Krefeld. The Screenshots sind echte Twitter-Stars und greifen mit ihrem Album „2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“ nach den Sternen.
In den Geschichtsbüchern der Popmusik wird Krefeld jetzt nicht gerade unter dem Stichwort „Rock City“ geführt. Aber nun gibt’s die Screenshots, die einige Erfolgsfaktoren mitbringen für ein gerütteltes Maß an Unsterblichkeit. Da wären: Ein hübsch bescheuerter, einfach zu merkender Bandname, eine rotzig freche Punkrock-Besetzung (Gitarre, Schlagzeug, Bass, Gesang) und ein erfrischendes Maß an Größenwahn (Albumtitel: „2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“).
Auch Experten müssen ein bisschen in ihrem Oberstübchen kramen, wenn sie ein paar halbwegs bekannte Bands aus Krefeld zusammenkratzen wollen. Also: M. Walking On The Water, Blind Guardian und… Na, führen wir das nicht weiter fort, denn die Screenshots haben weder mit Folk noch mit Metal was am Hut, schon ihre Namen klingen eher wie die drei Akkorde eines bestechend simplen Punkrock-Hits: Dax Werner, Kurt Prödel und Susi Bumms – drei mustergültige Pseudonyme, die es aber schon länger gibt als die Band. Denn es sind die Namen, unter denen sie sich auf Twitter kennengelernt haben. Alle drei hatten Accounts – und kannten sich erstmal nur vom gegenseitigen Kommentieren unter den Beiträgen des jeweils anderen. „Irgendwann im Dezember 2017 oder Januar 2018 bekam ich eine Nachricht von Kurt, ob ich nicht in einer Band spielen wollte mit ihm und Dax Werner“, erzählt Susi Bumms. „Die Situation war: Wir hatten die spontane Idee, dass man das mit der Band macht. Aber wir wussten auch: Die Idee ist jetzt so 24 Stunden heiß“, sagt Dax Werner. Also musste man schnell handeln.
„Wir sind auch auf Facebook“
Es folgte: Das erste Treffen im Proberaum in Krefeld – und schon der erste Song „Bühne“ vom 2018er-Album „Ein starkes Team“ ging auf die Meta-Ebene: „Wir sind die Screenshots aus Krefeld, vor der Bühne ist noch Platz“ hebt Sänger Dax Werner an, um dann ein paar klassische Popanfänger-Floskeln abzufeuern: „Keine Ahnung, ob das hier gut wird“, „Wir sind auch auf Facebook“, „Ich kann euch nicht hören, Leverkusen“. Dinge eben, die man bei jedem zweiten Anfängerkonzert hört, aber eben bisher noch nie gesungen.
Da Gute an den Screenshots: Sie sind viel jünger als die Ärzte oder Tocotronic, irgendwie mit beiden verwandt, aber viel mehr im aktuellen Zeitgeist verhaftet – sie torkeln angenehm zwischen Nonsens und Diskurs hin und her, immer aufgepeppt mit einer ordentlichen Gitarrenriffs und einem ordentlichen Wumms.
Der frohsinnige Unsinn („Ich will eigentlich Snacks, doch du willst nur Sex“) trifft dabei durchaus auf politische Aussagen („Meine Türn steh’n immer offen, für jeden Menschen auf der Welt… Ihr könnt alle bei mir pennen“).
Was tun, wenn Netflix zu Ende geglotzt ist?
Dabei stellen sie auch unausgesprochene Fragen, die Leute unter 30 heute beschäftigen. In „Walter White ist tot“ steht man vor der (natürlich illusorischen) Frage: Was bleibt, wenn man Netflix, Prime, Sky und all die anderen Mediatheken leergeglotzt hat, wenn Breaking-Bad-Star Walter White alias Heisenberg also wirklich tot ist? Was bleibt dann noch?
„,Breaking Bad‘ ist ja noch mal so ein kurzer Moment gewesen, der über den Fernsehbildschirm noch einmal ein bisschen Gemeinschaft gestiftet hat, aber auch nur für ganz kurze Zeit. Wenn heute eine neue Serie auf Netflix kommt, wie zum Beispiel The Witcher, dann redet man mit seinen Freunden höchstens eine Woche darüber. Und dann ist das schon wieder vergessen, das hinterlässt überhaupt gar keinen kulturellen Impact mehr auf irgendwas“, sagt Dax Werner. „Die Halbwertszeit von solchen Ereignissen ist heute unfassbar kurz“, stimmt Drummer Kurt Prödel ein. Er kennt sich damit aus, er ist eigentlich Musikvideo-Produzent.
Von Titanic bis zu Toys'R'Us
Auch Dax Werner konnte man bis vor einiger Zeit eher auf anderem Wege kennenlernen, er ist Kolumnist und Autor fürs Satiremagazin Titanic. Und Susi Bumms ist bildende Künstlerin.
Wer sich die Songs der Screenshots anhört, findet zwischen all den Witzigkeiten natürlich auch intellektuelle Überlegungen, weshalb die Feuilletons sie gern in den Kanon der Diskurspop-Bands aufnehmen würden. Womit die Drei nicht unbedingt einverstanden sind. „Viele denken, dass wir wegen unseres medialen Hintergrunds jetzt das große Diskurs- und Meta-Ding sind. Aber mal ganz ehrlich, wenn wir unsere CDs jetzt im Toys’R’Us verkaufen würden und ein, zwei Songs weglassen, dann ist das einfach auch Kindermusik, nicht mehr und nicht weniger“, fasst Kurt Prödel zusammen. „Was wir sind und was wir nicht sind, das kann man eigentlich gar nicht so genau sagen“, meint auch Dax Werner.
Dass die Drei aber eine Band sind, für die erstmal der Spaß im Vordergrund steht, das wird niemand bestreiten – auch wenn sie wahrscheinlich erstmal weit entfernt bleiben werden von den „2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“.
The Screenshots: 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee (Musikbetrieb R.O.C.K (Membran)) Live: 25.9. Münster, Gleis 22, 9.10. Köln, Gebäude 9
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