Gladbeck. Ein Veranstalter ohne Veranstaltungen? „Slime“-Schlagzeuger und „Ruhrpott Rodeo“-Macher Alex Schwers aus Gladbeck wird zu Sänger Swag Boy Alex.
Zusammen Bands lauschen, Bier trinken, singen und tanzen: Festivalbesuche sind momentan weit entfernt von der Realität. Corona hat alle Branchen hart getroffen. Besonders aber Konzertmacher, Künstler und Crew haben in diesen Zeiten viele Ausfälle erlebt. So auch Veranstalter und Musiker Alex Schwers (47) aus Gladbeck.
Er steht für Deutschlands größtes Punkfestival, seit 2007 ein Sommerhit im Revier. Das Ruhrpott Rodeo, wie es 8000 Bunte in Hünxe kennen, fiel 2020 Corona zum Opfer. Alex Schwers erzählt: „Wir haben immer weniger Karten verkauft und haben eigentlich nur noch auf die Absage gewartet.“
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Eine fast sechsstellige Summe steckt in so einem Wochenendspektakel. Viel Geld, das auch wieder reinkommen muss. Dieses Rodeo sollte aber trotz Abstandsgebot irgendwie stattfinden. „Wir wollten die Fans nicht allein lassen.“ So gab es einen 18-stündigen Livestream vom Festivalgelände, der Kuhwiese am Flugplatz Schwarze Heide – und eine besondere Motto-Mode: das Supporter-Shirt mit Corona-Motiv, einem Punk, der mit dem Virus Rodeo reitet. „Das hat schon einiges aufgefangen, aber natürlich längst nicht alles“, erzählt der Veranstalter.
Beim Livestream saß er schön auf Abstand mit Teammitgliedern zusammen, auch einige Gäste schauten vorbei – wie Vom Ritchie von den Toten Hosen aus Düsseldorf. „Es konnten nicht alle dabei sein, weil ein Reiseverbot galt, deshalb kamen viele aus der Umgebung“, sagt der 47-Jährige. „Das war wie ein großes Klassentreffen, ich hab das echt sehr genossen. Die Atmosphäre war neu und einfach schön.“
Live-Streaming ist nicht mehr gefragt
Das Feedback zum Stream-Rodeo vergisst er nicht. „Ich habe Mails bekommen, wie viel das den Leuten bedeutet hat. Gerade weil ja wirklich gar nichts möglich war.“ Wenn er an die Gäste denkt, die er auf seiner Couch begrüßt hat, fällt ihm auch der Bürgermeister von Hünxe ein, mit Ordnungsamtsleiter vor Ort. „Da ist ein guter Kontakt entstanden, das war richtig nett“, sagt der Gladbecker, der schon ans nächste Rodeo denkt. „Wir planen auf jeden Fall für den Sommer 2021. Wir haben Konzepte entwickelt, die es möglich machen können.“
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Das Rodeo 2021 soll mit demselben Line-Up stattfinden, wie es im letzten Jahr geplant war. So verpassen die Fans, die schon Tickets haben, möglichst keinen Act. Aber Alex Schwers weiß, dass sich so eine Planung auch noch ändern kann. „Wenn die Amerikaner zum Bespiel Ausreiseverbot haben, dann können die Dropkick Murphys nicht spielen.“ Die US-Punkrocker Social Distortion sind zwar gebucht und auch auf Tour in Europa, aber wenn es innerhalb des Kontinents zu Einreisebeschränkungen kommt, kann es auch sein, dass so eine Tour komplett abgebrochen wird. „Für solche Fälle brauche ich dann vor allem nationale Künstler. So in Stein gemeißelt wie früher sind Line-ups gerade nicht mehr. Das nervt schon sehr, dass es jetzt immer ein Risiko für die Planung gibt. Aber als Veranstalter glaube ich eher an Open-Air-Konzerte im Sommer als an Indoor-Konzerte im Winter.“
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Eigentlich zieht Alex Schwers im Dezember nämlich auch immer das „Punk im Pott“-Festival in der Turbinenhalle in Oberhausen auf. „Für 2020 habe ich nicht einmal an die Planung gedacht. Streams waren auch nicht mehr so gefragt wie im Sommer. Keiner macht mehr Konzerte auf diese Weise. Die Stimmungslage ist ganz anders.“
„Wir Zwei waren immer wie Scheiße am Schuh, der Schuh war ich und die Scheiße warst du.“
Was macht ein Veranstalter ohne Veranstaltung? Alex Schwers hat sich auf seine eigene Platte gestürzt, wurde vom Schlagzeuger zum Sänger. Er trommelt seit 2010 bei Slime – „aber jetzt wollte ich etwas Eigenes machen.“ Alle Konzerte der Dreiakkord-Legende waren Corona-bedingt sowieso abgesagt. Nur reichlich Zeit, die gab’s als Zugabe.
Das Soloalbum hatte er schon lange im Kopf. Es gab die Songs – und da er über seine vielen Kontakte in der Szene auch Musiker kennt, die ein Tonstudio haben, konnte er sie auch aufnehmen. Teilweise in einer Berghütte in Spanien. „So hab ich diese zufällig gewonnene Zeit einfach für mich genutzt“, erzählt uns der zweifache Familienvater.
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Sein Album mit dem schönen Titel „Hubschrauber & Dinosaurier“ ist diese Woche erschienen, mit Songs wie „Walther“, „Indie Birne“ oder „Keine Macht kaputt was euch kaputt macht für Niemand“, dazu Zeilen wie diese: „Wir Zwei waren immer wie Scheiße am Schuh, der Schuh war ich und die Scheiße warst du.“ Seinen verspielten Stil beschreibt Schwers als punklastigen Deutschrock. Auf dem Vinyl sind auch ein Kammerorchester, eine Pianistin, Bela B und viele Einflüsse von Panikpräsident Lindenberg zu hören. „Die Attitude ist von den Ärzten, aber auch Udo hat mich sehr inspiriert. Das Cover ist eher Art-Rock. Das könnte auch von Pink Floyd sein, mein Künstlername ist eher aus dem Hip Hop.“ Eine bunte Mischung.
Swag Boy Alex nennt er sich jetzt. Darüber muss er selbst lachen. „Den Namen hat mein Sohn vorgeschlagen. Er ist 19 und hat mir erstmal erklärt, dass das Swag schon eigentlich wieder out im Hip Hop ist. Und dann fand er es lustig, wenn ich als alter Punkrocker etwas nehme, was schon wieder out ist.“ So stand das Pseudonym schnell fest und Alex Schwers sagt: „Richtig gute Bandnamen gehen so: Die Besten sind ja die, die man am Anfang nicht versteht“.
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