Schüler gestresst, Lehrer überfordert, Technik mangelhaft, Abi in Gefahr! Auf Instagram macht sich ein 19-Jähriger zum Lockdown-Unterricht Luft.

Das ist couragiert: Ein 19-Jähriger nimmt sein Herz in die Hand und schreibt auf, was ihn und viele seiner Mitschülerinnen und -schüler bewegt – welche Folgen wird wohl der abermals verlängerte Lockdown fürs Abitur haben? Den bemerkenswerten Beitrag, den Luis Gazibara wertungsfrei „Zusammenfassung der aktuellen Lage von Schülern in NRW“ nennt, haben in kurzer Zeit viele Tausende mit einem Herzchen versehen und einige Hunderte kommentiert. Adressat ist die Politik, namentlich adressiert neben Schulministerin Yvonne Gebauer auch Ministerpräsident Armin Laschet im Team mit Jens Spahn sowie niemand geringeres als die Bundeskanzlerin – eine Rückmeldung aus diesem Kreis hat es aber noch nicht gegeben. Dafür viel Zustimmung, hier nur einige Beispiele: „Es ist in allen Stufen eine Katastrophe“, „Wie sollen wir das alles schaffen?“ oder „Danke für deine wahren Worte“. Hier sein Hilferuf im Wortlaut:

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Sehr geehrte Frau Gebauer,

mein Name ist Luis Gazibara und ich bin 19 Jahre alt. Die nachfolgenden Worte richten sich nicht explizit an Sie, sondern an alle, die sich nicht ausreichend mit dem Thema befassen oder denen es egal ist, wie Abiturienten durch das Abitur kommen.

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Aktuell bin ich Schüler einer Gesamtschule in NRW und gehe in die Q2. Somit bin ich Schüler eines Abschlussjahrgangs. Meine Mitschüler und ich sind mittlerweile am Rande der Verzweiflung, denn wir bekommen keinerlei Unterstützung, die uns den Weg zum Abitur sichern kann. Nicht, dass uns nur ein ganzes halbes Jahr der Q1 schon gefehlt hat, jetzt startet unser letztes Halbjahr der Q2 auch nur mit Distanzunterricht.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ist angesprochen.
Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ist angesprochen. © dpa | Fabian Strauch

Was denken Sie? Alles von zu Hause? Jedes Thema selber beibringen? Den Lehrer nur über irgendwelche nicht ausreichend funktionierenden Online-Portale erreichen? Video-Tools, bei denen man sich nicht hört, nicht sehen kann, weil es einfach nicht funktioniert. Das reicht nicht!

Von irgendwelchen Mutmachern seitens der Politik können wir uns auch nichts kaufen

Es gibt sicherlich Fächer, in denen man gut alleine arbeiten kann, aber in den meisten ist ein Lehrer Pflicht! Die unzähligen Aufgaben, die einem vor dem Lernen für das Abitur hindern und Lehrer, die einem nur grobes Feedback dazu geben, weil sie selbst überfordert sind.

Unsere Abitur-Vorgaben ändern sich auch nicht, wo ich mich frage, wie sollen wir Themen, die allein von zu Hause erarbeitet worden sind, wo man nicht einmal die Garantie hat, dass man es richtig gemacht hat, später im Abitur anwenden?

Wie erwähnt, sind auch die Lehrkräfte mit der Menge an Aufgaben, die sie kontrollieren müssen, überfordert, weswegen dann das notwendige Feedback darunter leidet. Sicherlich bezieht sich das generell auf die Situation, denn viele Lehrer geben ihr Bestes und versuchen, uns zu unterstützen. Nur leider ist dies halt online nicht immer einfach.

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Mittlerweile habe ich keinerlei Verständnis mehr für die Beschlüsse des Landes. Es ist einfach nur schade, dass davon ausgegangen wird, dass alles reibungslos funktioniert. Von irgendwelchen Mutmachern seitens der Politik können wir uns auch nichts kaufen, gar unser Abitur bestehen.

Seitens der Politik wird davon gesprochen, dass Abschlussjahrgänge zeitig in die Schule kommen, aber es passiert gar nichts, weil sich die Politik nur auf ihren persönlichen Ruf bezieht, damit sie gut dasteht.

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Ich denke, dass niemand mal mit einem Schüler gesprochen hat, um zu erfahren, wie der Distanzunterricht wirklich läuft. Niemand weiß, wie schwierig es ist für viele Schüler, dabei zu bleiben und nicht hinterher zu hängen. Nicht jedem Schüler fällt es leicht, von zu Hause zu arbeiten, denn Eltern sind keine Lehrer.

Ich erwarte einfach mehr Unterstützung für Abschlussjahrgänge, so dass ich das Bildungssystem wieder für gut erachten kann und mir selber sagen kann, dass das Land etwas für seine Schüler getan hat, das ist aktuell definitiv nicht der Fall.

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Die Zahl der Corona-Infektionen an meiner Schule war so gering und trotzdem erhält man als Dankeschön die Schulschließung in einem so enorm wichtigen Zeitraum. Die Lage der Schüler ist mehr als akut!

Mit freundlichen Grüßen, Luis Gazibara

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