Gelsenkirchen. Gelsenkirchenerin Petra Schlüter stellt sich gerne Herausforderungen – auch mit 70 Jahren. Über die Vorteile des Älterwerdens.

„Wenn ich mal nicht mehr kann, dann werde ich Influencerin”, sagt Petra Schlüter und erklärt lachend, man müsse doch immer einen Plan-B haben. In jedem Alter. „Oder ich werde Model. Da war ich bislang nur zu jung für.”

Untätigkeit, das ist nichts für die 70-Jährige. „Ich kann nie sitzen, ohne etwas zu tun. Oft schreibe ich auch auf, was mir durch den Kopf geht. So entstehen meine Projektideen.” Eine davon ist sie mit 60 Jahren angegangen. „Es fing alles an in der ZWAR-Gruppe.”

Seniorin aus Gelsenkirchen gibt Benimmkurse an Schulen

Wie alle Gelsenkirchener in ihren 50ern wird sie angeschrieben von der Stadt zu den Treffen der Menschen „Zwischen Arbeit und Ruhestand”. Dort geht sie hin. „Aus Langeweile.” Die erste Lektion, die sie hier lernt: „Sie sind ein mündiger Bürger. Machen Sie, was Sie wollen.”

Und so macht Petra Schlüter. Sie gibt Benimmkurse in Schulen für die jungen Menschen, die bald ins Berufsleben starten. „Das hat sich schnell irrsinnig entwickelt.” Rührig wie sie ist, schreibt die Gelsenkirchenerin mögliche Sponsoren an, bewirbt sich bei Stiftungen um Förderung. Mit Erfolg.

Seniorin verschönert Friedhof in Gelsenkirchen

Ob das „Bündnis für Demokratie und Toleranz”, Deichmann oder Gelsenwasser, alle unterstützen das Projekt, das immer größer und größer wird. Bis auf einmal nichts mehr geht.“

Da bin ich richtig krank geworden. Das hat mich fast zwei Jahre zurückgeworfen.” Petra Schlüter aber rappelt sich wieder auf. Krisen gehörten eben auch zum Leben. Danach aber könne es wieder rasch nach vorne gehen. Auch im Alter. „Ich sage immer, ihr Jüngeren könnt zwar schneller laufen – aber ich kenne die Abkürzungen.”

Gelsenkirchenerin ist immer auf der Suche nach neuen Projekten – auch im Alter

Im ersten Lockdown findet sie ihr neues Herzensprojekt: Sie kümmert sich um einen alten Friedhof in Gelsenkirchen-Horst, einen fast verwunschenen Ort mit märchenhaften Ecken. Ihn richtet sie mit einigen Mitstreitern wieder her.

Gemeinsam gestalten sie den Park, setzen Blumenzwiebeln, pflanzen Stauden und Obstbäume. „Wir haben extra schon große genommen. Weil ich keine Zeit mehr habe, darauf zu warten, dass die Bäume wachsen und endlich Früchte tragen.”

An den gewählten größeren Bäumen, erzählt sie, hingen nun schon einige Äpfel. Im nächsten Jahr wolle sie ihren Einsatz hier aber beenden und sich ein neues Projekt suchen, das sie bis zum 80. Geburtstag begleitet.

Als Seniorin oder als Senior könne man viele Projekte und Hobbys starten, findet Petra Schlüter aus Gelsenkirchen.
Als Seniorin oder als Senior könne man viele Projekte und Hobbys starten, findet Petra Schlüter aus Gelsenkirchen. © Shutterstock / Net Vector | Net Vector

Gelsenkirchenerin: „70 ist das neue 50 – nur einfacher“

Wer ihre Tatkraft bewundert, dem sagt Petra Schlüter lächelnd, da sei doch nichts bei. „70 ist das neue 50 – nur einfacher. Mit 50 Jahren ist man voll im Stress zwischen Familie und Beruf und dem Gedanken an die nahende Rente. Aber jetzt lege ich einfach los und schiebe nichts auf die lange Bank.”

Ältere Frauen, sagt die Brünette, hätten ja oft so einen Heiligenschein. Zumindest aus eigener Sicht. Sie würden sich vieles verbieten, weil es sich mitunter für das Alter nicht schicke. „Mir ist das zu langweilig.” Sie gestatte sich alles.

“Das einzige Laster, das ich nie hatte, war der Alkohol”, sagt Petra Schlüter. Und dann fällt ihr doch noch etwas ein: „Ich habe auch noch nie Drogen genommen. Aber ich bin ja auch erst 70”, sagt sie lachend und spielt auf die angedachte Cannabis-Legalisierung an. „Ich darf alles und ich mache auch alles“.

Gelsenkirchenerin gibt Tipps fürs Älterwerden: größere Kleidung kaufen

Ein Beispiel: „Ich habe immer ein rotes Kostüm.” Das trage sie auch regelmäßig. Die roten Lippen sogar täglich. Dazu, schon seit der Jugend, eine Kurzhaarfrisur. „Ich wollte nie lange Haare haben. Das hatten ja die anderen alle.” Und sie lege stets Wert auf ihr Äußeres. Für sich selbst. „Ich sehe morgens um acht Uhr aus wie jetzt und abends um zehn immer noch.”

Wenn sie in den Spiegel schaue, möge sie sich daher immer anschauen. Dann verrät Petra Schlüter lachend einen ihrer Tricks für mehr Wohlbefinden. „Wenn die Kilos wieder mehr werden, kaufe ich einfach alles zwei Nummern größer ein. Dann sagen alle: Deine Bluse schlabbert so. Hast Du abgenommen?”

Seniorin aus Gelsenkirchen nutzt Technik: vom Saug-Wisch-Roboter bis zu „Alexa“

Sich den Humor bewahren und immer ein Lächeln auf den Lippen haben, das sei das beste Rezept für ein entspanntes Älterwerden. Das mit dem Lächeln, das könne man übrigens auch zu Hause vor dem Spiegel üben. „Die Mundwinkel nur einen Zentimeter hoch und das Leben sieht ganz anders aus. So kann man entspannt die 80 erwarten.”

Was auch helfe sei, immer offen zu sein für Neues. So wie Petra Schlüter es selbst war, als sie einst Computerkurse belegte um zu wissen, über was ihre Kinder da reden. Heute wisse sie die moderne Technik sehr zu schätzen – angefangen bei ihrem Saug-Wisch-Roboter „Frau Böhmi” bis hin zu „Alexa”, von der sie sich mal flotte Musik vorspielen und mal einen Witz erzählen lasse.

Auch mit dem PC kann die Gelsenkirchenerin gut umgehen und informiert sich tatsächlich gerade über das Bloggen. Egal, was ihr nächstes Projekt nun sein wird, Petra Schlüter will noch viel erleben und gestalten. Einhundert Jahre alt werden wolle sie jedoch nicht, verrät sie. „Nein! Ich will einfach eines Morgens aufwachen und tot sein.”