magen. Nach Problemen vor allem mit Reflux (Sodbrennen) erhielt sie einen Magenbypass, durch den Teile des Magens und Dünndarms umgangen werden. „Dadurch habe ich weiteres Gewicht verloren, so dass ich am Ende bei 92 Kilogramm war.“

Heute kann sie sagen: „Der Bluthochdruck ist weg, meine Gelenkprobleme haben sich verbessert, ich kann mich zu 1000 Prozent besser bewegen.“ Sport hat sie längst so selbstverständlich in ihren Alltag integriert, dass sie sogar freiwillig morgens um 6 Uhr im Fitnessstudio trainiert.

Ihr Fazit: „Das war die beste Entscheidung meines Lebens.“ Auch in Bezug auf ihre persönliche Entwicklung; sie ist selbstbewusster geworden. Nicht zuletzt dadurch, dass sie die Adipositas-SHG seit 2018 inzwischen selbst leitet.

Michaela Nowak heute. Sie leitet inzwischen die Adipositas-Selbsthilfegruppe am Knappschaftskrankenhaus in Bottrop.
Michaela Nowak heute. Sie leitet inzwischen die Adipositas-Selbsthilfegruppe am Knappschaftskrankenhaus in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Aber einfach war und ist dieser Weg nicht, betont die Oberhausenerin. Es bleiben lebenslang das Achten auf die Ernährung, die Einnahme von Multivitaminpräparaten. Man muss schauen, wie man mit seinem neuen äußerlichen Ich zurechtkommt – auf Gruppenfotos hat sich Michaela Nowak zum Beispiel zunächst gar nicht mehr erkannt.

Jetzt stehen die Hautstraffungs-OPs an

Und jetzt? „Bin ich in dem Prozess, in dem ich Hautstraffungs-OPs mache. Dabei geht es um die Wiederherstellung des Normalzustandes.“ Ein anwaltlich begleiteter, einjähriger Kampf mit der Krankenkasse um die Kosten war dem vorausgegangen, dabei brachte der Hautüberschuss unter anderem Pilzinfektionen und Entzündungen mit sich. Zwei Straffungen hat die Chemielaborantin jetzt hinter sich, drei folgen noch.

Die Selbsthilfegruppe habe ihr auf dem Weg sehr geholfen. Nicht zuletzt, weil schwer übergewichtige Menschen in der Gesellschaft so mancher Stigmatisierung ausgesetzt sind und sich häufig zurückziehen. Michaela Nowak aber geht mit ihrer Geschichte entschlossen an die Öffentlichkeit: Um anderen mit ihrem Vorbild Mut zu machen.

>>> Adipositas: Eine anerkannte Erkrankung

Als adipös, also krankhaft übergewichtig, gilt, wer einen Body-Mass-Index (BMI) von über 30 hat. Der BMI errechnet sich aus dem Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße.

Eine operative Behandlung im Adipositaszentrum kommt ab einem BMI von 40 bzw. 35 plus schweren Nebenerkrankungen in Frage, erläutert Koordinatorin Simone Rduch. Diese Nebenerkrankungen seien letztlich auch das Entscheidende, meint Chefarzt Dr. Jörg Celesnik. Bluthochdruck oder Diabetes gehören dazu. Beides könne durch eine OP deutlich verbessert werden. Bei einem BMI von 50 geht man laut dem Chefarzt von einer verringerten Lebenserwartung von sieben bis neun Jahren aus: „Die Sterblichkeit wird durch Adipositas extrem potenziert.“

Celesnik hebt hervor, dass Adipositas inzwischen eine anerkannte Erkrankung ist, die einer lebenslangen Betreuung bedarf. Die Behandlung am KKH erfolge innerhalb des engen Rahmens von Leitlinien, die die Fachgesellschaft vorgebe. Operative Maßnahmen werden in Betracht gezogen, wenn die konservativen therapeutischen Wege ausgeschöpft sind.

Kontakt zum Adipositaszentrum am KKH: Simone Rduch, 02041 154965. Kontakt zur SHG: shg-adipositas-bottrop.de, 0157 31063657. Es gibt Treffen für Operierte und Nicht-Operierte.