Essen. Der verhinderte Jeck: Harald Schmidts früherer TV-Sidekick Manuel Andrack zu Phantomschmerzen über Pandemiezeiten, Feiern, Fasten und Fußball.

Der Karneval hatte ihn gerade wieder, den verlorenen Feier-Fan, und jetzt fällt alles aus! Der Kölner Manuel Andrack (55), eigentlich Fußball-Fan und Wander-Guru, hat ein Buch über die letzte Narren-Session geschrieben und dabei wieder Geschmack an dem närrischen Treiben gefunden. Dann kam Corona. Zum Rosenmontag, der keiner ist, sprachen wir für die Sonntagszeitung mit einem verhinderten Jecken.

Herr Andrack, heute ist Rosenmontag – verspüren Sie gerade Phantomschmerzen?
Ja, muss man schon sagen. Mich hat es nach 20 Jahren Karnevals-Abstinenz richtig gepackt. Bitter, dass es jetzt nichts wird. Umso mehr freue ich mich auf die nächsten Jahre.

Karneval und Corona – Maskenpflicht hatten sich die Jecken auch anders vorgestellt, oder?
Absolut. Selbst die lustigen Motive auf den Stoffmasken sind out, weil man nur noch die medizinisch hochwertigen tragen darf. Der Narr hat ja wie in Venedig immer mal wieder mit Verboten von Masken zu kämpfen gehabt, aber noch nie mit einer Maskenpflicht.

Einen kompletten närrischen Lockdown wird es nicht geben, hatten sie orakelt.

Da hat meine Glaskugel versagt. Sämtliche Lesungen waren fest eingeplant, das ist schon sehr, sehr schade. Umso froher bin ich, dass ich dieses jecke Jahr erleben durfte und uns das Virus nicht vorzeitig einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.

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Zumal das Virus bei uns in NRW ausgerechnet bei einer Karnevalssitzung ausbrach…

Genau. Kein Karnevalsverein will sich anhängen lassen, Heinsberg 2 zu sein. Das Risiko schwebt über allem. Da sagt auch niemand, et hätt noch immer jot jejange oder mer losse uns das Feiern nicht verbieten... Karneval als Superspreader-Event, das braucht kein Mensch!

Der Narr vor einer Zoom-Sitzung am heimischen Küchentisch gelockdowned mit Pappnase, eine so deprimierende Vorstellung wie eine abgebrannte Wunderkerze.

Wozu kostümiert man sich denn? Um die Freude auszuleben, , auch um es anderen Leuten zu zeigen. Aber allein? Nee, wir streichen es einfach dieses Jahr.

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Welche peinlichste Stelle in Ihrer ersten Büttenrede hätten Sie gerne gestrichen?

Die, bei denen keiner lacht. Wenn ich es mit den Lesungen von mir vergleiche, da ist die Erwartungshaltung beim Publikum normalerweise sehr niedrig und wird dann meistens übertroffen, und hierbei war es genau umgekehrt. Leises Gähnen bei den Reimen, da muss man durch. Sich einen Wettbewerb zu liefern mit den anderen Zotenkönigen, die da in die Bütt gestiegen sind, wäre sinnlos gewesen.

Als was waren Sie denn als Kind verkleidet?

Meine Lieblingsverkleidung war immer Indianer, weil ich es so gemocht habe, richtig viel Kriegsbemalung zu haben. Cowboy war mir zu langweilig, nur ein bisschen blöden Schnurrbart anmalen.

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Volle Pulle feiern! Alkohol gehört dazu, oder? Sie schreiben von Fanta-Jägermeister in Paderborn.

Man kann die Stimmung nicht herbeitrinken. Ich fand das Hoppeditz-Erwachen in Düsseldorf trotzdem super, auch wenn ich stocknüchtern geblieben bin. Als Student ging es natürlich direkt morgens um zehn immer los (singt „Bier und’n Appelkorn, schalalalala“). Es hilft schon, immer mal wieder ein Bier zu trinken.

Vom Alkohol ist man schnell beim Sex. Immerhin haben Sie, erfahren wir, Ihre erste Freundin in den Achtzigern auch beim Weiberfastnachtsknutschen kennengelernt.

