Düsseldorf. Immer mehr Männer werden Opfer von häuslicher Gewalt. Ein Experte erklärt, warum es für sie so schwer ist, ihre Partnerin zu verlassen.

Für Männer, die Opfer häuslicher Gewalt werden, hat der Sozialdienst Katholischer Männer 2020 die ersten Schutzwohnungen in NRW eingerichtet. Männer- und Gewaltberater Manfred Höges betreut seitdem Betroffene vor Ort in Düsseldorf. Er sagt: „Die Zahl der Männer, die häusliche Gewalt erfahren, ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen.“ Welche Männer bei ihm Schutz suchen – und warum das vielen so schwerfällt.

Herr Höges, wer sind die Männer, die bei Ihnen Schutz suchen?

Wir haben in Düsseldorf in diesem Jahr bisher 13 Männer und zwei Kinder aufgenommen. Ein junger Mann ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Er sollte in einem anderen Land zwangsverheiratet werden, hatte in Deutschland aber bereits eine Freundin. Wir haben ihm geholfen, in ein anderes Bundesland zu fliehen. Hierfür musste er seine Familie und Freunde aufgeben.

Ein typischer Fall?

Mein Eindruck ist, dass die Männer zunächst von psychischer und sozialer Gewalt betroffen sind. Die Frau trägt zum Beispiel dafür Sorge, dass er seine Freunde nicht mehr sehen darf. Sie kontrolliert, stalkt und isoliert ihn. Später kann es auch zu körperlicher Gewalt kommen.

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Welche Rolle spielt körperliche Gewalt insgesamt?

Eine weniger große als bei Frauen, die Opfer von Gewalt werden. Wir hatten aber auch mehrfach Familienväter in der Beratung, die körperlich von Frauen angegangen wurden, meist durch Gegenstände.

Nehmen Sie alle hilfesuchenden Männer auf?

Wer einen Platz in einer unserer Schutzwohnungen bekommen möchte, muss verschiedene Voraussetzungen erfüllen: Man muss Opfer von häuslicher Gewalt oder familiären Zwängen sein oder aufgrund seiner Sexualität von seiner Familie Gewalt erfahren oder von Gewalt bedroht werden. Dann klären wir in einem ersten Gespräch, ob die Voraussetzungen für das Schutzwohnen vorliegen und wir überhaupt die richtige Anlaufstelle sind. Wenn wir dann gerade Wohnraum zur Verfügung haben, kann der Betroffene einziehen.

Und wenn nicht?

Dann können wir ihn auf eine Warteliste setzen. Aber es hat sich gezeigt, dass das wenig hilfreich ist, weil die Männer sofort Hilfe brauchen. Je länger der Prozess dauert, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie ihren Partner oder ihre Partnerin verlassen. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Mann in eine andere Männerschutzwohnung zu vermitteln. Wir sind bundesweit untereinander vernetzt. Das ist auch wichtig, weil wir in NRW merken, dass die Plätze gar nicht ausreichen. In diesem Jahr hatten wir 85 Anfragen für unsere vier Schutzplätze. Das heißt: Sobald ein Mann ausgezogen ist, stand der nächste quasi schon vor der Tür.

Hier finden Betroffene Hilfe

Fast 170.000 Menschen in Deutschland wurden laut Statistik des Bundeskriminalamtes im vergangenen Jahr Opfer von Partnerschaftsgewalt. Der Großteil von ihnen, nämlich rund 80 Prozent, sind Frauen. Aber auch rund 35.000 Männer waren betroffen. Damit ist die Zahl der Fälle von partnerschaftlicher Gewalt in den vergangenen fünf Jahren um fast 20 Prozent gestiegen. Die Dunkelziffer liegt Schätzungen zufolge noch deutlich höher.

20 Schutzplätze für Männer gibt es derzeit in Köln, Düsseldorf, Mönchengladbach, Warendorf und Bielefeld. Um die Hemmschwelle zu senken, eine Beratungsstelle aufzusuchen, wurde außerdem das Männerhilfetelefon unter der bundesweiten Telefonnummer 0800 123 99 00 eingerichtet. Hilfe findet man auch im Internet auf der Seite des Opferschutzportals www.opferschutzportal.nrw und auf der Seite des SKM www.skmev.de.

Warum fällt es Betroffenen so schwer, aus der Gewaltbeziehung auszubrechen?

Das ist das Perfide an dem sogenannten Gewaltkreislauf. Es ist ein Prozess, der ganz langsam anfängt, sodass man ihn kaum wahrnimmt und der dann aber immer schneller und extremer wird. Oft entschuldigt sich die Frau nach der Tat beim Mann und findet Ausreden für ihr Verhalten: Ich war schlecht drauf, du hast mich provoziert, ich habe getrunken. Wenn das Opfer dann mitspielt und eine Mitschuld auf sich nimmt, dreht sich der Kreislauf weiter.

Und er läuft immer gleich ab. Ich habe schon Männer hier gehabt, die gesagt haben: Woher kennen Sie meine Geschichte? Haben Sie mit meiner Frau gesprochen? Einmal habe ich einen Vater beraten, der schwerste körperliche Gewalt erlebt hat. Ich habe ihm gesagt, dass er noch heute in unsere Wohnung einziehen kann. Aber er blieb noch ein weiteres Jahr bei seiner Frau, bis er den Schritt gewagt hat. Und schon nach drei Wochen bei uns hat er gesagt: Das war die beste Entscheidung meines Lebens.

Denken Sie, dass es für Männer, die Opfer von Gewalt werden, besonders schwierig ist, sich anderen anzuvertrauen?

Ja. Hier spielen Gefühle wie Scham und die Angst vor einer Stigmatisierung eine große Rolle. Aber auch die Befürchtung, dass einem nicht geglaubt wird. Viele Männer haben Angst, dass die Polizei im Zweifel nicht ihnen, sondern ihrer Frau glaubt. Ich denke aber, dass da zurzeit eine Sensibilisierung stattfindet. Auch die Polizei guckt mittlerweile viel genauer hin.

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