Ja, Wahnsinn, oder? Damals hat ja Jeder mit Jeder geknutscht. Immerhin hat die Beziehung mit Sabine fünf Jahre gehalten, weit über Karneval hinaus.

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Apropos über den Karneval hinaus: Fasten Sie auch nach Aschermittwoch?

Normalerweise ja. Jetzt sind wir aber schon über zehn Monate in so einer Art Fastenzeit, wenn auch nicht das Essen verboten ist, aber doch so wahnsinnig viel Anderes. Deswegen muss ich mich nicht noch zusätzlich einschränken. Dieses Jahr nicht.

Man denkt, danach ist alles vorbei; aber: „Mein Jahr als Narr“, was passiert zwischen Aschermittwoch und dem Elften im Elften?

Halloween, Oktoberfest, es sind einige Kostümierungsevents dazugekommen. Für mich waren die Highlights in dieser Zwischenzeit die Besuche bei den Hardcore-Narren in Rottweil und in Köln, die sich auch während des Jahres treffen und ihre Gemeinschaft intensiv ausleben, diese Freundlichkeit und Herzlichkeit. Ich habe jetzt auch eine Aufnahmeantrag bei den Roten Funken unterschrieben. Wir waren auch schon wandern zusammen.

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Gutes Stichwort, Sie sind ja der Wanderpapst. Was ist denn anstrengender: über Stock und Stein oder im Zoch?

(überlegt) Körperlich mit Sicherheit eine Wanderung mit ordentlich Höhenmetern. Ein Umzug bei knackig-kalten Temperaturen, ist allerdings auch kein Spaß. Aber danach hätte ich den ganzen Zugweg am liebsten nochmal gemacht, weil man da doch getragen wird durch die Begeisterung am Straßenrand. Ein unbeschreibliches Gefühl.

Gefühle-fühle-fühle: Ihr neuer Titel klingt sicher nicht von ungefähr wie Ihr Fußballbuch „Meine Saison mit dem FC“. Vergleichen Sie für uns doch bitte die beiden Emotions-Eruptionen, Session versus Saison!

Es hat doch einiges miteinander zu tun, auch mit Kostümierung. Früher wäre kein Mensch verkleidet ins Stadion gegangen wie heute mit Schals und Trikots, man ging mit Hut und Regenmantel. Von der Emotionalisierung her ist es auch vergleichbar. Bei einem Rosenmontagszug fällt bloß permanent ein Tor, beim Fußball eher etwas überraschender. Was es bei den Narren nicht gibt, ist diese unglaubliche Enttäuschung und Niedergeschlagenheit von Fußballfans.

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Außer wenn der Zug abgesagt wird. Wann erleben wir wieder eine „Superjeilezick“?

Spätestens, allerspätestens – ich bin sogar mit Blick auf nächste Session vorsichtig, Stichwort Mutationen – dann 2023. Da wird 200 Jahre Rosenmontagszug gefeiert. Eigentlich sogar 200 Jahre Karneval überhaupt. Denn selbst der in Rio geht ja auf Kölle zurück.

>>>>>>>>>> „Mein Jahr als Narr – Dem Geheimnis von Karneval, Fasching, Fastnacht auf der Spur“ (dtv, 18 Euro) heißt das Buch von Manuel Andrack, der sein Leben dem Karneval zu verdanken hat – denn dort haben sich einst seine Eltern kennengelernt. Andrack kennengelernt haben die meisten TV-Zuschauer als Redaktionsleiter und Sidekick von Harald Schmidt. Der Kölner, Fan und Freund der Berliner Band Die Ärzte, lebt heute im Saarland und darf sich – außer als Werbe- und Sympathieträger – auch Träger des Deutschen Fernsehpreises (mit Dirty Harry) und des Grimme Online Awards sowie „Botschafter des Bieres“ nennen. Weitere Veröffentlichungen: „Du musst wandern“, „Meine Saison mit dem FC“ und viele andere mehr.

Das ist ein Artikel aus der digitalen Sonntagszeitung der NRW-Titel der Funke Mediengruppe. Zum Kennenlernen jetzt gratis und unverbindlich testlesen. Hier geht’s zum Angebot: GENAU MEIN SONNTAG